Wettbewerbsfaktor Prozessgestaltung

Innovative Möglichkeiten des Backup-Servicing im Kreditbereich

Der intensive Wettbewerb und die Umbrüche an den Finanzmärkten geben die Marschrichtung vor: Für Finanzdienstleister kommt es mehr denn je darauf an, auf unterschiedliche, auch unvorhergesehene Situationen, kurzfristige Herausforderungen und plötzlich eintretende Risiken vorbereitet zu sein. Angesichts des herausfordernden Wettbewerbs, insbesondere im Kreditgeschäft, optimieren Finanzdienstleister Kostenstrukturen und ihre Prozesse und stellen diese auf die vertrieblichen Anforderungen ein. Zusätzliche große Herausforderungen ergaben sich im Zuge der Finanzmarktkrise. Zahlreiche Finanzdienstleister stehen vor der Aufgabe, ihre Geschäftsmodelle und Strategien auf den Prüfstand zu stellen oder ihr Risikomanagement zu schärfen. Einige entschieden sich, Geschäftszweige zumindest zeitweilig aufzugeben.

Ziel aller Anstrengungen ist, zukünftige schwierige Situationen gut zu meistern und ein effizientes Geschäfts- und Vertriebsmodell zu implementieren. Hohe Effizienz bedeutet oftmals, Puffer in der Organisation so weit wie möglich zu verringern. Jedoch erfordern Marktschwankungen hohe organisatorische Flexibilität und die Fähigkeit, die operative Handlungsfähigkeit in verschiedenen Szenarien sicherstellen zu können. Diese Anforderungen dürfen und müssen kein Widerspruch sein. Mit der richtigen Vorbereitung können Finanzdienstleister negative Auswirkungen allgemeiner Krisen im Markt oder punktuelle Herausforderungen besser abfedern oder ganz verhindern.

Standfestigkeit durch Flexibilität

Ingenieure planen bei der Gebäudekonstruktion ein exakt berechnetes Maß an Flexibilität ein, damit die Bauwerke Stürmen oder sonstigen Krafteinwirkungen standhalten. Dieser Spielraum macht die Stärke eines Gebäudes aus. Nach diesem Prinzip sollten auch Finanzdienstleister ihr Unternehmen ausstatten, um ihre Handlungsfähigkeit in schwierigen Situationen kurzfristig aufrechterhalten zu können und die Fortführung der Geschäftsfähigkeit nachhaltig zu sichern. Häufiger Ausgangspunkt in der Kreditpraxis, um Strategien zur Absicherung von Prozessen zu entwickeln, sind dabei folgende drei Szenarien: Produktionsengpässe im Kredit-Backoffice, Großprojekte im IT-Bereich und Ausfälle eines Refinanzierungspartners. Je größer der Handlungsspielraum des Unternehmens bei Eintritt eines der genannten Szenarien ist, desto größer sind die langfristige Planungs- und Investitionssicherheit.

Die Entwicklung von Strategien, Plänen und Handlungen für diese Szenarien beginnt mit der Analyse möglicher Schwachstellen und der Auswirkungen von Marktveränderungen auf das eigene Haus. Risiken sollten für das eigene Haus unter anderem im Hinblick auf den Ausfall von Geschäftspartnern, die Erfüllung vertraglicher Anforderungen, die Beständigkeit von Liquiditätsflüssen sowie die Einhaltung von Servicevereinbarungen und Kundenerwartungen bewertet werden. Nicht zuletzt können Image- und Reputionsverluste erhebliche Folgen für ein Institut am Markt haben.

Die Institute müssen besonders nach der Finanzmarktkrise ein neues Bewusstsein dafür schaffen, welche Szenarien eintreten können, welche Auswirkungen diese auf das Geschäftsmodell und den Betrieb haben und wie sie sich darauf konzeptionell und strukturell am besten vorbereiten. Darauf aufbauend kann die passende Stoßrichtung für eine Präventivlösung identifiziert werden, wobei zu entscheiden ist, ob diese einer kurzfristigen Überbrückung dient oder auf Dauer angelegt wird. Damit stellt sich auch die Frage, ob diese in Eigenleistung erbracht werden kann und soll. Eine Abwägung von Machbarkeit, Kosten und Nutzen führt unter Umständen dazu, sich für ein Kooperationsmodell zu entscheiden.

Backup-Lösungen erfordern im Vorwege auch, die juristischen Voraussetzungen zur Durchsetzung von Ansprüchen etwa von Sicherheiten oder Zahlungsströmen zu prüfen und zu schaffen. Allerdings sind diese nur eine Facette einer Lösung. Insofern fokussieren solche Konzepte vor allem auf das Backup von Prozessen und IT. Tritt eines der genannten Szenarien ein, müssen die unmittelbar benötigten Strukturen vor allem schnell und unkompliziert aktiviert werden können.

Eine derartige Vorsorge erfordert zwar zunächst in regulären Zeiten neben dem Tagesgeschäft einigen Vorlauf und Aufwand, zahlt sich aber letztendlich aus. Denn eine mangelnde Vorbereitung kann erhebliche finanzielle Einbußen und einen Reputationsverlust nach sich ziehen. Umgekehrt kann sich ein Nachweis profunder Backup-Lösungen durchaus positiv auf ein heutiges Standing am Markt und etwaige Ratings auswirken. Geschäftspartner bewerten dann die Risikotragfähigkeit eines Instituts deutlich besser. Einzelne Institute haben sich bereits mit solchen präventiven Maßnahmen auseinandergesetzt und entsprechende Lösungen für das Backup-Servicing gemeinsam mit einem externen Dienstleister wie der Hypotheken Management-Gruppe geschaffen.

Produktionsengpässe: Backup für das Backoffice

Flexibilität im Kredit-Backoffice ist die Voraussetzung, um auf Marktschwankungen reagieren und Vertriebschancen nutzen zu können. Da eine genaue Prognose der Marktentwicklung schwierig ist, stellt die mittel- und langfristige Ressourcenplanung im Kredit-Backoffice eine große Herausforderung dar. In Zeiten geringer Auftragseingänge haben die Finanzdienstleister unter Umständen Leerkapazitäten mit hohen Fixkosten. In Spitzenzeiten hingegen fehlen mitunter ausreichend qualifizierte Mitarbeiter im Backoffice, um die Aufträge in gleichbleibend hoher Qualität, effizient und zügig abzuarbeiten. Ein guter Service ist im Wettbewerb heute ein wichtiges Differenzierungsmerkmal. Werden Service Level Agreements (SLAs) nicht eingehalten und kommt es zum Beispiel zu Qualitätsschwankungen oder längeren Bearbeitungszeiten als gewohnt, gerät dies schnell zu einem Wettbewerbsnachteil. Diesen kann sich kein Institut im umkämpften Privatkundengeschäft leisten.

Für diesen Fall bietet sich die Zusammenarbeit mit einem Servicer an, der auf Abruf die zusätzlich benötigten Bearbeitungsressourcen zur Verfügung 2stellt. Entscheidet sich eine Bank für diese Form des Backup-Servicing, werden präventiv die technischen Voraussetzungen geschaffen, sodass eine schnelle Aktivierung des in normalen Phasen in Standby gestellten Servicingpartners möglich ist.

Vor ähnliche Herausforderungen gestellt sehen sich Finanzdienstleister bei Großprojekten insbesondere im IT-Bereich. Diese erfordern häufig eine Parallellösung, damit die Bearbeitung der Bestände und des Neugeschäfts auch für die Zeit während der Systemumstellung gewährleistet ist. Denn umfangreiche Kapazitäten sind über einen längeren Zeitraum im Projekt gebunden, und die technischen Systeme stehen unter Umständen nicht in vollem Umfang zur Verfügung. Auch eventuelle Datenpflegearbeiten und manuelle Migrationsschritte binden Ressourcen im Fachbereich. Auch hier kann ein Finanzdienstleister auf die spezialisierten Ressourcen eines Servicers und seine technische Expertise zurückgreifen und damit einen geregelten Bearbeitungsablauf und den gewohnten Servicestandard für die Endkunden gewährleisten.

Auch bei Refinanzierungsgeschäften sind die Refinanzierungsgeber aufgrund der engen Verbindung zum Refinanzierungsnehmer auf ein hohes Maß an Flexibilität und Reaktionsfähigkeit angewiesen. Denn fällt zum Beispiel der Refinanzierungsnehmer aus, sind unter Umständen auch die ordnungsgemäße Bearbeitung des betroffenen Portfolios oder der Zahlungsfluss nicht mehr gewährleistet. Ein Alternative wäre nur, dass der Refinanzierungsgeber die Darlehen sofort fällig stellt, was neben einem Imageschaden im Markt auch rechtliche Probleme nach sich ziehen kann. Hier kommen Gesichtspunkte der Haftung genauso wie finanzielle Aspekte zum Tragen. Der betroffene Refinanzierer ist deshalb auf eine Lösung angewiesen, in deren Rahmen die professionelle Bearbeitung unmittelbar sichergestellt ist.

Schließt ein Finanzdienstleister vorsorglich einen Backup-Servicing-Vertrag mit einem spezialisierten Dienstleister, kann er im Ernstfall von dieser Versicherungslösung profitieren. Sollte der Refinanzierungsnehmer ausfallen, springt der Backup-Servicer ein, stellt die arbeitsfähigen Prozesse und IT-Systeme bereit oder übernimmt die Kreditbearbeitung.

Je nach Geschäftsstrategie, Risikoeinschätzung und der Bereitschaft, Strukturen im Vorwege zu schaffen, sind dabei verschiedene Abstufungen des Backup-Servicing möglich. Ergibt die Risikobewertung, dass nur einfachste Prozesse benötigt werden oder ausreichend Zeit für den Aufbau zusätzlicher Prozesse und Infrastrukturen vorhanden wäre, genügt ein ausgearbeitetes Vorgehenskonzept für den Ernstfall. Ist allerdings eine schnelle Migration eines Datenbestandes nötig, liegt es nahe, neben einem Konzept auch schon die technische Infrastruktur dafür vorzuhalten, um frühzeitig arbeitsfähig zu sein.

Eine weitere Variante beinhaltet zusätzlich zum Konzept und zur Technik die Sicherstellung der fachlichen Prozesse durch den Servicer. Diese umfangreichere Versicherungslösung bietet sich an, wenn der Geschäftsbetrieb des Refinanzierungsnehmers im Zweifel eins zu eins aufrechterhalten werden soll und es nicht nur um die Sicherstellung von Minimalfunktionen geht.

Getreu dem Prinzip "Jeder macht das, was er am besten kann", lassen sich Finanzdienstleister beim Backup-Servicing die benötigte Flexibilität, Know-how und Technik just in time vom Servicepartner zuliefern. Die Institute können sich darauf verlassen, dass tragfähige, professionelle und genau auf ihren Bedarf abgestimmte Lösungen abrufbar sind, sobald diese gebraucht werden.

Beim Backup-Servicing profitiert ein Finanzdienstleister davon, dass der Dienstleister aufgrund seiner umfangreichen Expertise im Kreditgeschäft die Besonderheiten des Marktes und die Bedürfnisse der Unternehmen kennt. Er verfügt vor allem über das spezifische Prozess-Know-how, über die Methoden zur Übertragung logischer und physischer Geschäftsdaten und nicht zuletzt über die technischen und personellen Kapazitäten. Ob als Standby-Management bei Produktionsengpässen, in Großprojekten oder als sogenannte Versicherungslösung - Backup-Servicing bietet unterschiedliche Wege, um investitionssichere und nachhaltige Modelle für besondere Herausforderungen zu gestalten. Finanzdienstleister können verschiedene Herausforderungen dann flexibel managen, ohne in eine Stresssituation oder Schieflage zu geraten.

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