MIPIM- Messekommentar

MIPIM 2009: Ende der Paralyse

Kleiner, intensiver und geschäftiger war die internationale Immobilienmesse Marché International des Professionnels de l'immobilier (MIPIM), die vom 10. bis 13. März 2009 in Cannes stattfand. Es zeigte sich, dass auch die Spitzenveranstaltung der Real Estate Community von den Finanzmarktturbulenzen ganz erheblich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Mit rund 18 000 Teilnehmern kamen diesmal immerhin 35 Prozent weniger als im Vorjahr - zum Vorteil für die Messe. Denn statt Quantität überzeugte diesmal Qualität. Wer in diesem Jahr allen Marktwidrigkeiten zum Trotz ins Palais des Festivals fand, wollte und musste dort sein, um konkrete Projekte vorzustellen, Geschäfte anzubahnen oder Vertragsabschlüsse vorzubereiten. Die MIPIM ist, so bleibt zu hoffen, endlich (wieder) eine Arbeitsmesse - und kein Incentive-Jux mehr.

Es hätte einen bereits stutzig machen müssen: Seit ein paar Jahren ist es unerlässlich, seinen kostspieligen und darum knapp bemessenen Aufenthalt während der Immobilienmesse MIPIM in Cannes einige Wochen vorab mit fest vereinbarten Terminen nahezu lückenlos durchzutakten. Dass dabei der zeitliche Puffer zwischen den Gesprächen im jährlichen Rhythmus großzügiger angesetzt werden musste, war ein deutliches Indiz für das rasante Wachstum der Veranstaltung in den letzten Jahren.

Diese hatte sich immerhin binnen zweier Jahrzehnte vom lauschigen Tete-à-tete der gewerblichen Immobilienspezialisten vor mediterraner Kulisse zu einem internationalen Festival gemausert, auf dem jedoch zunehmend Real-Estate-Yuppies mit Starallüren daherstolzierten. Erfahrung im Immobilienmarkt? Pfui! Wer brauchte denn vor einem Jahr noch solch intellektuellen Ballast, wenn doch Liquidität massenhaft in die Anlageklasse drängt und schwemmt. Die künstlichen Inseln am Ufer der arabischen Wüste sind ein Sinnbild für diesen - im wahrsten Wortsinne - Überfluss.

Angesichts der Gigantomanie, die dabei um sich griff, drängt sich das Gleichnis vom Turmbau zu Babel zwangsläufig auf. Entsprechend ist erwartet worden, dass die Implosion des globalen Finanzmarktes auch bei den Baumeistern nicht folgenlos bleiben würde. Einen ersten Vorgeschmack auf das Zuerwartende lieferte bereits die Terminplanung des diesjährigen Messebesuchs. Viele Aussteller und Teilnehmer hatten bereits im Vorfeld erklärt, in diesem Jahr gar nicht oder nur mit sehr stark reduzierter Mannschaft, aber ohne Stand, Boot, Zelt oder Event in Cannes zu sein. Für die Wenigen, die kamen, war es deshalb auch kaum ein Problem, ein kurzfristig vereinbartes Treffen im Palais, im Hafen oder in der Altstadt einzurichten. Zeit, so wurde bereits im Vorfeld klar, war diesmal kein allzu knappes Gut.

Maßhalten neu gelernt

Die Vorahnung, dass die diesjährige Messe eine ganz andere als in den letzten Jahren werden würde, verstärkte sich bereits am Flughafen. Statt der leidlich gewohnten Bedrängnis überraschte den Passagier diesmal das großzügige Platzangebot in den Kabinen - gleichwohl Fluglinie und Maschinentyp alt vertraut waren. So traf sich hier bereits, wer sich schon kannte oder wen man in den kommenden Tagen am Zielort noch des Öfteren wiedersehen sollte. Wer Cannes per Flugzeug erreichen will, kann das nur auf dem Umweg über Nizza tun. Und auch dort ein ungewohntes Bild: Fein ordentlich gereiht stehen Taxen bereit, wo in den Jahren zuvor stets eine Menschentraube auf eines dieser seltenen - und wohl auch deshalb so teuren - Vehikel harren musste. Sogar im Airport-Shuttle sind noch Plätze frei. Diese offenkundige Rarität an Passagieren hat sogar die stets streikbegeisterten Gewerkschaften bewogen, den schon traditionellen Arbeitskampf im öffentlichen Beförderungsgewerbe in diesem Jahr nicht während der MIPIM-Tage abzuhalten.

Als nächstes verblüffte den geneigten Messegast das sonst so mäßig gastliche Hotelgewerbe. Dass sogar am ersten Messetag noch Zimmer in Cannes verfügbar sind, ist für erprobte MIPIM-Aktivisten höchst ungewöhnlich. Wenn die Räumlichkeiten dann aber auch noch zu Preisen wie in der Nebensaison zu haben sind, dann ist das eine Sensation. Damit bestätigte die örtliche Hotellerie gleichwohl nur ihren legendären Ruf, wie kaum ein anderes Immobiliensegment Angebot und Nachfrage binnen kürzester Zeit über den Preis ausgleichen zu können. Gelungen ist dies offensichtlich auch diesmal. Der Zimmerpreis-Index an der Côte d'Azur lieferte erneut einen zuverlässigen, gleichwohl in der internationalen Immobilienszene noch nicht entsprechend gewürdigten Trend-Indikator.

Die nächste Überraschung erlebte der Messebesucher bei der Anmeldung. Statt langer Wartezeiten dank umständlichen Registrierungs-Zeremoniells empfing den Teilnehmer diesmal eine geradezu beängstigende Effizienz. Auch am Eingang des Palais des Festivals erlebte man diesmal Ungewohntes: Statt eines tief gestaffelten Kordons aus mürrisch musternden Security-Hünen, die rigoros alles und jeden filzten, abtasteten und scannten, erwartete den Besucher in diesem Jahr ein freundliches, kleines Empfangskomitee, welches lediglich die Zugangsberechtigung prüfte und anstatt des üblichen Sicherheits-Brimboriums nur einen Metalldetektor lax schlenkerte.

Leer-Stand im Palais

Schneller als erhofft im Palais hieß es zunächst die Aussteller zu sondieren. Als erster Anlaufpunkt empfiehlt sich das Espace Riviera, zumal sich dort traditionell viele deutsche Städte, Regionen und Unternehmen in ein besseres Licht setzen, als dies in der Tiefgarage des Palais möglich ist, die man dazu aber erst durchqueren muss. Dass dies diesmal in Rekordzeit gelang, war schlicht der Einsamkeit geschuldet, die den Besucher empfing. Statt des gewöhnlich engen Slaloms und Gedränges lud der fast menschenleere "Boulevard" im Tiefgeschoss zum Schlendern ein. Dass dabei jedem Entgegenkommenden noch ein freundlicher Gruß erboten wurde, verstärkte das Gefühl, dass sich in diesem Jahr wohl nur eine kleine Schicksalsgemeinde in diesen einst turbulenten Hallen einfinden würde. Die Messe schien wie eingedampft - auf das Konzentrat der internationalen Immobilienwirtschaft.

Der Blick in die Gänge verriet, dass diese Messe das Leid der Immobilienbranche auf das Innigste teilte. Der Leerstand war - dank netter Arrangements - gut kaschiert und dennoch unübersehbar. So viele Sitzgruppen, Ruhezonen und MIPIM-Nischen hätte man sich in den Vorjahren gewünscht, jetzt jedoch erschreckte ihre Zahl. Zudem wurde der Veranstalter offensichtlich von einigen kurzfristigen Absagen überrumpelt. Wo dies noch möglich war, wurden Sichtblenden errichtet, doch hier und da wurden Stände auch gar nicht erst bezogen. Ganze Gänge und Ebenen, die in den Vorjahren stets belegt waren, blieben diesmal leer. Besser sah es da schon im Espace Riviera des Palais aus. In der Be letage waren wieder die deutschen Städte prominent vertreten. Da sie in der Regel noch mehr und zum Teil sogar neue Standpartner und Sponsoren gewinnen konnten, herrschte hier beinahe die gewohnte Betriebsamkeit.

Aber das Palais, welches Immobilienkundige nur den "Bunker" nennen, ist kein einladendes Gebäude - schon gar nicht, wenn über Cannes ein wolkenloser Himmel und frühlingshaftes Klima lockt. Dies hatte auch in den Vorjahren mehr Besucher in den alten Hafen und auf die Croisette gezogen. Doch beim Gang an den Kais entlang wurde schnell klar: Die einst stolze Immobilien-Armada hat in den Stürmen der letzten Monate gehörig was abbekommen. Deutlich weniger Yachten als im Vorjahr waren von Ausstellern gechartert worden und auch die Auftritte wirkten bescheidener. Auf dem Meer, wo sonst in Ruderweite des Palais jene Schiffe ankerten, die zu pompös für das kleine Hafenbecken waren, dümpelte nur eine Handvoll Yachten - diesmal dominiert von einem bunt beflaggten Kriegsschiff der französischen Marine.

Arbeit statt Luxus Am Strand bot sich ein ähnlich stilles Bild. Dort wo sonst in den Abendstunden eine Champagner-Party besser als die andere sein wollte, herrschte ungewohnte Ruhe. Fast wähnte man sich zur falschen Zeit in Cannes. Dass einem auf der Strandpromenade mehr Jogger als Anzugträger begegneten, darf als weiteres Indiz für die Schwierigkeiten der internationalen Immobilienwirtschaft gelten. Wer noch vor Jahresfrist zu Fuß vom Palais zum Hotel Martinez, das für gewöhnlich den Endpunkt der Messe-Magistrale markiert, eine halbe Stunde brauchte, schaffte die Distanz in diesem Jahr locker in weniger als zehn Minuten.

Doch so erschreckend der deutliche Teilnehmerschwund war, der Messe hat dieser Aderlass gut getan. Das Gesprächsklima war merklich besser. Vermisst wurden weder die Incentive-Touristen noch die Excel-Akrobaten. So herrschte trotz gedrückter Stimmung doch eine erstaunliche Geschäftigkeit. Es wurde wieder über konkrete Projekte gesprochen. Im Mittelpunkt stand das Geschäft - nicht der Event. Die MIPIM hat sich nach den Auswüchsen der vergangenen Jahre endlich zu einer Arbeitsmesse gewandelt. Überwunden scheint die Paralyse, die die Immobilienwirtschaft nach der Lehman-Pleite und

dem HRE-Schock ergriffen hatte. Von Optimismus ist dennoch keine Spur. Vielmehr haben sich die Akteure in ihre Situation gefügt. Die Lage wird so akzeptiert, wie sie ist. Noch machen viele Investoren die "Luken dicht", wie Karsten von Köller, Chairman von Lone Star Germany, feststellt. Zuversicht gewinnt erst langsam an Boden.

London als Vorreiter?

Am ehesten wird dem Londoner Immobilienmarkt zugetraut, als Erster den Weg aus der Krise zu finden. Entsprechend bringen sich vor allem die Offenen Immobilienfonds bereits in Position. So sieht der Geschäftsführer der Deka Immobilien, Franz Lucien Mörsdorf, die Renditen und Preise für Büroimmobilien in der britischen Hauptstadt bereits auf einem Niveau angekommen, das verstärkte Zukäufe rechtfertigt. Auch Frank Billand, Vorstandsmitglied der Union Investment Real Estate, rechnet in den nächsten Monaten mit weiteren sogenannten Notverkäufen. Die zum S-Finanzverbund gehörende Deka Immobilien und die im Genossenschaftssektor beheimatete Union Investment Real Estate planen zumindest für 2009 jeweils 1,7 bis 1,8 Milliarden Euro für ihre Publikumsfonds zu investieren.

Dass wiederum Offene Fonds, deren Anteile derzeit noch ausgesetzt sind, ebenfalls zu Verkäufen gezwungen seien, wollte Walter Klug, Geschäftsführer der Morgan Stanley KAG, zumindest für den Morgan Stanley P2 Value ausschließen. Er bevorzuge andere Wege der Liquiditätsbeschaffung. Ohne jedoch konkreter zu werden, wie er die noch bestehenden Rückgabewünsche seiner Investoren bedienen werde, gibt er sich zuversichtlich, den Fonds nicht länger als zwölf Monate auszusetzen.

Neue Wege sucht derweil die Warburg-Henderson KAG für ihre institutionellen Anleger. Neben der Auflage von eigenen Spezialfonds sollen künftig unter der Marke Intreal diverse Fondshüllen für die Immobilieninvestitionen von Institutionellen angeboten werden, erklärt Geschäftsführer Henning Klöppelt. Dabei wird der Fondsadministrator nicht selbst ins Risiko gehen, sondern lediglich die Plattform anbieten, auf der institutionelle Investoren ihre Immobilienbestände und -transaktionen darstellen und managen können.

Schwierig, aber nicht chancenlos ist derzeit die Lage bei den Initiatoren Geschlossener Immobilienfonds. So erkennt die Geschäftsführerin des Fondshauses Hamburg, Angelika Kunath, bei vermögenden Investoren durchaus einen nachhaltigen Trend zur Immobilienfondsanlage. Allerdings würden nach wie vor Core-Objekte bevorzugt, deren Renditen aber unverändert niedrig sind, während renditestärkere Immobilieninvestitionen vielfach noch gescheut werden - von den Kunden, die unsicher sind, aber auch von einigen Vertrieben, wegen der intensiveren Beratung.

So würden aktuell vor allem Projektentwicklungen gute Chancen bieten, da die Fonds als Eigenkapitalgeber von den Entwicklern und den Banken gern gesehen sind. Dabei könne die Rendite auf das eingesetzte Fondskapital noch gesteigert werden, wenn es revolvierend nacheinander in drei bis vier Projekte investiert wird. Allerdings steht einer erzielbaren Rendite von etwa zehn Prozent ein entsprechendes Risiko gegenüber. Vor allem die Vorvermietung ist momentan eine Herausforderung.

Dennoch sind Projektentwicklungen auch aus Sicht der HCI Capital interessant, weil hier die Verkäufer eher bereit sind als bei etablierten Bestandsobjekten, den Kaufpreis zu stunden. Zwar stellt auch HCI-Geschäftsführer Matthias Voss fest, dass sich die deutschen Fondsanleger stärker auf den Heimatmarkt besinnen, doch sind hier die Renditen noch nicht auf dem Stand, dass sie für die Fonds attraktiv sind. Reizvoller sei dagegen die City of London, wo Büroimmobilien derzeit zu Einstandspreisen zu haben sind, die auch für das Fondseigenkapital eine Verzinsung oberhalb von sieben Prozent ermöglichen.

Banken melden sich zurück

Frohlocken können derzeit jene Investoren, die äußerst konservative Geschäftsmodelle pflegen. So bieten sich nach Aussage von Jan F. Kärst vom US-Investor W. P. Carey in den USA und in Großbritannien exzellente Kaufgelegenheiten. Dabei kommt dem Unternehmen zugute, dass es bei seinen Sale-Leaseback-Strukturen für Firmenimmobilien stets mit einem hohen Eigenkapitalanteil erwerben kann. Die Mittel dafür werden über Fonds eingeworben, die in den USA als Altersvorsorgeprodukte verkauft werden.

Nach einer knapp sechsmonatigen Phase der Agonie mehrt sich jedoch die Zahl der Banken, die in der Immobilienfinanzierung außer (Not-)Prolongationen auch wieder echtes Neugeschäft machen. Dabei beschränken sich jedoch fast alle auf die entwickelten westeuropäischen und nordamerikanischen Märkte. Allerdings werde dabei sehr selektiv vorgegangen und "von Hand" gesteuert, wie der Vorstandssprecher der Eurohypo, Frank Pörschke, erläuterte. Angesichts der gesamtwirtschaftlich negativen Aussichten werde das Zusagevolumen jedoch von den Rückflüssen aus dem Bestand abhängen. Grundsätzlich peile die Eurohypo für 2009 ein Neugeschäft in Milliardenhöhe an.

Einen vorsichtigen Wiedereinstieg respektive Ausbau des Finanzierungsneugeschäfts haben auch DG Hyp, Westdeutsche Immobilienbank, Deutsche Hypo und Aareal Bank angekündigt. Dabei soll das Volumen ebenfalls jeweils etwa im einstelligen Milliardenbereich liegen. Gleichwohl die MIPIM von den Immobilienfinanzierern als eine der wichtigsten Messen angesehen wird, war die Zurückhaltung jedoch offensichtlich. Nicht nur die Mannschaftsstärke während der Messetage wurde gegenüber dem Vorjahr deutlich reduziert, auch die Präsenz fiel bescheidener aus.

Während Eurohypo und Aareal Bank am angestammten Platz jeweils ihren eigenen Stand unterhielten, ankerte die DG Hyp immerhin noch mit einem Boot im Hafen. Andere schlüpften auf den Städteständen unter oder verzichteten, wie die Hypo Real Estate (HRE) in diesem Jahr ganz auf solche Fixpunkte. Der Gesprächsqualität war dies offensichtlich nicht abträglich. So bestätigt der Vorstandsvorsitzende der HRE Group: "Wir haben zahlreiche Gespräche über ausstehende Verlängerungen und Neugeschäftsmöglichkeiten geführt."

Als Fazit bleibt: Die heiße Luft der letzten Jahre ist endlich raus. Die MIPIM hat die Chance, ihren alten Charme zurückzuerlangen. Ein Teilnehmerniveau wie 2003 ist dafür ein guter Anfang, zumal qualitativ keine Einbußen festzustellen sind. Hält der Wandel zur Arbeitsmesse an, wird auch die Champagner-Parties niemand vermissen. Erfahren wird man dies bei der nächsten MIPIM vom 16. bis 19. März 2010. L. H.

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