Betreibermodelle im Wandel

ÖPP-Projekte brauchen eine gewisse Größe

Um Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) ist es in den vergangenen Monaten sehr ruhig geworden. Täuscht dieser Eindruck? Genaue Zahlen zum deutschen ÖPP-Markt werden leider nicht erfasst. Denn bereits die Definition von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist schwierig. Dennoch gehen wir davon aus, dass die Zahl der neu beantragten Projekte zurückgegangen ist. Die Gründe sind vielfältig. So werden in einem Wahljahr die Entscheidungsprozesse für den Neustart von Projekten oft in die neue Legislaturperiode verschoben. Allerdings gibt es auch Fälle, die wegen bevorstehender Wahlen wesentlich schneller beschlossen werden, weil zum Beispiel der alte Gemeinderat ein Projekt gerne noch als seine Entscheidung wahrgenommen sehen möchte. Ein weiterer Grund für die Verschiebung von ÖPP-Projekten ist die konjunkturelle Entwicklung. Bei den Kämmerern herrscht derzeit viel Unsicherheit über die Höhe der künftig verfügbaren öffentlichen Investitionsmittel, denn Steuereinnahmen und Sozialausgaben für die nächsten Jahre lassen sich im aktuellen Umfeld schlecht schätzen. Müsste die öffentliche Hand nicht gerade in Zeiten der Rezession stärker investieren? Gleichwohl wir in vielen Gemeinden eine zurückhaltende Investitionsneigung spüren, gibt es auch Gegenbeispiele. So realisiert die Stadt Backnang (nordöstlich von Stuttgart) ein neues Bad als ÖPP-Projekt bewusst jetzt, um ein Zeichen gegen die Rezession zu setzen. Das ist die größte Investition in der Gemeinde seit 30 Jahren. Wer treibt ÖPP derzeit voran? An ÖPP sind nach wie vor die großen Baukonzerne sehr stark interessiert. Dagegen kommen von Planern wenige Impulse. Verstärkt engagieren sich Projektentwickler. Und immer früher bringen sich Betreiber vor allem aus dem Facility Management in die Planung ein. Aber sollte nicht die ÖPP Deutschland AG als Weiterentwicklung der ÖPP Task Force des Bundes diese Beschaffungsvariante voranbringen? Zunächst ist es gut, dass das Thema ÖPP durch diese Initiative von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft mehr Aufmerksamkeit erhält. Allerdings ist diese Gesellschaft ausschließlich auf ÖPP fixiert, sodass sie allenfalls in Richtung dieser Beschaffungsvariante berät. Das nützt den Kommunen aber meist wenig, denn der hauptsächliche Beratungsbedarf besteht bei der Abwägung der Vor- und Nachteile von verschiedenen Herstellungswegen für die öffentliche Infrastruktur. Auf der einen Seite steht die herkömmliche Erstellung durch die öffentliche Hand und auf der anderen Seite die vollständige Privatisierung. Dazwischen gibt es aber noch weitere Möglichkeiten, von denen ÖPP nur eine ist. Es sind auch Investoren- oder Totalunternehmerausschreibungen denkbar. Diese Spielarten sollten ergebnisoffen geprüft werden, um das Beste auswählen zu können. Dem Anbieter nur einer Lösungsvariante kann diese Objektivität nicht unterstellt werden. Ist das ÖPP-Verfahren zu kompliziert? Schreckt das möglicherweise Beamte noch ab? Eine zentrale Verfahrenvorschrift gibt es nicht. Aber mittlerweile bestehen Verträge mit Vorbildcharakter, die als Muster immer wieder verwendet werden können und nur an das individuelle Projekt angepasst werden müssen. Auch juristisch sind die Grundsatzprobleme weitgehend gelöst. Jetzt rückt die Detailebene in den Fokus. Die dabei zu klärenden Fragen sind einerseits komplexer und schwieriger zu beantworten, andererseits beschränken sie sich nur auf wenige Einzelfälle, weshalb die gefundenen Lösungen selten auf andere Projekte übertragbar sind. Wie wirkt sich die aktuelle konjunkturelle Lage aus? Wird das Konjunkturpaket des Bundes neue Impulse geben? Durch die Kleinteiligkeit des Konjunkturpakets ist der Arbeitsaufwand für die Kommunen sehr groß, auch weil die Beträge, die bei den Kommunen ankommen, relativ klein sind. Damit lässt sich zwar theoretisch eine Schule komplett sanieren, aber dann gibt es sofort Diskussionen, warum es diese und keine andere Schule sein muss. Also werden die bereitgestellten Mittel auf eine Vielzahl kleiner Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Diese Vorhaben müssen aber alle einzeln geplant, ausgeschrieben und vergeben werden. Das bindet enorme Kapazitäten in den öffentlichen Verwaltungen, sodass andere Projekte - die für ÖPP vorgesehen waren - auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Schreckt die Politiker vielleicht auch das schlechte Image von ÖPP in Deutschland? ÖPP ist tatsächlich negativ belegt. In der "reinen Lehre" umfasst ÖPP die Bereiche Planen, Bauen, Betreiben und Finanzieren von öffentlicher Infrastruktur mit Hilfe von Privaten, wobei die Trägerschaft bei der öffentlichen Hand verbleibt. Wir erleben es in den Gesprächen oft, dass dieser Unterschied nicht geläufig ist. Eine Schule als ÖPP heißt, dass der Unterricht und der Lehrkörper weiterhin von der öffentlichen Hand gestellt werden, aber die bauliche Hülle dafür von privaten Unternehmen kommt. Erst wenn auch der Schulbetreiber privatwirtschaftlich ist, haben wir es mit einer Privatisierung zu tun. Wenn dieser Unterschied in der Öffentlichkeit nicht ganz klar ist, hat ÖPP ein schlechtes Image. Übrigens hat auch das sogenannte Cross-Border-Leasing, das aktuell zu Recht in der Kritik steht, nichts mit ÖPP zu tun. Denn dieses ist nur eine Finanzierungs-, aber keine Beschaffungsvariante. Sind die Erwartungen an ÖPP vielleicht zu hoch? ÖPP durchlebt den klassischen Zyklus aller Innovationen. Als die Idee verbreitet wurde, waren die Hoffnungen zunächst gewaltig. Jede Kommune dachte, sie bekäme jetzt ihre Infrastruktur in Spitzenqualität zum Nulltarif. Oftmals wurden auch Projekte als ÖPP realisiert, wo dies nicht sinnvoll war. Zuweilen wurden auch Privatisierungen als ÖPP präsentiert. Die darauf folgende Ernüchterung war unausweichlich. Jetzt beginnen sich die ÖPP-Ansätze herauszukristallisieren, die tatsächlich eine nachhaltige Win-Win-Situation für beide Seiten schaffen. In England gibt es seit 30 Jahren Public Private Partnerships (PPP). Dort muss grundsätzlich jedes öffentliche Vorhaben auf PPP-Vorteilhaftigkeit geprüft werden. Tatsächlich werden aber nur 18 bis 20 Prozent als PPP umgesetzt. Das heißt im Umkehrschluss, vier von fünf Projekten sind für die Einbindung von Privaten ungeeignet. In Deutschland erreicht ÖPP lediglich einen Anteil von etwa vier Prozent. Deshalb sehen wir hier auch noch erhebliche Wachstumspotenziale, auch wenn hierzulande wohl kaum das britische Niveau erreichbar ist. Welche Quote wäre für Deutschland realistisch? Durch den Föderalismus werden wir keine so große Durchsetzung mit ÖPP erreichen, wie es zentralistisch verwaltete Länder können. Denn ÖPP-Projekte brauchen eine gewisse Größe, die in kleinteiligen Strukturen schwieriger zu erreichen ist. Aber wesentlich mehr als vier Prozent sollten möglich sein. Ist vorgesehen, eine Prüfung auf ÖPP-Tauglichkeit gesetzlich vorzuschreiben? Nein, das ist auch nicht notwendig. Letztlich muss die Gemeinde überzeugt sein, dass eine solche Partnerschaft für ein konkretes Projekt besser ist, als es in Eigenregie zu erstellen. Wenn eine Kommune - warum auch immer - trotz kalkulatorischer Vorteile keine Einbindung von Privaten möchte, dann sollte man sie nicht zwingen. Ich warne vor Ungeduld. Eine Kommune baut vielleicht alle zehn Jahre eine neue Schule oder saniert die bestehende. Es kann also durchaus noch ein paar Jahre dauern, bis ein solches Projekt zur Entscheidung ansteht. Inzwischen entwickeln sich auch die ÖPP weiter. Wenn etwas erfolgreich und zur Zufriedenheit von allen Seiten verlaufen ist, dann wird sich das unter den Bürgermeistern und Kämmerern herumsprechen und bei neuen Vorhaben sicherlich berücksichtigt oder zumindest geprüft werden. Welche Entwicklungen nehmen Sie wahr? In der Vergangenheit ist vieles als ÖPP probiert worden - Schulen, Schwimmbäder, Straßen, Gefängnisse. Künftig werden wir eine stärkere Spezialisierung sehen. Dabei dürften kleinvolumige Projekte bis zu fünf Millionen Euro Investitionsvolumen wie zum Beispiel Kindertagesstätten tendenziell durch die Kommunen errichtet und betrieben werden, weil hier die Effizienzgewinne, die ein Privater erzielen könnte, durch dessen Gewinnansprüche überkompensiert werden. Letztlich wären diese Projekte als ÖPP teurer. Bei größeren ÖPP-Projekten erleben wir eine Tendenz zu stärkerer Nutzerfinanzierung. Vor allem Schwimmbäder, Brücken, Tunnel, Straßen und teilweise vermietete Verwaltungsgebäude eignen sich besser für ÖPP, weil dort der Nutzer die Investitionen refinanziert und ein Privater einen Anreiz hat, die angebotenen Leistungen zu optimieren und werthaltiger zu machen. Das ist bei haushaltsfinanzierten ÖPP nicht gegeben. Hier erhält der Investor ein festes Leistungsentgelt, das heißt, er kann sich auf der Einnahmenseite nicht verbessern. Folglich versucht er seinen Gewinn durch Ausgabenkürzung zu optimieren, sodass zwangsläufig nur die vertraglich vereinbarten Mindestleistungsstandards erfüllt werden. Bei nutzerfinanzierten ÖPP wie Schwimmbädern ziehen dagegen Kommune und Privater an einem Strang. Die Kommune will für wenig eigenes Geld ein modernes Schwimmbad, mit dem sie die Grundversorgung wie Schwimmunterricht sicherstellt und die Besucher - vielleicht sogar über die Stadtgrenzen hinaus - zufrieden sind. Der Private will ebenfalls zufriedene Kunden, die gerne und oft in das Schwimmbad kommen. Doch die Aufgabe der öffentlichen Hand ist es nicht, der Bevölkerung Talasso-Massagen und Ähnliches anzubieten. Ein Privater sollte das durchaus, denn mit dem Badbetrieb allein ist auch für ihn kaum Geld zu verdienen. Wirklich profitabel sind die ergänzenden Wellness-Bereiche wie Sauna, Solarium sowie Cafés und Restaurants. Damit kann der Private sogar so viel Überschuss erwirtschaften, dass abzüglich seines Gewinns noch genügend übrig bleibt, um der Kommune das Becken für den Schwimmunterricht der Schulen kostengünstiger zur Verfügung zu stellen. ÖPP-Projekte, die eine Win-Win-Situation sicherstellen, werden sich am Markt durchsetzen. Wie ist das mit Projektentwicklungen? Auch öffentlich-private Projektentwicklungen werden zunehmen, denn die öffentliche Hand besitzt viele Grundstücke in sehr guten Lagen, deren Potenziale aber oftmals durch die darauf errichteten Gebäude verschenkt werden. Ältere öffentliche Gebäude kranken an schlechter Bausubstanz, viel zu groß dimensionierten Verkehrsflächen und ungünstig strukturierten Baukörpern. Hier macht oftmals ein Abriss und Neubau durch Private wirtschaftlich mehr Sinn als die Sanierung. So bietet sich zum Beispiel der Bau von Gerichten über ÖPP an, denn während ein Teil des Gebäudes für Verhandlungssäle und Räume für Richter vorgehalten werden kann - also die öffentliche Nutzung -, kann ein anderer Teil an privatwirtschaftliche Unternehmen wie Kanzleien vermietet werden. Ein weiteres Beispiel: Ein Land, das vielleicht alle zehn Jahre eine neue Justizvollzugsanstalt (JVA) baut, hat von Hause aus weniger Expertise für die baulichen Notwendigkeiten und die Betriebskostenoptimierung bei diesen Einrichtungen als ein Unternehmen, das auf den Gefängnisbau spezialisiert ist und häufiger Gefängnisse errichtet. Es gibt Stimmen, die bemängeln, dass bei der europaweiten Ausschreibung von ÖPP-Projekten die regionale und lokale Wirtschaft nicht zum Zuge kommen. Kleinteilige Vorhaben, die keiner Ausschreibung bedürfen, wären deshalb besser. Stimmt dieses Argument? Nein. Wir haben zwar die Erfahrung gemacht, dass überregionale Bauunternehmen und Betreiber in einem ÖPP-Verfahren häufiger den Zuschlag erhalten, die Leistungen vor Ort dann aber sehr oft von kleineren Subunternehmern aus der Region erbringen lassen. Das hat einerseits Kostengründe, denn die Anfahrtswege sind kürzer und Mitarbeiter sind schneller verfügbar. Damit lassen sich andererseits auch Servicelevels besser einhalten, weil zum Beispiel auf Kundenwünsche schneller und direkter reagiert werden kann. Würde die Kommune ein in Eigenregie erstelltes Projekt europaweit ausschreiben, wäre der Anteil lokaler und regionaler Firmen wahrscheinlich nicht so hoch wie bei ÖPP-Strukturen. Welche Hausaufgaben haben die Kommunen zu erledigen, um ÖPP-fähig zu werden? Ein wichtiger Schritt ist die Einführung der Doppik, mit der konsequent der vielfach eingeschlagene Weg von der reinen Objektverwaltung zum Asset Management weitergegangen wird. Oftmals waren die Immobilienkompetenzen über viele Behörden verteilt. Für Schulen gab es das Schulamt, das Bauamt und das Personalamt, die jeweils für bestimmte Bereiche der Schulimmobilien zuständig waren. Die einen verantworteten die Umbauten, die anderen den laufenden Betrieb und die Dritten bezahlten den Hausmeister. Bis vor ein paar Jahren wusste kaum eine Kommune, was ein einzelnes Objekt im Unterhalt und Betrieb kostete. Das hat sich geändert. Die Immobilienverwaltung wird zunehmend durch Asset Management ergänzt. Die strikte Trennung von Vermögenshaushalt und Verwaltungshaushalt in der Kameralistik führte dazu, dass investive Maßnahmen zur nachhaltigen Entlastung des Verwaltungshaushaltes nicht erfolgten, weil der Vermögenshaushalt kurzfristig belastet wurde. Jetzt zwingt die doppelte Buchführung die Kommunen, ihre tatsächlichen Immobilienkosten zu ermitteln. Wenn die Kommunen wissen, wie viel sie mit eigenen Mitteln für ihre jeweiligen Immobilien aufwenden müssen, wird es ihnen auch leichter fallen, bislang öffentlich erbrachte Leistungen an Private zu vergeben, wenn sie dadurch Kosten sparen und vielleicht sogar noch die Qualität steigern können. Ist ÖPP tatsächlich günstiger als die herkömmliche Finanzierung über Kommunalkredite? Betrachtet man ein Projekt nur aus Sicht der Finanzierungsseite, dann ist der Kommunalkredit unschlagbar günstig. Die Finanzierung von ÖPP ist oftmals teurer. Warum eine ÖPP insgesamt trotzdem günstiger sein kann, liegt an der Verbindung von Planen, Bauen und Betrieb. Deshalb bietet sich die Forfaitierung mit Einredeverzicht in den meisten ÖPP-Projekten an, weil die Kommune fast kommunalkreditgünstige Konditionen bekommt. Projektfinanzierungen werden die Ausnahme bleiben, da die Margen im Vergleich zur kommunalen Beschaffungsvariante hoch sind. Sie könnten aber dann vorteilhafter sein, wenn der Betrieb des Objektes aus den Mieteinnahmen gedeckt wird. Wie bereitwillig finanzieren die Banken ÖPP? Bislang sehe ich keine Probleme. Die Banken finanzieren die öffentliche Hand nach wie vor gern, weil es ein sehr sicheres Geschäft ist. Denn bereits bei der Planung ist der Mieter bekannt, es gibt einen Mietvertrag zu festgelegten Konditionen. Mehr Kalkulationssicherheit kann man eigentlich nicht verlangen. Noch sind vor allem die Geschäftsbanken und Staatsfinanzierer in diesem Bereich aktiv, doch sehen wir zunehmend auch österreichische Institute, die den deutschen Markt für sich entdecken. Wie entwickeln sich die Margen? Wir sehen zwar sinkende Basiszinsen, doch wird dieser Rückgang durch einen Anstieg der Liquiditätsmargen der Banken kompensiert, sodass das Zinsniveau für die öffentliche Hand und ÖPP-Projekte nahezu unverändert ist. Werden die Infrastrukturfonds im ÖPP-Markt eine Rolle spielen? Definitiv ja. Die aktuelle Entwicklung des Investmentgesetzes spricht dafür. Die ersten Infrastrukturfonds litten unter der geringen Rendite, die sie im Vergleich zu anderen Anlageformen erwirtschafteten. Heute sind die Nachsteuerrenditen der Fonds bei einem wesentlich geringeren Risiko durchaus mit Konkurrenzprodukten vergleichbar. Aber gibt es genügend Projekte für diese Fonds? Ja, wenn die Kommunen dazu übergehen würden, ihre Finanzierungsanfragen nicht nur an die örtliche Sparkasse zu richten.

Alexander von Erdély , CEO , CBRE GmbH, Düsseldorf
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