Im Blickfeld

Orientalisches Immobilienmärchen

Was seit gut einem Jahrzehnt am Persischen Golf aus dem Wüstensand gewachsen ist, fasziniert die Welt. In Dubai wurden Visionen in Beton gegossen, die andernorts als zu teuer, zu utopisch, zu gewaltig galten. Umso beachtlicher ist es, dass ausgerechnet ein ölarmes Golfemirat verstand, Investoren, Architekten und Banken auf der ganzen Welt für die märchenhaften Projekte zu begeistern. Der Welt höchste Wolkenkratzer wetteiferten unter der Sonne Arabiens um den Ruhm des größten Gebäudes.

Dabei konnten es sich die Entwickler sogar leisten, wesentliche Planungsangaben geheim zu halten. Der weltgrößte Flughafen wurde in den Wüstensand gebaut und entwickelte sich zum globalen Drehkreuz. Die luxuriösesten Hotels finden sich in Dubai und die weltgrößte Universität sollte entstehen, um kulturell und technologisch weiter zu den entwickelten Ländern aufzuschließen. Geradezu mit faustischer Energie wollte der Ölstaat die "Welt" verändern: Ob künstliche Inseln oder Wintersport in der Wüste - nichts schien unmöglich. In den Emiraten wurden Märchen wahr.

Doch fürchteten kritische Beobachter schon seit Langem, dass das Wachstum zu dynamisch ist, als dass es organisch und nachhaltig hätte sein können. In Dubai stehen aktuell rund 40 Prozent der Büroflächen leer, ermittelte die Immobilienberatung Knight Frank. Da sich etliche Projekte noch im Bau befinden, dürfte die Quote weiter steigen. Auch im Wohnungssegment fallen die Mieten - in den letzten zwölf Monaten um etwa 47 Prozent. Und während sich Wohnungen und Häuser bis Ende September 2008 im Jahresvergleich noch um etwa 84 Prozent verteuert hatten, verloren sie seitdem rund 47 Prozent an Wert. Ein Grund für die große Volatilität der Preise ist, dass Dubai bislang kaum ein Kriterium erfüllt, mit dem man in Europa, Nordamerika oder Fernost einen Immobilienmarkt definieren würde. Umso erstaunlicher ist es, dass den überdurchschnittlichen Risiken sinkende Renditen gegenüberstanden. Derweil redeten sich die Investoren, die ihr Geld in Dubais Sand setzten, beharrlich ein, dass der Staat stets zahlungsfähig sei. Sie wurden eines Besseren belehrt. Indem der staatseigene Prestigekonzern Dubai World, unter anderem einer der größten Hafenbetreiber weltweit, und dessen Immobiliengesellschaft Nakheel um die Stundung des Schuldendienstes bitten mussten, zeigte sich, in welchem Ausmaß das Wachstum nicht aus eigener Kraft gestemmt wurde, sondern fremdfinanziert war. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuß. Dass die Höhe der Türme, der Pomp in den Hotels und die Zahl künstlicher Sandhäufchen im Brackwasser direkt mit der Höhe der Renditen und umgekehrt zum Risiko korrelieren, hat sich als Fata Morgana erwiesen.

Doch dass Dubai in die Gravitation der internationalen Finanzmarktkrise geriet, heißt noch nicht, dass sein Immobilienmarkt keine Zukunft hat. Dubai muss konjunkturell ein paar Gänge zurückschalten. In der jetzt notwendigen Phase der Konsolidierung wird sich durchsetzen, was Substanz hat und nachhaltig ist. Wie schnell Fehler korrigiert werden - zum Beispiel die fehlende Transparenz des Finanz- und Immobilienmarktes entscheidet, wann Dubai sein Wirtschaftswachstum wieder fortsetzt. (Red.)

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