Im Blickfeld

Ist der Ruf erst ruiniert

Das Image der Banker ist miserabel. Gier, Selbstüberschätzung und Instinktlosigkeit wird ihnen vorgeworfen, weil die Institute zu viele Geschäfte riskierten, die nur die wenigsten verstanden, weil überforderte Berater leichtgläubigen Anlegern alles versprachen, was diese hören wollten, weil der Steuerzahler und damit der gesamte öffentlich finanzierte Bereich wie Bildung und Kultur für die Rettung der Banken unerträglich bluten muss und weil unbeeindruckt horrender Verluste manche Manager üppige Boni beanspruchen. Ehre und Verantwortungsgefühl für das Gesamte vermutet das Volk schon lange nicht mehr hinter den glänzenden Fassaden aus Stahl und Glas. Dass zudem die staatlichen Rettungseinlagen wiederholt nicht verzinst werden, erregt die Stammtische ebenso wie staatlich finanzierter Kundenkauf die "ungestützten Wettbewerber. Die Kreditwirtschaft braucht derzeit nichts nötiger als eine glaubhafte Vertrauenswerbung. Doch stattdessen wird die Öffentlichkeit mit neuen skandalösen Nachrichten gequält. Und wieder einmal geht es dabei um Immobilien und deren Finanzierung.

Der Fall Licon Wohnbau zeigt, wie schwer es einigen Managern aus der Immobilien- und der Kreditwirtschaft die Unterscheidung zwischen rechtmäßigem und unrechtmäßigem Handeln fällt. Der Leipziger Projektentwickler mag es edel. Er kauft denkmalgeschützte Gebäude und saniert die großzügigen Wohnungen aufwändig und luxuriös. Anschließend werden die stuckverzierten Kleinode über die Licon-Tochtergesellschaft Medicon wohlhabenden Kunden als Kapitalanlage angeboten, die aufgrund der AfA-Sonderabschreibungen damit Steuern sparen können. Da zu den begehrten Zielgruppen auch Ärzte, Zahnärzte und Apotheker gehören, liegt es nahe, die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apobank) als Partner ins Boot zu holen. Gut die Hälfte aller Licon-Immobilien vermittelte das Kreditinstitut und bot auch gern die Finanzierung an. Ein gutes Geschäft für die Bank, die für die Beratung in die Anlage eine marktübliche Provision einstrich und zugleich ihr Hypothekengeschäft fütterte.

Doch bei dieser Kooperation scheint einiges nicht mit rechten Dingen zugegangen zu sein. So wurden die bisherigen Licon-Geschäftsführer Peter Wolf, zuständig für den Projekteinkauf, und Florian Scholze, verantwortlich für den Vertrieb, Ende Oktober verhaftet und per Gerichtsentscheid von ihren Funktionen entbunden. Unterschlagung, Veruntreuung und Steuerhinterziehung wirft die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten vor. Es soll um Scheinfirmen gehen, mit denen der Licon Geld und Immobilien entzogen wurden. Begünstigte sind offensichtlich auch Mitarbeiter der Apobank. Nur wenige Tage nachdem das genossenschaftliche Kreditinstitut eine interne Prüfung veranlasste, mussten die Vorstandsmitglieder Stefan Mühr und Claus Verfürth ihre Posten räumen.

Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt freilich der Grundsatz, dass die Beschuldigten bis zum Beweis des Gegenteils unschuldig sind. Selbst wenn durch die Vorgänge bei Licon weder Kunden und Lieferanten noch die Bankpartner einen Schaden erlitten haben sollen, ist das Image der Apobank schwer angekratzt. Viel schlimmer: Der Skandal wirft ein schlechtes Licht auf das Gebaren in der Kredit- und in der Immobilienwirtschaft, erstens weil er Erinnerungen an ähnlich dubiose Praktiken bei Immobilienfonds und -finanzierern wachruft und zweitens weil er das Versagen des Risikomanagements offenbart. Nach einem Jahrzehnt ist der Corporate-Governance-Kodex in den besonders Vertrauen beanspruchenden Sparten Kreditwirtschaft, Kapitalanlage und Immobilien augenscheinlich noch immer nicht angekommen. Jetzt wird es aber höchste Zeit! L. H.

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