Im Blickfeld

Schadensfall IVG

Warum gelingt bei Solarworld, was bei der IVG scheiterte? Beide Unternehmen haben ein langes Siechtum hinter sich, weil sie zu sehr auf die eigene Stärke und die falsche Strategie vertrauten. In beiden Gesellschaften ging das Management davon aus, dass Boom-Märkte ein Dauerzustand sind und dass Expansion deshalb mit extrem hohen Schulden finanziert werden könne. Das ging lange gut, vielleicht zu gut. Letztlich wurden beide Firmen durch externe Schocks in die Knie gezwungen. Für die einen war es das unerwartet schnelle Auslaufen staatlicher Subventionen, für die anderen der Ausbruch der Finanzmarktkrise. Jetzt ringen die einstigen Kraftprotze ums Überleben.

Doch während für den Hersteller von Solarmodulen die Hoffnung auf Genesung wächst, weil die Aktionäre einen Fast-Totalverlust dem Totalverlust vorziehen, gestaltet sich bei der IVG die Suche nach einem Konsens über die Restrukturierung des Unternehmens und den dazu notwendigen Schuldenschnitt von 1,75 Milliarden Euro schwieriger. Denn die Gläubiger der IVG wollten eigentlich nicht Eigentümer der Gesellschaft werden. Längst haben sich Hedgefonds in die syndizierten Kredite - als Syn Loan I und Syn Loan II bezeichnet - eingekauft und pokern bis Redaktionsschluss darum, für ihre Investoren einen möglichst guten Schnitt zu machen.

Dabei zeichnet sich ab, dass die Sanierung des "Riesentankers" mit vier Milliarden Euro eigenem Immobilienbestand, aber leider fast ebenso hohen Schulden und mit unzähligen kleineren und größeren Baustellen, bessere Ertragsperspektiven bietet als die Verwertung der Kreditsicherheiten in eigener Regie. So hat die IVG einige Schätzchen im Bestand, doch leider auch ein Value-Added-Portfolio mit 678 Millionen Euro in den Büchern stehen. Hinter dem beschönigenden Ausdruck verbergen sich Problemfälle mit Sanierungsstau, hohem Leerstand oder in Kürze auslaufenden Mietver trägen. Diese Objekte könnten von einem Workout-Spezialisten sicherlich besser betreut und intensiver vermarktet werden als von einem Konzern, dessen Stärke im institutionellen Fondsgeschäft liegt.

Hier ist die IVG immer noch Marktführer. Doch das Vertrauen von Versicherungen, Pensionskassen, Versorgungswerken, Stiftungen und Family Offices beruht neben Marktkenntnis und Sachverstand auch auf Verlässlichkeit und Stabilität. Selbst wenn "nur" die Muttergesellschaft IVG Immobilien AG Insolvenz anmelden müsste, so würde doch auch das Fondsgeschäft erheblichen Reputationsschaden erleiden. Das dürfte nicht ohne negative Folgen auch für andere indirekte Immobilienanlagen - Geschlossene Fonds und Spezialfonds - bleiben. Für die Immobilienaktie, die in Deutschland ohnehin einen schwierigen Stand hat - ist das IVG-Desaster schon jetzt ein Rückschlag. L.H.

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