Schwerpunkt: Einzelhandelsimmobilien

Spezialisiertes Asset Management

Differenzierung tut not, und ein detailliertes Know-how in einem Marktsegment garantiert längst noch keine Erfolgsaussichten in einem anderen. Bei der marktgerechten Beurteilung von Wirtschaftlichkeit und Potenzial von Einzelhandelsimmobilien sieht der Autor in diesem Sinne viele Parallelen zu anderen Branchen. Seine Botschaft: Zu vielschichtig sind die Einflussfaktoren auf die Standortbedingungen und zu schnell ändern sich die Rahmenbedingungen, als dass das Management dieser Objekte Generalisten überlassen werden sollte. Angefangen bei den regionalen Kaufkraftfaktoren über die Zusammenhänge von Produktsortiment und Region, dem Einfluss der Altersstruktur der Bevölkerung bis hin zur Lagequalität mit Verkehrsanbindung, Parkmöglichkeiten und dem Umfeld der sonstigen Gewerbe erörtert der Autor eine Fülle von relevanten Einflussfaktoren für kluge Investitionsentscheidungen. (Red.)Es erinnert schon fast an die Lemminge: Investoren setzen derzeit verstärkt auf Einzelhandelsimmobilien. Im Ringen um Aufträge laufen die Asset Manager dem Boom hinterher. Und wie bei den Lemmingen besteht auch bei den Asset Managern die Gefahr, dass sie die Klippe hinunterstürzen - sollte das erforderliche Know-how in der Verwaltung von Handelsimmobilien fehlen. Denn Asset Manager, die vorher beispielsweise im Bürosektor tätig waren und jetzt erstmals zum Einzelhandelssegment umschwenken, können sich nicht schnell genug das erforderliche Wissen aneignen. Der Einzelhandelsmarkt ist zu komplex und zudem ständig im Wandel. Kontinuierliche Markt- und Standortanalyse So kann auf eine kontinuierliche Markt- und Standortanalyse im Einzelhandelssektor nicht verzichtet werden. Damit Asset Manager auf die sich stets ändernden Bedürfnisse von Mietern eingehen und Vermietungs- und Vermarktungskonzepte zur Vermeidung von Leerstand erstellen können, sind sie auf ihre Detailkenntnisse angewiesen. Von guten und schlechten, von chancenreichen und uninteressanten Standorten kann in der Handelswelt nur gesprochen werden, wenn die einzelne Immobilie und das jeweilige Nutzungskonzept in Zusammenhang mit der Lage analysiert werden. Im großflächigen Einzelhandel - also bei Fachmärkten und Shoppingcentern kommen zudem meist nur sehr wenige Standorte innerhalb einer Kommune infrage. Diese gilt es zu identifizieren und intensiv zu prüfen, bevor der Asset Manager seine Ankaufsentscheidung treffen kann. Um sich eine präzise Vorstellung davon machen zu können, was das Handelsobjekt am jeweiligen Standort kosten darf und welche Rendite es erwirtschaften kann, kommt es auf die Bewertung der Standortfaktoren an. Makro- und Mikrofaktoren Es ist entscheidend, die Standortanalyse in verschiedene Ebenen - die Makro- und die Mikroebene - zu unterteilen. Auf diese Weise können Asset Manager schnell erkennen, ob Fehlentwicklungen eher übergeordneter Natur sind oder sich auf die Einzelhandelssituation vor Ort rund um das betrachtete Objekt beziehen. Im ersteren Fall - der Makroebene - müssen die konjunkturelle Situation, die Bevölkerungsstruktur und -entwicklung sowie die ökonomische Struktur des Umfelds analysiert werden. Dazu zählt beispielsweise die einzelhandelsrelevante Kaufkraft, die Marktforschungsunternehmen wie die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ermitteln und in regelmäßigen Abständen aktualisieren. Nach aktuellen Angaben der GfK existieren in Deutschland erhebliche regionale Unterschiede in der Einzelhandelskaufkraft der Menschen. So reicht die Spannbreite der pro Kopf zur Verfügung stehenden Mittel für den Einzelhandel von knapp 6 900 Euro im Hochtaunuskreis nördlich von Frankfurt am Main bis rund 4 200 Euro im Kreis Uecker-Randow im Südosten von Mecklenburg-Vorpommern. Bei der Entwicklung eines Vermietungskonzepts muss das Konsumpotenzial berücksichtigt werden, wobei Einwohner mit einem hohen Einkommen nicht zwangsläufig mehr Geld im Einzelhandel ausgeben als Einwohner mit einer geringen Kaufkraft. Ein überdurchschnittliches Einkommen kann auch für hohe Mieten, den Immobilienerwerb oder für Luxusgüter verwendet werden. Alternde Gesellschaft birgt Revitalisierungspotenzial Weitgehend unabhängig von der Höhe der für den Einzelhandel relevanten Kaufkraft verhält sich die Nachfrage nach Lebensmitteln beziehungsweise nach Gütern des täglichen Bedarfs. Im Falle einer geplanten Neupositionierung oder Umnutzung einer Handelsimmobilie ist es wichtig zu beachten, dass ein Lebensmittelverbrauchermarkt auch in wirtschaftlich weniger stark prosperierenden Regionen dauerhaft Konsumenten anziehen wird, während sich eine exklusive Modeboutique einem vermutlich geringen Nachfragepotenzial gegenübersehen würde. Die Entwicklung der Nachfrage nach Einzelhandelsimmobilien wird auf lange Sicht vor allem durch die Bevölkerungsentwicklung bestimmt, die ebenfalls Teil der Analyse auf Makroebene ist. Nach Prognosen des Statistischen Bundesamtes wird die Bevölkerungszahl in Deutschland bis zum Jahr 2050 abnehmen. Dieser Bevölkerungsrückgang hat isoliert betrachtet einen negativen Effekt auf den Einzelhandel: Denn sollte die sinkende Bevölkerungszahl nicht durch steigende Pro-Kopf-Ausgaben kompensiert werden, würden die Umsätze des Einzelhandels sinken. Allerdings ist die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland nicht nur regional sehr unterschiedlich, sondern auch von einer immer älter werdenden Gesellschaft geprägt. Die Zahl der über 65-Jährigen wird bis zum Jahr 2050 laut Statistischem Bundesamt um 55,8 Prozent zunehmen, während sich der Anteil aller anderen Altersgruppen verringern wird. Aufgrund höherer Spareinlagen mit zunehmendem Alter oder dem Antritt eines Erbes können das verfügbare Einkommen und damit die einzelhandelsrelevante Kaufkraft im Alter durchaus steigen. Zudem wirkt sich die demografische Entwicklung nicht so schnell und nicht so stark auf den Einzelhandel aus wie beispielsweise im Falle von Büroimmobilien: Denn durch den Eintritt ins Rentenalter wird die Zahl der Bürobeschäftigten schneller zurückgehen als die Zahl der Konsumenten. Senioren bleiben weiterhin Einzelhandelskunden. Berechnungen der Deutschen Bank zufolge wird der Flächenbedarf im Bürosegment bereits ab 2020 spürbar abnehmen, während die Einzelhandelsumsätze bis 2040 deutlich ansteigen könnten. Aufgrund der steigenden Zahl an Senioren ergibt sich eine Vielzahl neuer Anforderungen an Handelsimmobilien, die Asset Manager bei Planung und Umsetzung von Revitalisierungsmaßnahmen berücksichtigen müssen. Barrierefreie Eingänge, überschaubare breite Gänge, eine übersichtliche Gestaltung sowie die deutliche Beschilderung der Warenbereiche sind einige Aspekte, die die Akzeptanz von großflächigen Handelsimmobilien bei der Generation 60plus erhöhen kann. Lagequalität entscheidet Neben der Bewertung von sozio-ökonomischen Entwicklungen auf der Makroebene sind es die Standortfaktoren auf Mikroebene, die ein spezialisiertes Asset Management prüfen muss, um Optimierungs- und Wertsteigerungspotenziale identifizieren zu können. Grundsätzlich wird bei der Beurteilung der Lagequalität einer Einzelhandelsimmobilie zwischen 1A-, 1B- und 2er-Lagen unterschieden. Eine 1A-Lage bezeichnet den besten oder die besten Standorte innerhalb der Innenstadt für den Einzelhandel, wobei diese entscheidend durch die Passantenfrequenz, die Einzelhandelsdichte und die Höhe der Umsätze am jeweiligen Standort bestimmt wird. Umsatzhöhe und Einzelhandelsdichte sind dabei abhängig von der Passantenfrequenz. Denn eine hohe Anzahl an Passanten und damit potenziellen Kunden steigert die Umsätze durch Impulskäufe. Solche Spontankäufe finden vor allem dort statt, wo eine gute Sichtbarkeit an einem exponierten innerstädtischen Standort gegeben ist. Hohe Mietpreise in 1A-Lagen spiegeln die kontinuierlich starke Nachfrage nach Objekten in diesen Lagen und das knappe Angebot wider. Bei B- oder 2er-Lagen handelt es sich um Nebenkern- oder Stadtteillagen mit einer geringeren Passantenfrequenz. Die Bewertung der Lagequalität kann jedoch nur in Verbindung mit der Nutzungsart der Handelsimmobilie erfolgen, da es sich beispielsweise bei Fachmärkten und Fachmarktzentren um Betriebsformen handelt, die sich in erster Linie an Kunden orientieren, die mit dem Auto unterwegs sind. Somit hat die Passantenfrequenz hier keine Bedeutung. Bewertungskriterien richten sich nach Betriebsform Abhängig von der Betriebsform rücken demnach unterschiedliche Mikrostandortfaktoren in den Fokus, mit denen sich das Asset Management befassen muss, will es zum Werterhalt und zur Wertsteigerung der Handelsimmobilie einen entscheidenden Beitrag liefern. So ist die Verkehrsanbindung sowohl an den öffentlichen als auch den individuellen Personennahverkehr von herausragender Bedeutung, wenn das Asset Management einzelne Fachmärkte oder Fachmarktzentren betreut. Auch die Anzahl der Parkmöglichkeiten, deren Anordnung sowie das Verhältnis der Parkplatz- zur Einzelhandelsfläche sind zu beachten. Bei Fachmärkten sollten die Parkflächen beispielsweise ebenerdig vor dem Eingang zur Immobilie angeordnet sein. Wichtig ist zudem der Umfang der Parkmöglichkeiten. Als richtiges Verhältnis gilt ein Drittel Einzelhandelsfläche zu zwei Dritteln Parkplatzfläche. Darüber hinaus ist die Umfeldbebauung und damit zusammenhängend eine Wettbewerbsanalyse von Bedeutung. Ein Überangebot eines bestimmten Sortiments mit sich überschneidenden Einzugsgebieten schmälert das Umsatzpotenzial der jeweiligen Handelsimmobilie erheblich. "Gefährliche Klippen" frühzeitig erkennen Letztendlich nimmt das Asset Management - sofern es auf den Einzelhandel spezialisiert ist - die Rolle eines Frühwarnsystems ein, indem es kontinuierlich Markt-, Standort- und Objektanalysen betreibt. So wird die Nachvermietung von Flächen in einem Fachmarktzentrum beispielsweise immer schwieriger oder es müssen deutliche Abschläge hingenommen werden, wenn nicht rechtzeitig erkannt wird, dass sich Flächenanforderungen der Händler geändert haben. Flächen, die einst ausreichend waren, sind mittlerweile zu klein geworden. Benötigte ein Lebensmittel-Discounter vor 20 Jahren noch etwa 400 bis 600 Quadratmeter Fläche, so sind es heute in der Regel 200 Quadratmeter mehr, weil neue Warengruppen- und Ladenbaukonzepte mehr Fläche benötigen. Läden haben heutzutage nicht mehr in erster Linie die Funktion eines klassischen Verkaufsraumes, sondern dienen mehr werblichen Aspekten.

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