Im Blickfeld

Strukturelles Problem

In der Kfz-Versicherung gibt es seit Jahren einen "Schweinezyklus": Rund zehn Jahre tobt der Preiswettbewerb, dann wird das Geschäft allzu defizitär und die Tarife steigen wieder an. Auch in der Wohngebäudeversicherung erwirtschaften die Anbieter bereits seit rund zehn Jahren keine Gewinne mehr. Anders als in der Kfz-Versicherung ist dies aber weniger einem Verfall der Prämien im Wettbewerb als vielmehr einem strukturellen Problem geschuldet.

Ursächlich dafür ist zum einen der überalterte Gebäudebestand in Deutschland, der etwa die Leitungswasserschadensversicherung zunehmend zur Reparaturkostenversicherung werden lässt. Der Klimawandel kommt in einer Zunahme der unwetterbedingten Schäden zum Ausdruck - bei der Allianz beispielsweise im Jahr 2010 um 170 Millionen Euro auf 399 Millionen Euro beziehungsweise von 2,3 auf 4,7 Prozent der verdienten Beiträge. Und die vergangenen beiden harten Winter, in deren Folge zahlreiche zugefrorene Leitungsrohre platzten, taten ein Übriges, die Leistungen der Wohngebäudeversicherer im Jahr 2010 um stolze 18 Prozent steigen zu lassen, wie es der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) e. V., Berlin, hochgerechnet hat.

Allein 400 Millionen Euro kosteten die Wohngebäudeversicherer im ersten Quartal 2010 Leitungswasserschäden. Infolge des Wintersturms "Xynthia" kamen sie für Schäden in Höhe von 350 Millionen Euro auf. Darüber hinaus verursachten die Hochwasserschäden an Neiße und Spree 100 Millionen Euro Schadensleistungen. Insgesamt zahlten die Wohngebäudeversicherer im vergangenen Jahr rund 1,6 Milliarden Euro für Naturereignisse. Und diese Zahlen begründen eine Schaden-Kosten-Quote (Combined Ratio) von 113 Prozent. Die Wohngebäudeversicherer erwirtschafteten somit auch 2010 ein versicherungstechnisches Minus.

Im Januar 2011 hat der GDV neue unverbindliche Musterbedingungen zur Hausrat- und Wohngebäudeversicherung formuliert, wonach die Gebäudeversicherung zukünftig automatisch inklusive eines Versicherungsschutzes vor Naturgefahren angeboten werden soll. Der Kunde muss die Elementarschadenversicherung also nicht mehr - wie bislang - aktiv einfordern, sondern sich umgekehrt bewusst gegen eine Elementarschadenversicherung entscheiden und sie im Zweifelsfall abwählen. Dieser Paradigmenwechsel soll nicht nur in Hochwasserregionen umgesetzt werden, sondern die Bevölkerung in der Breite für einen Schutz gegen die Folgen von Sturm, Überschwemmung oder Starkregen sensibilisieren und ein klares Signal für mehr Eigenvorsorge setzen. Immerhin wären 98,5 Prozent der Haushalte in Deutschland schon heute gegen Naturgefahren versicherbar.

Am strukturellen Problem der Wohngebäudeversicherung ändert der verstärkte Vertrieb von Elementarschaden-Policen sicher nichts. Immerhin lässt sich aber das Potenzial für künftige Unzufriedenheit der Kunden minimieren, die erst nach einem Schadensfall feststellen, dass etwa das vom Sturm abgedeckte Dach nicht versichert ist. Und ein wachsendes Bewusstsein für die zunehmende Notwendigkeit einer Elementarschadensversicherung auch in gemäßigten Klimazonen wie in Deutschland kann letztlich vielleicht auch ein Ansatzpunkt für eine wachsende Zahlungsbereitschaft sein. sb

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