Zinskommentar

Strukturreformen für Krisenlösung unerlässlich

Erwartungsgemäß wurde in der Juli-Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) der Leitzins auf seinem historisch niedrigen Niveau von 0.5 Prozent belassen. Was allerdings unerwartet kam, waren die ungewohnt klaren Worte von EZB-Chef Mario Draghi: "Der EZB-Rat geht davon aus, dass die Schlüsselzinsen in der Eurozone noch für eine längere Zeit auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben", teilte Draghi mit und gab damit erstmals einen Ausblick auf die künftige Geldpolitik. Auf nähere Angaben zu dem Zeitraum ließ er sich nicht festlegen, sondern beantwortete die Frage mit "es sind nicht sechs Monate, es sind nicht zwölf Monate - es ist ein ausgedehnter Zeitraum."

Mit dieser Aussage wollte er die Unsicherheit der Finanzmärkte in der Eurozone reduzieren. Gründe für die gestiegene Unsicherheit waren einerseits die neuerliche Verschärfung der Krise durch die möglicherweise erforderliche Neuwahl in Portugal, die Spekulationen über einen neuen Schuldenschnitt für Griechenland und andererseits die Sorge vor einem baldigen Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes. Diese war durch die Ankündigung der US-Notenbank, ihre extrem expansive Geldpolitik verlassen und ihre Anleihekäufe bis Mitte 2014 einstellen zu wollen, gewachsen. Draghi hob deshalb ausdrücklich hervor, dass ein Ausstieg aus der seit Jahren extrem lockeren Geldpolitik in der Eurozone noch "weit entfernt" sei. Neben weiteren Senkungen des Leitzinses wird auch über die Änderung von weiteren Schlüsselzinssätzen diskutiert. Insbesondere negative Einlagezinsen für Geschäftsbanken als Strafzins für Übernachteinlagen bei der EZB sind im Gespräch, um die Kreditversorgung der Unternehmen und Haushalte zu verbessern und damit Geld für Investitionen in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen.

Die Bonitätsnote Italiens wurde durch die Ratingagentur Standard & Poors herabgestuft. Damit werden die Staatsanleihen der drittgrößten Volkswirtschaft in der Eurozone nur noch mit BBB, noch knapp über Ramschniveau, bewertet. Diese Herabstufung wurde mit der anhaltenden Wirtschaftsschwäche und den Probleme an den Kreditmärkten begründet. Die Hiobsbotschaften aus Portugal hatten vor der letzten EZB-Sitzung die Unsicherheit der Finanzmärkte vergrößert, da aufgrund der aktuellen Regierungskrise Neuwahlen zu befürchten sind, deren Ausgang ungewiss ist. Der Finanzminister trat Anfang Juli zurück. Rezession und Arbeitslosigkeit haben sich verschärft, und die Wirtschaftsleistung schrumpft das dritte Jahr in Folge.

Griechenland spekuliert offen über einen zweiten Schuldenschnitt als Belohnung für zweifelhafte Reformfortschritte. Diesen lehnen deutsche Politiker auch im Hinblick auf die Bundestagswahl am 22. September 2013 ab. Die Troika hat dennoch entschieden, dass Griechenland weitere Finanzhilfen erhält, auch wenn wichtige Reformen stocken. Ende Juni bat die zyprische Regierung die Eurozone erneut um Hilfe für ihre größte Bank, die Bank of Cyprus. Der Präsident beschwerte sich, dass die große Rettungsaktion vom April "ohne sorgfältige Vorbereitung" erfolgte und Zyperns Gesamtwirtschaft deshalb in Gefahr sei. Sollte sich die Warnung des zyprischen Präsidenten als richtig erweisen, droht eine neue Eskalation der Krise.

Nach dem historischen Zinstief Mitte Mai stiegen die Baufinanzierungszinsen als Reaktion auf die Zinsentwicklung in den USA sprunghaft um zirka 0,4 Prozent. "Nach diesem Zinssprung ist allerdings seit Ende Juni wieder eine leichte Anpassung nach unten zu beobachten", so Stephan Gawarecki, Vorstandssprecher der Dr. Klein & Co. AG. In den nächsten Wochen seien weitere Schwankungen zu erwarten, ob es sich bereits um die Trendwende handelt, sei aktuell aber noch nicht abzusehen. Auch wenn die Baufinanzierungszinsen zwischenzeitlich gestiegen sind, befinden sich diese immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau. Gawarecki rät deshalb: "Wer eine Immobilie erwerben beziehungsweise bauen oder auch eine bestehende Finanzierung ablösen möchte, sollte nichts überstürzen, den Markt beobachten, zwischenzeitliche Schwankungen ausnutzen und sich die niedrigen Konditionen rechtzeitig und für eine möglichst lange Zeit sichern." (Dr. Klein & Co. AG)

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