Beratung und Recht

Umsatzsteuerliche Behandlung grundstücksbezogener Leistungen

Immer wieder stehen Rechtsanwälte und andere Dienstleister vor der Frage, ob für ausländische Unternehmer erbrachte Leistungen, die in einem mehr oder weniger engen Zusammenhang mit einem in Deutschland oder einem anderen EU-Mitgliedstaat belegenen Grundstück stehen, in Deutschland der Umsatzsteuer unterliegen und somit in der Rechnung Umsatzsteuer auszuweisen ist. Mit der Umsetzung des sogenannten "Mehrwertsteuerpaketes" (Richtlinien 2008/8/EG und 2008/9/EG) kam es zu wesentlichen Änderungen bei der Bestimmung des Ortes von Dienstleistungen im unternehmerischen Bereich.

Grundsätzlich unterliegt eine sonstige Leistung in dem Land der Umsatzsteuer, in dem der Empfänger sein Unternehmen betreibt (B2B-Bereich). Damit gilt im B2B-Bereich das Bestimmungslandprinzip, sofern nicht eine Ausnahmeregelung zu einer abweichenden Leistungsortbestimmung führt. Dies ist beispielsweise in Art. 47 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) für Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück*) vorgesehen. In Deutschland wurden diese Regelungen des Mehrwertsteuerpaketes im Rahmen des Jahressteuergesetzes (JStG) 2009 mit Wirkung zum 1. Januar 2010 durch § 3a Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) und § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG in nationales Recht umgesetzt.

Dennoch blieb eine Verunsicherung bestehen. Eine einheitliche Auslegung und Umsetzung des Art. 47 MwStSystRL gab es in den Mitgliedstaaten der EU bisher nicht. Allerdings ist die einheitliche Umsetzung eine wesentliche Voraussetzung, um eine mögliche Doppelbesteuerung (oder auch Nichtbesteuerung) zu vermeiden. Die Europäische Kommission hat daher im Jahr 2011 einen Vorschlag für Leitlinien in Bezug auf die Auslegung des Art. 47 MwStSystRL erarbeitet, um eine einheitliche Auslegung und Umsetzung sicherzustellen. Die finale Annahme dieses Vorschlags durch den Mehrwertsteuer-Ausschuss (MwSt-Ausschuss) steht allerdings noch aus. Doch selbst im Falle einer Annahme des Vorschlags sind die Leitlinien für die Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten nicht bindend. Denn die Entscheidungen des Mehrwertsteuer-Ausschusses, der aus Vertretern der Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Kommission besteht, haben nur den Rang einer unverbindlichen Empfehlung.

Art.47 MwStSystRL regelt, dass sonstige Leistungen, die "im Zusammenhang mit einem Grundstück" erbracht werden, der Umsatzsteuer des Landes unterliegen, in dem das Grundstück liegt. Explizit werden in der Richtlinie als Beispiel Leistungen genannt, die durch einen Grundstücksmakler erbracht werden sowie Dienstleistungen zur Vorbereitung und Koordinierung von Bauleistungen. Der Umfang des geforderten "Zusammenhangs" wird jedoch nicht weiter umrissen. Auch geben weder die englische ("connected with") noch die französische ("se rattachant à") Fassung der Norm einen Hinweis auf die geforderte Nähe der Leistung zum Grundstück.

EU-weit findet man bisher allein in der Rechtsprechung des EuGH vom 7. September 2006, C-166/05, einen Hinweis auf die Begrenzung des Ausdrucks "im Zusammenhang". Danach fallen nur solche Leistungen unter den vormaligen Art.9 Abs.2 Buchst.a der Sechsten Richtlinie (entspricht Art. 47 MwStSystRL), wenn ein "ausreichend direkter Zusammenhang" mit einem Grundstück besteht, da "viele Leistungen auf die ein oder andere Weise mit einem Grundstück verbunden sind". Daraus ist zu entnehmen, dass nach Ansicht des EuGH eine nur lockere Verbindung zum Grundstück nicht ausreichen soll.

Die Leitlinien

In dem Vorschlag für die Leitlinien macht die Europäische Kommission zunächst Ausführungen zum Grundstücksbegriff und stellt klar, dass Art. 47 MwStSystRL nur auf Dienstleistungen, nicht aber auf Lieferungen Anwendung findet. Aus deutscher Sicht sind jedoch die Ausführungen zu den Leistungen interessanter, die nach Art. 47 MwStSystRL als am Belegenheitsort des Grundstücks ausgeführt gelten sollen. Darunter fällt auch die Einordnung der Rechtsberatung. Hier greift der Vorschlag für die Leitlinien den Begriff des erwähnten ausreichend direkten ("sufficiently direct") Zusammenhangs auf und sieht diesen als gegeben an, wenn mit der Leistung eine rechtliche oder bauliche Änderung des Grundstücks bezweckt ist. Es folgen Beispiele, die erkennen lassen, dass die Europäische Kommission den Umfang der grundstücksbezogenen Leistungen weiter fassen will, als dies derzeit von der deutschen Finanzverwaltung praktiziert wird.

So sollen nach den Leitlinien zum Beispiel das Erstellen von Plänen für konkrete Projekte, die Bauüberwachung, Bau-, Renovierungs- und Reparaturarbeiten sowie die Bewertung zu Versicherungs- oder Finanzierungszwecken als grundstücksbezogene Leistungen anzusehen sein. Gleiches gilt für die Rechtsberatung im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften. Sofern die Rechtsberatung im Zusammenhang mit der Übereignung oder Rechtsansprüchen in Bezug auf Grundstücke (notarielle Beurkundungen, Erstellung von Kaufverträgen) erfolgt, soll diese Leistung nach Art. 47 MwStSystRL als am Belegenheitsort des Grundstücks ausgeführt gelten. Das soll selbst dann gelten, wenn der jeweilige Vertrag nicht zustande kommt.

Eine Rechtsberatung gilt nur dann nicht als grundstücksbezogene Leistung, wenn sie sich auf Regelungen in Kaufverträgen, die Durchsetzung von Verträgen oder den Nachweis der Existenz der Grundstücksverträge bezieht und es dabei also nicht speziell um die Übertragung des Grundstücks geht. Damit wäre nach den Leitlinien wohl bei einer Rechtsberatung im Rahmen eines Kaufvertrages der Zusammenhang mit einem Grundstück insoweit zu verneinen, als sich die Beratung zum Beispiel auf Gewährleistungsansprüche oder auch Garantien bezieht. Aufgrund der immer komplexer werdenden Strukturen und Kaufverträge lässt sich die Rechtsberatung in der Praxis nicht entsprechend dieser Vorgaben aufteilen, sodass die Leitlinien jedenfalls insoweit nicht zur Klärung von Abgrenzungsfragen beitragen.

Auch Leitlinien, die der MwSt-Ausschuss zu entsprechenden Vorgängervorschriften (Art. 9(2)(a) der Sechsten EG Richtlinie, Art. 45 MwStSystRL 2007) erlassen hat, helfen kaum weiter. Danach sollen Rechtsberatungen jedenfalls dann nicht unter Art.45 (Art.47 der aktuellen Fassung der MwStSystRL) fallen, wenn sie auf verschiedene Aspekte eines Vertrages abzielen, die allgemein jegliche rechtliche Angelegenheiten betreffen können und deshalb nicht speziell für die Übertragung eines Grundstücks bestimmt sind. Für komplexere Sachverhalte soll gelten, dass für die Beratung ein übergeordnetes Gesamtziel zu bestimmen ist. Ist dieses Gesamtziel die rechtliche oder bauliche Änderung des Grundstücks, gilt die Leistung als am Belegenheitsort des Grundstücks erbracht. Die Zuordnung soll jeweils als Einzelfallentscheidung getroffen werden.

Nationales Recht

In Umsetzung der MwStSystRL bestimmt der deutsche Gesetzgeber in §3a Abs.3 Nr.1 UStG, dass sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück dort ausgeführt werden, wo das Grundstück liegt. Es folgen Regelbeispiele, nach denen zu den genannten Leistungen insbesondere die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (§ 3a Abs. 3 Nr.1 a) UStG), Leistungen im Zusammenhang mit der Veräußerung oder dem Erwerb von Grundstücken oder sonstige Leistungen (§ 3a Abs. 3 Nr.1 b) UStG), die der Erschließung von Grundstücken oder der Vorbereitung, Koordinierung oder

Ausführung von Bauleistungen (§ 3a Abs. 3 Nr.1 c) UStG) dienen, gehören. Darüber hinaus lässt der Wortlaut keine Rückschlüsse auf die Ausprägung eines nach dieser Vorschrift erforderlichen Zusammenhangs zum Grundstück zu. Dass auch hier Auslegungsspielräume bestehen, zeigen die unterschiedlichen Ansichten in der Literatur und der Verwaltung: In der Literatur wird in Kommentierungen zum UStG ganz überwiegend eine weite Auslegung dieser Norm angestrebt. So soll zum Beispiel Rechtsberatung hinsichtlich des Verkaufes beziehungsweise Kaufes eines Grundstücks generell als grundstücksbezogene Leistung im Sinne des §3aAbs. 3 UStG anzusehen sein.

Die Finanzverwaltung sieht das anders: In der aktuellen Version des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (Stand: 6. Februar2012) hat das Bundesministerium der Finanzen nochmals klargestellt, dass nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ein enger Zusammenhang mit dem Grundstück zu verlangen ist. Ein solch enger Zusammenhang ist danach gegeben, wenn sich die sonstige Leistung nach den tatsächlichen Umständen überwiegend auf die Bebauung, Verwertung, Nutzung oder Unterhaltung des Grundstücks selbst bezieht. So sind notarielle Beurkundungen von Grundstückskaufverträgen und weiteren Verträgen, die auf eine Veränderung von Rechten an einem Grundstück gerichtet und zwingend notariell zu beurkunden sind, nach §3a Abs.3 Nr.1 S.[2]Buchst.bUStG als grundstücksbezogene Leistungen zu qualifizieren. Für die Rechts- und Steuerberatung in Grundstückssachen verneint die Finanzverwaltung dagegen einen engen Zusammenhang mit dem Grundstück kategorisch.

Die vorgeschlagenen Leitlinien werden nicht zu einer größeren Rechtssicherheit führen. Die Vorgaben sind im Hinblick auf die heutige Beratungspraxis zu ungenau und eine Aufteilung der Beratungsleistung in allgemeine Beratung und auf die Übertragung des Grundstücks gerichtete Beratung ist nicht praktikabel. Eine Aufteilung wäre darüber hinaus auch bezüglich der unterschiedlichen Wertung sehr streitanfällig und würde voraussichtlich auch deshalb innerhalb der Beraterschaft auf wenig Akzeptanz stoßen.

Auch die Vorgaben aus älteren Leitlinien des MwSt-Ausschusses zu komplexeren Sachverhalten lassen keine eindeutige Beurteilung zu. Neben der fehlenden Definition, wann es sich um einen komplexen Sachverhalt handeln soll, fehlt es auch an Anknüpfungspunkten, um festzulegen, woran man den Schwerpunkt festmachen kann. Zwar liegt es nah, den Schwerpunkt eines Kaufvertrages stets in der Übereignung des Grundstücks zu sehen, dagegen spricht jedoch, dass auch die Leitlinien zwischen den einzelnen Regelungen des Vertrages zu differenzieren scheinen. In der Praxis wird die Differenzierung von Klauseln in grundstücksspezifische und allgemein anwendbare Klauseln, also solche, die auch in Verträgen mit einem anderen Vertragsgegenstand vorkommen können, mit Schwierigkeiten und Unsicherheiten verbunden bleiben.

International abweichende Beurteilungen

Ob im Falle der Annahme der vorgeschlagenen Leitlinien durch den MwSt-Ausschuss eine Änderung der Verwaltungsanweisungen folgen wird, bleibt abzuwarten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die deutschen Finanzbehörden zunächst weiterhin auf einen engen Zusammenhang mit dem Grundstück abstellen werden und es so international zu abweichenden Beurteilungen kommen kann.

Fußnote

*) "Artikel 47 [Ort der Dienstleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück] Als Ort einer Dienstleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück, einschließlich der Dienstleistungen von Sachverständigen und Grundstücksmaklern, der Beherbergung in der Hotelbranche oder in Branchen mit ähnlicher Funktion, wie zum Beispiel in Ferienlagern oder auf einem als Campingplatz hergerichteten Gelände, der Einräumung von Rechten zur Nutzung von Grundstücken sowie von Dienstleistungen zur Vorbereitung und Koordinierung von Bauleistungen, wie zum Beispiel die Leistungen von Architekten und Bauaufsichtsunternehmen, gilt der Ort, an dem das Grundstück gelegen ist."

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