Pfandbrief und Pfandbriefbanken

Vom Universalisten zum Spezialisten

Mitte 2005 gab das neu geschaffene Pfandbriefgesetz den ehemaligen Hypothekenbanken neue Möglichkeiten, ihr Geschäft über das bisher vom Gesetz eng begrenzte Tätigkeitsfeld hinaus auszudehnen. Unabhängig davon sah sich kurz darauf die damalige Allgemeine Hypothekenbank Rheinboden (AHBR) gezwungen, ihre strategische Aufstellung komplett zu überarbeiten. Das neue Geschäftsmodell unterscheidet sich grundlegend vom bisherigen Ansatz - durch die konsequente Fokussierung. Statt des Eintritts in neue Märkte wurden ehemalige Geschäftsfelder in kurzer Zeit aufgegeben und der Fokus der neuen Corealcredit Bank AG auf ein einziges Kerngebiet gelegt: die gewerbliche Immobilienfinanzierung in Deutschland. Was machte den früheren Universalisten zu einem Spezialisten? Wie setzte die Bank ihre Transformation um? Und hat die Fokussierung auf nur ein Geschäftsfeld ihr Ziel erreicht?

Die AHBR war 2001 das Ergebnis der Verschmelzung der Allgemeinen Hypothekenbank AG und der Rheinboden Hypothekenbank AG. Die Stimmenmehrheit lag beim Großaktionär BGAG, die unternehmerische Führung bei der BHW-Gruppe. Die AHBR positionierte sich bis 2005 als klassische Hypothekenbank und war dabei sowohl in der Staatsfinanzierung als auch in der Immobilienfinanzierung aktiv; hierzu zählte die private Baufinanzierung genauso wie die gewerbliche Finanzierung.

In dieser Zeit geriet die AHBR in eine dramatische Schieflage. Ursachen waren die seinerzeitige Immobilienkrise in Deutschland, Belastungen aus dem Derivatebestand sowie erhöhte Refinanzierungskosten. Um gegenzusteuern, baute die Bank unter anderem das scheinbar margenstarke Auslandsgeschäft aus. Auch mit Unterstützung der Hauptaktionäre bekam die Bank ihre fundamentalen Probleme jedoch nicht in den Griff. Die Hauptaktionäre entschlossen sich daher zum Ausstieg und leiteten 2005 den Verkaufsprozess für die AHBR ein. Nach dem Herauslösen der Bank aus dem BHW-Konzern spitzte sich die Liquiditätslage zu, sodass Ende 2005 die Insolvenz und in deren Folge die vollständige Zerschlagung der Bank drohten.

Neuaufstellung in drei Phasen

Ein erster Härtetest des noch jungen Pfandbriefgesetzes konnte noch einmal abgewendet werden, als im Dezember 2005 LSF5 German Investment, L. P., ein vom Finanzinvestor Lone Star aufgelegter Beteiligungsfonds, die Mehrheit der AHBR-Aktien übernahm. Mit der Übernahme begannen Management und Hauptaktionär die Bank zu transformieren und ihr so eine Perspektive zu geben; dies erfolgte in drei Schritten.

Es galt zuerst die Bank zu stabilisieren, auf dieser Basis wurden dann Handlungsspielräume geschaffen und schließlich wurde ein nachhaltig ertragreiches Geschäftsmodell entwickelt.

- Phase 1: Stabilität. Die kurz- und mittelfristige Liquidität der Bank wurde bereits im Januar 2006 gesichert. Hierzu wurden fast alle Hypothekendarlehen außerhalb des Deckungsstocks inklusive der zugehörigen Grundpfandrechte an eine neu gegründete Banktochter verkauft. Genutzt wurde dazu - ein Novum in der Bankengeschichte - das 2005 gesetzlich neu eingeführte Refinanzierungsregister.1) Diese Tochter finanzierte den Kaufpreis mittels Sacheinlage, mit einem nachrangigen Schuldscheindarlehen der AHBR sowie - überwiegend mit einer Refinanzierungsfazilität internationaler Großbanken.

Mit dem Kaufpreis für die Darlehen konnte die AHBR die vor dem Verkauf eingerichtete Kreditlinie unter Federführung des Einlagensicherungsfonds ablösen. Die neue Refinanzierungsfazilität lief anfänglich über zwölf Monate und wurde aus Vorsichtsgründen einmalig verlängert, dann aber mittels Darlehensfälligkeiten und Rückkauf vorzeitig getilgt. Ebenso zügig wurde mit dem Abbau der Altlasten ein klarer Schlussstrich gezogen. Noch im Dezember 2005 wurden sofort liquidierbare Problempositionen aufgelöst, vor allem im Swapbuch; die Realisierung der Verluste aus den restlichen Problem-Assets folgte 2006. Dies führte zu deutlichen bilanziellen Verlusten, die auch die Genussscheininhaber und die stillen Gesellschafter mittragen mussten. Das durch die realisierten Verluste reduzierte Kapital wurde sofort wieder gestärkt, indem der Hauptaktionär 2006 der Kapitalrücklage 873 Millionen Euro zuführte. Zusätzlich brachte der Haupteigner ein Nachrangdarlehen von 211 Millionen Euro ein. Für die Bank waren somit bei Liquidität und Kapital klare und stabile Verhältnisse geschaffen worden.

- Phase 2: Handlungsspielraum. Nachdem die Bank stabilisiert wurde galt, es Handlungsspielräume für ein neues, fokussiertes Geschäftsmodell zu schaffen. Dies geschah durch den Abbau von großen Teilen des bisherigen Bankportfolios. Zum einen galt es, das Bankbuch der reduzierten Kapitalbasis anzupassen, wodurch eine komfortable Eigenkapitalquote erreicht wurde. Zum anderen musste über die Rückführung der Refinanzierungsfazilität hinaus genügend Liquidität generiert werden, damit ein Neustart des Kreditgeschäfts - zumindest eine gewisse Zeit lang - auch ohne neue ungedeckte Refinanzierung möglich war. Zudem zeigte sich schnell, dass die Bank letztlich nur mit der gewerblichen Immobilienfinanzierung in Deutschland eine Zukunft haben konnte. Nur dort besaß sie umfassende Erfahrung im Direktgeschäft und umfangreiche Kundenkontakte; nur dort war sie nicht reiner Produktgeber, der sich ausschließlich über den Preis im Wettbewerb hätte halten müssen, was angesichts der zumindest erst einmal überdurchschnittlichen Refinanzierungskosten nicht realistisch war.

Im Ergebnis wurden daher Privatkunden- und Auslandsgeschäft vollständig und die Staatsfinanzierung so weit wie möglich abgebaut. Die Bank hatte das Neugeschäft in diesen Geschäftsfeldern bereits Ende 2005 eingestellt. Das Auslandsgeschäft in Höhe von 3,5 Milliarden Euro veräußerte sie Mitte 2006 in zwei Transaktionen (USA, Europa). Das ursprünglich zehn Milliarden Euro umfassende Retailgeschäft verkaufte die Bank von 2006 bis Mitte 2008 in mehr als zehn Einzeltransaktionen.2) Damit einher ging der Rückkauf von Hypothekenpfandbriefen. Mehrere Rücknahmeaktionen gab es auch für die Öffentlichen Pfandbriefe. Im Einklang mit diesen Rückflüssen sowie den regulären Pfandbrieffälligkeiten wurde entsprechend das Staatsfinanzierungsportfolio abgebaut. Da nicht alle Investoren ihre Öffentlichen Pfandbriefe zurückgaben, blieb ein Restbestand an Staatsfinanzierung bestehen, der "wartungsarm" auf die Pfandbrieffälligkeiten ausgerichtet ist.

Insgesamt wurde so die Bilanzsumme von etwa 80 Milliarden Euro für das alte AHBR-Geschäftsmodell auf knapp 22 Milliarden Euro bis Ende 2007 und rund elf Milliarden Euro bis Ende 2009 reduziert. Die Kernkapitalquote stieg im Gegenzug von 5,2 Prozent per Ende 2005 auf - insbesondere im Quervergleich zu anderen Immobilienfinanzierern - komfortable 13,5 Prozent per Ende 2009.

- Phase 3: Perspektive. Auf der so geschaffenen stabilen Basis konnte die Bank ein neues Geschäftsmodell für die gewerbliche Immobilienfinanzierung in Deutschland entwickeln. Für Konzeption und organisatorische Ausgestaltung nahm sie sich ein halbes Jahr Zeit, um zu einem stimmigen Gesamtkonzept zu gelangen.3)

Vier Grundsätze Das neue Geschäftsmodell folgt vier Grundsätzen:

- Profitabilität: Die Bank konzentriert sich auf Marktsegmente und Geschäfte, die Ertragspotenzial auch unter den spezifischen Rahmenbedingungen generieren, weil der Kunde bereit ist, für gute Qualität auch zu bezahlen.

- Fachwissen: Die Mitarbeiter schaffen durch ihre Kompetenz den Kundennutzen; das Deal Team deckt dabei die vollständige Wertschöpfungskette ab.

- Kundenzugang: Auf dem Weg der direkten Kundenansprache bringen die Mitarbeiter ihr Fachwissen ein und bieten auch kreditnahe Zusatzdienstleistungen an.

- Konsistenz: Der Neuanfang wird in allen Aspekten gelebt: nach innen personell und organisatorisch, nach außen auch mit einem neuen Firmennamen sowie in einem zur Bank passenden neuen und bescheidenen Hauptsitz.

Die Einführung des neuen Namens erfolgte in zwei Schritten: Zuerst lief der Vertriebsauftritt unter neuer Marke, und kurz danach wurde auch das Unternehmen entsprechend umbenannt. Der Name Corealcredit enthält die Kernelemente des Geschäftsmodells der Bank, nämlich Commercial, Real Estate und Realkredit.

Deutsch ausgesprochen, aber in Teilen dem Englischen entliehen, dokumentiert der Name zugleich die Offenheit für nationale und internationale Kunden.

Auch das Logo stellt einen Bezug zum Geschäftskonzept her: Der Bogen symbolisiert die Breite des Angebots der Bank, das aufstrebende Bildelement in der Form eines Hochhauses verleiht dem Logo eine aufstrebende Dynamik. Es korrespondiert so mit dem Angebot von passgenauen Finanzierungslösungen aus einer Hand und "in time" für professionelle Immobilieninvestoren.

Vom Neustart zur Marktetablierung Mit ihrem neuen Geschäftsmodell ging die Bank anlässlich der Expo Real im Oktober 2006 an den Markt und begann mit dem Vertrieb. Im Jahr darauf schaffte sie den wirtschaftlichen Turn-around mit einem nach zwei Verlustjahren erstmals wieder positiven Jahresergebnis. Auch 2008 und 2009 erzielte sie trotz Finanz- und Wirtschaftskrise einen Jahresüberschuss und akquirierte aktiv Neugeschäft. Im November 2009 platzierte die Bank einen Hypothekenpfandbrief über 500 Millionen Euro öffentlich am Kapitalmarkt. Sie kehrte damit nach mehr als vier Jahren erfolgreich an ein wichtiges Kapitalmarktsegment zurück - wobei die Geschäftsmodelle von heute und die der alten AHBR, abgesehen von der Pfandbrieflizenz, nur sehr wenig miteinander gemeinsam haben.

Die Corealcredit hat mit der neuen, schlanken Aufstellung die Finanzkrise bisher ohne größere Probleme überstanden und sieht sich auch für weitere Marktturbulenzen solide aufgestellt. Das heute zum Nachweis der Existenzberechtigung oft eingeforderte Geschäftsmodell kann die Bank nicht nur vorweisen, sondern an der eigenen Entwicklung zeigen, dass ein funktionierendes Geschäftsmodell tatsächlich in stürmischen Zeiten tragfähig ist. Bereut hat die Bank den Verzicht auf "Diversifikation" in Geschäftsfeldern, in denen sie nicht direkt am Kunden und am Markt ist, nicht.

Für die Bank war es im Rückblick vorteilhaft, noch vor der Finanzkrise in einem optimistischen Marktumfeld zu einer Fokussierung gezwungen worden zu sein. Ein Ausstieg aus der Staatsfinanzierung beziehungsweise aus der Immobilienfinanzierung in heute kritischen Ländern wird für jene, die nun erst die Frage nach einem Geschäftsmodell zu beantworten haben, de facto nur schwer möglich sein. Trotzdem - oder gerade deshalb - ist zu erwarten, dass in nächster Zeit einige Pfandbriefbanken mit neuen Geschäftsmodellen und anderen Konstellationen auftreten werden. Realistisch scheint für die meisten ehemaligen Hypothekenbanken dabei die Spezialisierung zu sein. Bei diesen ist eher noch eine stärkere Fokussierung als nach dem ehemaligen Hypothekenbankengesetz zu erwarten.

Universell aufgestellte Pfandbriefbanken werden dagegen eher unter den Banken zu finden sein, die nach 2005 zum Kreis der traditionellen Hypothekenbanken dazugestoßen sind. Das verstärkt den Anpassungsdruck auf die klassischen langfristigen Finanzierer. In jedem Fall ist es nicht schwer, für die nächsten fünf Jahre unter dem neuen Pfandbriefgesetz eine weiterhin große Marktdynamik und weitere Konsolidierungstendenzen vorherzusagen. Die Corealcredit wird hierbei eine aktive Rolle übernehmen.

Fußnoten

1) Marcus Flügel: "Refinanzierungsregister: Ein Instrument mit Potenzial", Immobilien & Finanzierung 15/2009, S. 496 - 498.

2) Arndt Stricker und Leo Cremer: "Erfolgsfaktoren beim Verkauf von Kreditportfolios", Immobilien & Finanzierung 14/2008, S. 488 - 490.

3) Claus Nolting: "Vertriebsaufstellung bei einer Im-mobilien-Spezialbank", Immobilien & Finanzierung 03/2008, S. 98 - 99.

Prof. Dr. Leo Cremer , Professur für Mathematische Methoden in der Bau- und Immobilienwirtschaft, Hochschule RheinMain, Wiesbaden
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