Private Baufinanzierung

Verantwortliche Vergabe und Aufnahme von Hypothekarkrediten nach Vorschlägen der EU

Vor dem Hintergrund der Finanzkrise ist die Europäische Kommission seit geraumer Zeit bestrebt, einen einheitlichen Binnenmarkt für Hypothekarkredite zu schaffen. Der am 31. März 2011 vorgelegte EU-Richtlinienvorschlag1) für die Vergabe von Hypothekenkrediten weist nun die Richtung für die Umsetzung der kommenden Harmonisierung auf. Das ausstehende Volumen an Hypothekarkrediten für Wohnimmobilien belief sich in den 27 EU-Staaten im Jahr 2008 auf nahezu sechs Billionen Euro. Dies entspricht in etwa der Hälfte des gesamten BIP der Europäischen Union.2) Aufgrund dieser Bedeutung und einer immer noch bestehenden heterogenen Marktsituation sieht der neu vorgelegte Entwurf ein Bündel an Maßnahmen vor, um seine politischen Zielsetzungen umzusetzen. Im Ergebnis ist nun ein verantwortungsvoller, effizienter, gesunder und wettbewerbsorientierter europaweiter Markt zu schaffen, der seinen Beitrag zur nachhaltigen Sicherung der Finanzstabilität zu leisten fähig ist.3) Dies setzt gleichermaßen ein hohes Maß an Verbraucherschutz im Detail voraus, das insbesondere durch die Stärkung des Verbrauchervertrauens, der Kundenmobilität, der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit von Kreditgebern und Kreditnehmern und einheitlicher Wettbewerbsbedingungen zu erreichen ist.4) Insgesamt werden hohe Standards für umfassende einheitliche Informationen über die Kreditprodukte, insbesondere über Kosten und Risiken für Kreditnehmer gleichermaßen wie die Verpflichtung einer gründlichen, präventiven Bonitätsprüfung seitens der Kreditgeber, abverlangt mit Zielsetzung eines besseren Schutzes für europäische Verbraucher.5) Verantwortungsvolle Kreditvergabe Der Prozessablauf sorgfältiger Kreditberatung mit gerechtfertigter Kreditvergabe soll künftig eine Überhitzung von Immobilienmärkten abwenden. Gerade die warnenden Beispiele wie Irland und Spanien, auf deren Märkten übertriebene Erwartungen an Wertsteigerungen - begünstigt durch eine ungehemmte Kreditfinanzierung in einer auslaufenden Niedrigzinsphase - zu einer Blasenbildung führten, sollen der Vergangenheit angehören. Vor diesem Hintergrund sieht sich das Marktumfeld zudem massiver Kritik ausgesetzt. Insbesondere verbrauchernahe Institutionen weisen immer wieder auf Mängel in der Beratungsqualität hin. So stellte jüngst die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in einer Analyse6) fest, dass von rund 400 überprüften Baufinanzierungsvorschlägen in mehr als 70 Prozent der Immobilienfinanzierungen gravierende Beratungsfehler vorlagen. Ohne diese Aussage auf ihre Plausibilität zu überprüfen, zeigt sie offensichtlich Defizite auf, die durch die Finanzkrise verstärkt wurden. Hierauf beruht im Wesentlichen die Forderung nach höherer Verantwortlichkeit und Transparenz bei der Kreditvergabe. Die neu angefachte, teils recht kontrovers geführte Verbraucherdiskussion vollzieht sich sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Während von Verbraucherseite die Qualität der Beratung im Vordergrund steht und stärkere Regulierung und Qualitätssicherung eingefordert wird, erweitert die Europäischen Kommission ihre Zielsetzung mit der Schaffung eines einheitlich regulierten und für alle Beteiligten frei zugänglichen und transparenten Binnenmarktes. Zur Erreichung dieser Zielvorgabe erfolgte bereits im vergangenen Jahr mit der nationalen Umsetzung der EU-Verbraucherkreditrichtlinie (VKR)7) zum 11. Juni 2010 ein für die Märkte einschneidender Schritt. Durch die neuen gesetzlich in Kraft getretenen Regelungen wurden zunächst einheitliche Rahmenbedingungen primär im Konsumentenkreditbereich geschaffen, aber auch bereits weite Teile im Bereich der langfristigen Baufinanzierung neu geregelt. So wendet eine Reihe von Mitgliedstaaten bereits ausgewählte Bestimmungen der VKR an. Die vorläufig gewonnenen Erfahrungen bei der Umsetzung nach einem Mehr an Transparenz und Gleichheit sind jedoch kritisch zu bewerten. Dies gilt insbesondere für den Teilbereich zur Neuregulierung des Ausweises des Effektivzinssatzes8) im langfristigen Kreditsektor. Die Umsetzung der VKR zielt insgesamt auf eine Verbesserung des Verbraucherschutzes im Konsumentenkreditbereich und eine europäische Integration des Verbraucherkreditmarktes ab. Nun wird ein ähnlicher Rahmen für den langfristigen Bereich der Baufinanzierung geschaffen, wobei die HKL weitgehend auf den Wohlverhaltensregeln der VKR aufbaut. Demzufolge finden sich trotz der handwerklichen Defizite der VKR entsprechend zahlreiche Elemente aus ihr in der vorgelegten Richtlinie der EU-Kommission für Hypothekarkredite (HKR) wieder. Wie bereits erwähnt steht zunächst der Schutz der Kreditnehmer im Brennpunkt, indem die EU-Kommission den nationalen Regierungen nach Vorbild der VKR die Umsetzung einheitlicher strikter Vorschriften auf den Gebieten Produktwerbung, vorvertragliche und vertragliche Informationen, Beratung und Kreditwürdigkeitsprüfung mit vorzeitiger Rückzahlung zur nationalen Umsetzung empfiehlt. Eine Ausweitung erfolgt durch den Kommissionsvorschlag insofern, als spezifischen Besonderheiten von Hypothekarkrediten Rechnung getragen wird. Entsprechend wird nun eine weitreichende Informations- und Beratungspflicht vorgeschrieben, die unter anderem folgende Eckpunkte umfasst: - Pflicht zur Ablehnung einer Kreditausreichung bei nicht ausreichender Bonität mit Begründung der Ablehnung (Prüfung der Kreditfähigkeit und Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers), - Verpflichtung des Kreditgebers, die Geeignetheit und Zweckmäßigkeit des Finanzierungsproduktes für den nachfragenden Verbraucher zu prüfen, - Gewährleistung einer 10-tägigen Überlegungs-/Entscheidungsphase für den Verbraucher nach Übergabe der vorvertraglichen Informationen beziehungsweise des Vertragsangebots. Der Kommissionsvorschlag legt bewusst großen Wert auf das Informationsgespräch, das allgemeine Informationen über die verschiedenen Kreditprodukte des Anbieters in Verbindung mit personalisierten Informationen beinhalten muss. Um eine einheitliche Regelung zu erreichen wird dabei die verbindliche Umsetzung des "Europäischen Standardisierten Merkblattes" (ESIS)9) vorausgesetzt. Auf Basis dieser umfassenden Informationen soll der Kunde offensichtlich in die Lage versetzt werden, selbst beurteilen zu können, ob eine Kreditaufnahme sinnvoll und zu seiner langfristig ausgelegten finanziellen Planung passend ist. Dies unterstreicht auch die neue Verpflichtung zu einer Geeignetheitsprüfung durch das Kreditinstitut, die eine Prüfung der Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit der Kreditaufnahme beinhaltet, mit letzter Konsequenz einer Warnung und Dokumentation für die Fälle, in denen der Kunde darauf besteht, ein für ihn ungeeignetes Kreditprodukt trotzdem aufzunehmen. Weiterhin besteht eine enge Anlehnung an die in der VKR definierte Berechnungsmethode der Annual Percentage Rate of Charge (APRC), indem sämtliche im Zusammenhang mit der Kreditaufnahme stehenden Kosten zu erfassen sind. Abzuwarten bleibt, inwieweit die anstehende nationale Umsetzung die neue gültige Effektivzinsregelung der VKR eventuell modifizieren wird. Gleichfalls neu sind die Bestimmungen zur Zulassung, Registrierung und Beaufsichtigung von Kreditvermittlern. Bewusst wird eine Unterscheidung zwischen unabhängigen Kreditvermittlern (Maklern) und gebundenen Vermittlern vorgenommen. Hier erfolgt nun eine Gleichbehandlung, indem gleiche Anforderungen an die freien Kreditvermittler im Vertriebsbereich wie an Finanzinstitute gestellt werden. Künftig besteht folglich eine Registrierungspflicht auch für freie Kreditvermittler bei einer allgemein akzeptierten Institution inklusive deren Autorisierung, die zudem die Einhaltung von Mindestanforderungen der Mitarbeiterqualifizierung zu prüfen hat. Vorfälligkeitsentschädigung Bei der lange befürchteten Neuregelung einer vorzeitigen Ablösung von Immobilienkrediten10), die die Kommission bis zuletzt vorsah, zeichnet sich dagegen Entspannung ab. Nicht zuletzt aufgrund deutscher Interventionen sind nun doch nationale Regelungen für eine Entschädigung zulässig. Abzuwarten bleibt, ob ähnlich wie in anderen EU-Staaten, etwa Belgien und Frankreich, eine Deckelung des Vorfälligkeitsschadens zum Beispiel auf drei Prozent der Restschuld beziehungsweise auf eine feste Anzahl von Monatsraten (drei bis sechs) nun auch deutsches Recht werden könnte. Dies wird von den weiteren Beratungen über die Richtlinie durch das EU-Parlament und den Ministerrat abhängen. Anschließend werden die nationalen Gremien für die Umsetzung verantwortlich zeichnen. Auf diesem vorgezeichneten Weg mit einem Zeithorizont von zwölf bis 24 Monaten gilt es, den Entscheidungsgremien sachliches Kompetenzwissen zur Verfügung zu stellen - vor allem vor dem Hintergrund, dass sich nicht der Effekt einer Verunsicherung und Intransparenz wie jüngst bei der Umstellung der VKR erneut bei der Hypothekarkreditrichtlinie einstellt. Insgesamt beinhalten die neuen Vorschläge aus Brüssel ein Mehr an regulatorischen Verordnungen, verbunden mit nicht unerheblichen administrativen organisatorischen Belastungen für die Anbieter. Bestandteile, die in der Anlagepraxis und bei Konsumentenkrediten bereits Pflicht sind, werden nun auch auf die Baufinanzierung übertragen. Das Bündel der EU-Maßnahmen zielt daraufhin ab, den Verbraucher gleichfalls in die Lage zu versetzen, durch die Bereitstellung individuell zugeschnittener Kundeninformationen seine Entscheidung auf Basis einer fachkompetenten Beratung, die hohe Vergleichbarkeit und Transparenz gewährleistet, treffen zu können. Dies bedeutet für die Baufinanzierungsbranche, die Ansätze der Kreditfabrik neu zu überdenken und noch stärker in die Qualifizierung der Kundenberater zu investieren. Fußnoten 1) Europäische Kommission (2011): Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und Rates über Wohnimmobilienkreditverträge (EU-HKL,2011) Brüssel Kom (2011)142 endgültig vom 31. März 2011; dito Europäische Kommission. (2011a): Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen: Zusammenfassung der Folgeabschätzung SEK (2011) 355 endgültig vom 31. März 2011. 2) Hypostat 2008: A review of Europe´s Mortgage and Housing Markets, European Mortgage Federation, Nov. 2009, S.7, S. 70 f. 3) Vergleiche Europäische Kommission (2011b): Hypotheken: Besserer Schutz für europäische Verbraucher, Presse Release IP/11/383, S. 1. 4) Vergleiche Europäische Kommission (2011a), S. 5f. 5) Grundlage stellt das Arbeitspapier der Europäischen Kommission "zur verantwortungsvollen Kreditvergabe im Hypothekarkreditbereich" vom 22. Juli 2010 dar, dessen Inhalte auf die Europäische Vereinbarung über einen freiwilligen Verhaltenskodex über vorvertragliche Informationen für wohnungswirtschaftliche Kredite vom 5. März 2001 zurückgreift, dessen Durchführung jedoch inkonsequent und weit hinter den gesteckten Erwartungen blieb. Vergleiche Europäische Kommission (2011), S. 8. Vergleiche hierzu auch die Reaktion der Verbände zum Beispiel Europäische Bausparkassenvereinigung: Position der Europäischen Bausparkassenvereinigung zum Arbeitspapier der EU-Kommission "Verantwortungsvolle Kreditvergabe und -aufnahme, Brüssel 24. September 2010. 6) Vergleiche Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: Verbraucherzentrale belegt: Kredite werden am Bedarf vorbei verkauft. Pressemitteilung vom 30. März 2011. 7) Die Richtlinie 2008/48/EG vom 23. April 2008 wurde per Umsetzungsgesetz am 11. Juni 2010 gültig. 8) stellvertretend: Bundesverband der Immobilienfinanzierer e. V. (bvdif): Umsetzung EU-Verbraucherkreditrichtlinie (VKR). Stellungnahme Fachausschuss Qualitätssicherung des bvdif e. V. vom 6. August 2010; o. V.: Die Lizenz zum Täuschen. In: Finanztest 10/2010, S. 48 f.; Verbraucherzentrale Bremen: Effektivzins niedriger als Nominalzins? Panne bei der Umsetzung der Kreditrichtlinie. Pressemitteilung vom 16. August 2010. 9) Vergleiche Europäische Kommission (2011), Anhang II Europäisches standardisiertes Merkblatt (ESIS), S. 52-55. 10) Vergleiche hierzu stellvertretend: ZKA: Deutsche Immobilienfinanzierung nicht gefährden - Kreditwirtschaft kritisiert europäische Regelung zur vorzeitigen Rückzahlung von Hypothekarkrediten. Pressemitteilung 31. März 2011.

Klaus Fleischer , Prof. (em.) Finanz- und Bankwirtschaft, Hochschule München, München
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