Schwerpunkt Genossenschaften in der Immobilienwirtschaft

Wie viel Staat braucht der Wohnungsmarkt?

In einigen Regionen Deutschlands wird der Mietwohnungs- und Immobilienmarkt stürmischer. In den Ballungsräumen wird günstiger Wohnraum zur Mangelware. Steigende Energiepreise und Steuern sorgen für stetig zunehmende Wohnkosten. Kein Wunder also, dass "Bezahlbares Wohnen" insbesondere im Bundestagswahljahr 2013 zu den stark diskutierten Themen in Politik, Medien und Gesellschaft gehört. Während die Energie- und Baukosten rasant steigen, bieten die rund 3 000 im GdW organisierten Wohnungs- und Immobilienunternehmen - darunter rund 2 000 Wohnungsgenossenschaften - weiterhin bezahlbares Wohnen. Damit sorgen sie für soziale Gerechtigkeit. Denn erklärtes Ziel der Wohnungswirtschaft ist und bleibt es, bezahlbare, ressourcenschonende und qualitätsvolle Wohnungen für breite Schichten der Bevölkerung bereitzustellen. Insbesondere die als stabil und sozial gerecht bekannte Unternehmensform der Genossenschaften hat sich dem Ziel verschrieben, langfristig für attraktiven und bezahlbaren Wohnraum für ihre Mitglieder zu sorgen.

Die Frage, die sich angesichts stetig steigender Anforderungen an die Branche und ihre Wohnungsbestände jedoch stellt, lautet: An welchen Stellschrauben muss gedreht werden, damit Wohnen für alle Menschen auch in Zukunft bezahlbar bleibt? Erst kürzlich hat die Bundesregierung die Energieeinspar-Vorgaben an neu gebaute Wohnungen mit der Novellierung der Energieeinspar-Verordnung erneut nach oben geschraubt. Das ist Gift für den gerade in Ballungsregionen dringend benötigten Neubau von Mietwohnungen.

Durch die stetig steigenden Anforderungen an die Energieeffizienz, aber auch durch die Preise für den Baugrund und die Baukosten ist der Neubau von Wohnungen so teuer geworden, dass er sich in vielen Fällen - auch heute schon - nur noch im oberen Mietpreissegment rechnet. Menschen mit geringem Einkommen werden in einigen Märkten Schwierigkeiten haben, neue und gleichzeitig bezahlbare Wohnungen zu finden. Die insgesamt von der Wohnungswirtschaft geforderten Investitionen in Energieeffizienz stoßen also nicht nur an ökonomische, sondern insbesondere an soziale Grenzen.

Wir brauchen dringend mehr bezahlbaren Wohnraum, der speziell in Ballungsräumen gerade die niedrigen und mittleren Einkommen bedient. In den letzten Jahren ist es aufgrund einer nicht ausreichenden Neubautätigkeit in diesen Ballungsräumen zu einer Verknappung des Angebots gekommen. Damit geht einher, dass besser verdienende Einkommensschichten auch Wohnraum nachfragen, der bislang eher den mittleren und niedrigen Einkommensschichten zur Verfügung stand. So kommt es zu einem Verdrängungswettbewerb.

Parallel führen steigende Warmmieten - insbesondere aufgrund deutlich steigender Energie- und Baukosten - zu höheren Wohnkostenbelastungen. Grund für diese steigenden Mieten sind auch Investitionen in die energetische Sanierung. Segregation und soziale Instabilitäten beziehungsweise bestehende Problemlagen drohen sich zu verschärfen. Die zunehmende Wohnungsknappheit in Ballungszentren birgt dort immer mehr sozialen Sprengstoff.

Und dennoch: Vor gesetzlichem Aktionismus ist dringend zu warnen. Der eindeutig falsche Ausweg aus der drohenden Preisspirale ist die in das Mietrechtsänderungsverfahren unerwartet eingeführte Mietobergrenze. Auch die derzeit in der Diskussion befindlichen Mietpreisdeckel bei Neuvermietungen hätten zur Folge, dass weniger neu gebaut wird. Im Gegenteil: Investoren würden abgeschreckt, in den Bau dringend benötigter neuer Wohnungen zu investieren.

Anreize für mehr bezahlbaren Neubau

Die Wohnungswirtschaft will weiterhin stark in bezahlbaren Wohnraum investieren. Dazu müssen aber die wirtschaftlichen Vorgaben stimmen. Folgende Punkte sind aus Sicht des GdW grundsätzlich notwendig, um den Wohnungsbau voranzutreiben und die Wohnungsknappheit in Ballungsgebieten zu beenden:

- Kommunale Grundstücke dürfen nicht im Höchstbieterverfahren vergeben werden.

- Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen in einem angemessenen Zeitrahmen abgeschlossen werden.

- Der steuerliche Abschreibungssatz muss von zwei auf vier Prozent angepasst werden, um steuerliche Benachteiligung abzubauen.

- Eine Verschärfung der EnEV, wie beim Neubau geplant, ist Gift für den notwendigen Bau neuer, bezahlbarer Wohnungen.

- Förderung muss verstetigt und vereinfacht werden - sowohl auf Bundesals auch auf Landesebene. Bundesmittel müssen zu 100 Prozent zweckgebunden eingesetzt werden.

- Anforderungen dürfen nicht durch B-Pläne oder Landesgesetze verschärft werden.

- Restriktionen im Mietrecht wirken kontraproduktiv auf das Investitionsklima!

- Der deutliche Anstieg der Nebenkosten muss begrenzt werden - insbesondere bei Energie, Wasserversorgung und Entwässerung, Müllbeseitigung und Grundsteuer.

- Eine Baukostensenkungskommission muss eingerichtet werden.

- Der Werkswohnungsbau muss wiederbelebt werden.

Darüber hinaus ist es dringend notwendig, den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln. In jedem Fall muss er in den kommenden Jahren weiter gefördert werden - und das mindestens auf dem bisherigen Niveau. Die dazu vom Bund derzeit bereitgestellten 518 Millionen Euro pro Jahr müssten von den Ländern in gleicher Höhe kofinanziert und eins zu eins in die soziale Wohnraumförderung fließen.

Wohnungsbauförderung für die Mitte

Das allein reicht aber nicht aus. Die Wohnraumförderung muss um eine "Wohnungsbauförderung für die Mitte" ergänzt werden. Das hat erst kürzlich auch die Studie "Strategien für bezahlbares Wohnen in der Stadt" vom Berliner Forschungsinstitut Regio-Kontext gezeigt. Nur so kann es insbesondere in Großstädten, Ballungsräumen und Universitätsstädten gelingen, mehr Wohnungen zu schaffen, die sich auch Haushalte mit mittleren Einkommen leisten könnten. Darüber hinaus unterstreicht die Studie, dass es notwendig ist, vorhandenen preiswerten Wohnraum zu erhalten und zusätzlich zu aktivieren.

Außerdem kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass ein Zuwachs an bezahlbaren Wohnungen in Deutschland nur mit einem Bündel von Maßnahmen zu erreichen ist. Dabei müssen Bund, Länder und Kommunen ihre "wohnungsbaupolitischen Hausaufgaben" machen, so die Studie. Dazu gehöre eine temporäre Verschnaufpause bei der Energieeinspar-Verordnung (EnEV). Ebenso sei eine Vereinfachung und stärkere Regionalisierung der Länder-Förderprogramme notwendig. Wohnungsbau muss Chefsache werden. Bei Bürgermeistern und bei Ministern.

Wohnungsgenossenschaften - Erfolg durch Prüfung

Die bislang sehr gute und stabile Wohnungsmarktsituation in Deutschland, mit einem vergleichsweise großen Angebot an bezahlbarem Wohnraum, ist auch eng mit dem Erfolg der deutschen Wohnungsgenossenschaften verknüpft. Und der Erfolg des genossenschaftlichen Systems in Deutschland hängt sehr eng mit dem genossenschaftlichen Verbändewesen zusammen. Pflichtmitgliedschaft und Pflichtprüfung haben bewirkt, dass die Insolvenzrate bei Genossenschaften auch in 2012 nur bei 0,1 Prozent liegt und damit verschwindend gering ist.

Gerade in den letzten Jahren haben sich die Genossenschaften als äußerst krisenund insolvenzfest erwiesen. Sie haben damit für viele Wirtschaftsbereiche eine Vorbildfunktion. Grundlage des Erfolgs ist unter anderem das Genossenschaftsgesetz mit dem genossenschaftlichen Verbands- und Prüfungswesen. Konterkariert wird das Erfolgsmodell allerdings durch den Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften, der das seit 150 Jahren bewährte und erfolgreiche genossenschaftliche System infrage stellt. Hauptkritikpunkt ist die Einführung einer von der Pflichtmitgliedschaft und Pflichtprüfung befreiten Kooperationsgesellschaft in das Genossenschaftsgesetz, die auch für bestehende Genossenschaften zur Anwendung kommen soll. Der GdW wendet sich ganz entschieden gegen Regelungen, die das genossenschaftliche System gefährden.

Finanzierung unter dem Einfluss von Basel III und AIFM

Die Frage, ob Wohnungsgenossenschaften im Rahmen der Umsetzung der AIFM-Richtlinie (AIFM = Alternative Investment Fund Manager) unter das Kapitalanlagegesetz (KAGB) fallen sollten, kann eindeutig mit nein beantwortet werden. Die AIFM-Richtlinie regelt die Zulassung und Aufsicht über Verwalter alternativer Investmentfonds. Die Rechtsform der Genossenschaft stand somit nie im Fokus der Regelungen.

Für die Immobilienwirtschaft in Deutschland ist die Verfügbarkeit von Fremdfinanzierungen durch klassische Bankdarlehen elementar. Basel III wird das Immobilienkreditgeschäft allerdings weiter unter Druck setzen. Die Wohnungswirtschaft begrüßt das von der Bundesregierung beschlossene CRD-IV-Umsetzungsgesetz unter der besonderen Berücksichtigung von Wohnungsgenossenschaften mit Spareinrichtung. Allerdings müssten die Basel-III-Regelungen einer ständigen Beobachtung unterworfen werden. Wichtig ist es, Instrumente zu entwickeln, um auf mögliche Kreditverknappungen - unter anderem durch Einführung der Leverage Ratio - reagieren zu können.

Kredite zu verknappen heißt, Investitionen zu gefährden und den Aufschwung zu bremsen. Auch vor dem Hintergrund der gestiegenen energetischen Anforderungen und des demografischen Wandels muss die Basis für Investitionen gewährleistet werden. Das Ziel muss sein, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Kreditverknappung und Finanzmarktstabilisierung zu finden. Die Wohnungsunternehmen sind auf ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten für die herausfordernden Investitionsthemen der Zukunft angewiesen. Momentan ist die Branche mit dem Erreichten - also mit der Mittelstandskomponente für Immobilienunternehmen und der niedrigen Risikogewichtung des Wohnimmobilienkredits bei Basel III - zufrieden.

Quo vadis Wohnungspolitik?

Wie genau es mit der Wohnungspolitik weitergehen soll, darüber muss sich die Bundesregierung - aktuell und ebenso für die Zeit nach der Bundestagswahl im Herbst dieses Jahres - klar werden. Die Wohnungswirtschaft mit ihren 2 000 Genossenschaften kennt ihren Weg: Sie will die Wohngebäude und Quartiere - in einem langfristig investitionsfreundlichen politischen und rechtlichen Umfeld - sorgsam und im traditionellen Verständnis der Branche als nachhaltige Bestandsbewirtschafter weiterentwickeln. Die Wohnungswirtschaft übernimmt dafür seit jeher Verantwortung. Für ein sicheres und gerechtes Wohnen.

Axel Gedaschko , Präsident , GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Berlin
Axel Gedaschko , Präsident , GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Berlin
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