Ausgewogene Mischung sichert die Zukunft von Städten

Stadtquartiere erreichen nur dann eine hohe urbane Lebensqualität, Stabilität und Nachhaltigkeit, wenn sie über kurze Wege und eine ausgewogene Mischung der Nutzungsarten Wohnen, Büro und Einzelhandel verfügen. Das ist das Ergebnis der Herbstdiskursveranstaltung des Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) in Berlin. Die Experten raten dazu, in den Regionen mit Engpässen dichter zu bauen, da der Platz rar ist und es heute technisch möglich ist, bei gleicher Qualität enger und höher zu entwickeln. Gestrebt werden soll nach lebendigen Städten, in denen Arbeiten, Wohnen, Handel und Kultur ihren Platz finden.

Zudem soll es möglichst kurze Wege geben, um die Erreichbarkeit der Innenstädte zu verbessern. Allerdings legen hierbei die Normsetzung in der BauNVO und im Immissionsschutz der Umsetzung dieser städtebaulichen Ideen aber immer wieder Steine in den Weg. Die Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden und der strikte Trennungsgrundsatz nach Paragraf 50 des BlmSchG stellen eine zu starke Einschränkung dar. Dabei ermöglichen die hohen Baustandards insbesondere im Bereich der Schallisolierung bereits seit vielen Jahren die flexible Nutzmischung ohne Lärmbelästigung für Bewohner und Nutzer. Das wird aus Sicht der Diskussionsteilnehmer in der Gesetzgebung bislang überhaupt nicht berücksichtigt, entsprechend gehörten die BlmSchG und TA Lärm dringend angepasst. Problematisch ist, dass die durch Paragraf 17 der BauNVO geregelten Obergrenzen der Grund- und Geschossflächenzahlen keine Nachverdichtung in den Innenstädten mehr zulassen. Deutschlands Städte müssen die Möglichkeit haben, bezahlbares Wohnen, Arbeiten und Einkaufen in einem Quartier anzubieten. Allerdings, so der warnende Finger der Diskussionsrunde, darf die Einführung eines neuen Gebietstyps (Urbanes Mischgebiet) nicht zu weiteren Zwangsvorgaben und Quotenregelungen im Nutzungsmix führen. Auch der stationäre Einzelhandel bedarf keiner weiteren Regulierung, um lebendig zu bleiben. Hier setzt sich der ZIA für die Abschaffung von Sortimentsbeschränkungen ein.

Beim Thema Wohnungsbau sind die Experten der Meinung, dass eine einseitige politische Förderung des Wohnungsneubaus in den als Wohn- und Arbeitsort besonders gefragten Schwarmstädten einer ausgewogenen Stadtentwicklung schadet. Wenn andere Nutzungsarten benachteiligt werden, ist es möglich, dass der Wohnungsneubau an der Nachfrage vorbeigeht. Gesucht wird nicht einfach nur eine Wohnung, sondern eine Wohnung in einem lebendigen, urbanen Stadtviertel mit einer vielfältigen Mischung aus Wohnfolgeeinrichtungen wie einer öffentlichen sozialen Infrastruktur aus Schulen und Kindergärten sowie kleinteiligen Gewerbeeinheiten, die vor allem aus Büros, Einzelhandel und Gesundheitsdienstleistungen bestehen. Die Experten warnen auch vor Engpässen im Gewerbesegment. Zurzeit ist eine deutliche Verdrängung von gewerblichen Nutzungen wie Büro und Produktion zu beobachten. Durch die mangelnde baurechtliche Flexibilität droht das Verhältnis zwischen Wohnen und gewerblicher Nutzung aus dem Gleichgewicht zu geraten. Diese Verdrängung steht dem Trend zur Quartiersbildung in den deutschen Großstädten entgegen. Zwischen 2004 und 2014 sind insgesamt 370 000 Bürobeschäftigte in den 7 A-Städten als Flächennachfrager auf den Markt gekommen. Dauerhafte Flächenengpässe in diesen Bereichen werden dazu führen, dass die Wirtschaftsentwicklung der Städte gehemmt wird.

Über die Zukunft des durch den Online-Handel unter Druck stehenden stationären Einzelhandels werden ebenfalls die Nutzungsmischung, Nutzungsdichte und die durch das Baurecht begrenzt Nutzungsoffenheit in den Stadtquartieren entscheiden. Die Frage, wie die qualitative Nachfrage nach integrierten Lagen auch künftig gewährleistet werden kann, werde an Brisanz zunehmen, da bisher ein Großteil der Zusatznachfrage noch durch innerstädtische Einkaufszentren absorbiert wird. Insgesamt, und hier bestand große Einigkeit, sind Einzelhandel, Immobilienwirtschaft und öffentliche Akteure, aber auch der Gesetzgeber gut beraten, wenn bei der Planung von Quartieren, Straßen und Gebäuden die Belange des Einzelhandels frühzeitig berücksichtigt werden. ber

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