Brexit: Die Zuversicht überwiegt!

Jüngst fand er wieder statt, der Steuerzahlergedenktag. Das ist jener Zeitpunkt, ab dem die Arbeitnehmer laut Bund der Steuerzahler ihr Geld für sich behalten dürfen, das sie noch bis Ende des Jahres verdienen. Ob dieser Tag durch mögliche Brexit-Folgekosten für die EU künftig noch weiter nach hinten wandert, steht noch in den Sternen, ist aber angesichts der politischen und konjunkturellen Unsicherheiten keineswegs völlig unwahrscheinlich.

Des einen Freud ist des anderen Leid. Die deutsche Immobilienwirtschaft jedenfalls ist frohen Mutes: Nach einer Umfrage von EY Real Estate rechnen 57 Prozent der Akteure mit positiven Folgen eines Brexits für den hiesigen Immobilienmarkt. Grund dafür ist die erwartete steigende Bedeutung des Finanzplatzes Frankfurt. 72 Prozent der Befragten erwarten, dass der Finanzplatz Frankfurt am meisten von einem EU-Austritt Großbritanniens profitieren könnte. Dublin liegt mit 13 Prozent auf dem zweiten Platz, Paris wird nur von sechs Prozent als Profiteur gesehen.

Es stellt sich nur die Frage, warum die Stimmung gerade in Frankfurt im Hinblick auf ein solches Szenario so euphorisch ist. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt gibt es in der City und im Umland wie dem angrenzenden Taunus kaum noch Bauflächen für neue Immobilien. Das schmälert die Möglichkeit des lukrativen weil renditestärkeren Developments erheblich. Sollten die Schwärme also kommen, werden massive Preissteigerungen bei Bestandsobjekten zu beobachten sein.

86 Prozent der Befragten sehen die Preise für Wohnimmobilien weiter steigen, 79 Prozent rechnen mit steigenden Preisen für Büroimmobilien. Zwar könnte bei Büroflächen ein Modernisierungsboom ausgelöst werden. Aber schon beim Neubau hapert es, denn unbegrenzt neue Bürobauflächen wird die Stadt kaum ausweisen. Es kann also sein, dass die Immobilienpreise in ungeahnte Höhen schießen und damit den Markt endgültig nach oben verzerren und deckeln. Viele investitionsfreudige Unternehmer würden gar nicht zum Zuge kommen. Diese Tendenz ist in der Mainmetropole bereits zum jetzigen Zeitpunkt auszumachen. Eine andere Frage ist auch, ob die Auswirkungen auf andere deutsche Immobilienmärkte nicht überschätzt werden.

Außerdem sind alle Fragen um die rechtliche Ausgestaltung des baldigen Brexits ungeklärt. Bleibt London Teil des Binnenmarktes oder wird es zukünftig als Drittstaat behandelt? Wenn letzteres eintritt, wie viele Unternehmen wird das auf das Festland ziehen, die die Vorteile des Passporting weiterhin nutzen möchten? Und was bedeutet der Ausstieg fiskalpolitisch? Möglicherweise wird die britische Regierung versuchen, Unternehmen - insbesondere den Finanzsektor - mit massiven Steuervorteilen im Land zu halten. Abwarten ist bei Investoren zwar äußerst unbeliebt, denn Zeit ist Geld, aber es ist derzeit das vernünftige Gebot der Stunde. Denn auch, wenn Investoren politisch und wirtschaftlich stabile Länder bevorzugen, sollten sie nicht wie große Vogelschwärme in Richtung deutscher Ballungsräume ziehen. dro

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