Enteignungsdebatte: problematischer Vorschlag zur Güte

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

56,4 Prozent der Berliner haben sich bei dem am 26. September 2021 abgehaltenen Volksentscheid "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" für die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne ausgesprochen, 39 Prozent waren dagegen. Obwohl das Votum rechtlich nicht bindend ist, steigt damit der Druck auf die Politik, zu handeln. Einen - zumindest auf den ersten Blick - salomonischen Vorschlag zu der ziemlich hitzig geführten Diskussion hat nun ein wissenschaftliches Trio um ifo-Präsident Clemens Fuest, Johanna Hey (Universität Köln) und Christoph Spengel (Universität Mannheim) vorgelegt.

Ihr Credo: Anstatt populistischer Forderungen nach Enteignung sollte die Politik im Sinne von mehr Gerechtigkeit lieber über die Abschaffung von Steuerprivilegien für Immobilien nachdenken. Diese führten in Deutschland unter anderem zu Fehlanreizen für Investoren sowie einer unfairen Verteilung der Steuerlast. Darüber hinaus begünstigten sie die Anhäufung von Grundvermögen in den Händen weniger und befeuerten die hohen Immobilienpreise. Die Autoren sind optimistisch, dass diese Probleme bereits mithilfe "vergleichsweise geringer Korrekturen bei der Einkommensteuer, der Gewerbesteuer, der Erbschaftsteuer und der Grunderwerbsteuer" behoben werden könnten und dabei zugleich das Steueraufkommen erhöht werde, ohne die wirtschaftliche Entwicklung zu belasten. "Der Gesetzgeber könnte daran denken, bei der Einkommensteuer Veräußerungsgewinne auch außerhalb der geltenden Zehnjahresfrist zu besteuern, die Gewerbesteuerbefreiung bei Immobilien-Aktiengesellschaften abzuschaffen und die Grunderwerbsteuer zu reformieren", fasst Hey zusammen.

Einige der Vorschläge sind sicher diskussionswürdig. Zum Beispiel weisen die Autoren nicht zu Unrecht darauf hin, dass die bei vermieteten Immobilien bestehende Doppelbegünstigung aus unbegrenztem Werbungskostenabzug und Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinnes eine nicht plausibel zu rationalisierende Ungleichbehandlung zu Aktienanlagen darstellt. Auf der anderen Seite ist das Schröpfen privater Kleinvermieter natürlich höchst problematisch. So braucht Deutschland bekanntlich dringend mehr Wohnraum - 400 000 neue Einheiten pro Jahr hat die Ampel-Koalition jüngst ausgerufen. Als wäre das angesichts der bereits heute an ihren Kapazitätsgrenzen arbeitenden Baubranche nicht schon illusorisch genug - ein zusätzliches zur Kasse bitten von Privatleuten, die rund 60 Prozent der hiesigen Mietwohnungen anbieten, würde das Unter fangen noch weiter verkomplizieren. Ohnehin gilt es zu betonen, dass man mit diesem Geschäft selbst unter den heutigen Umständen selten reich wird. Laut Untersuchungen des IW Köln erzielen hierzulande rund 53 Prozent der nicht gewerblichen Kleinvermieter jährliche Nettoeinkünfte von weniger als 5 000 Euro - vor Steuern wohlgemerkt. Gut 7 Prozent der Privatvermieter machen sogar Verluste.

Wirklich Potenzial zum Glätten der Wogen hat der Vorschlag von Fuest & Co. bei genauerer Betrachtung also leider auch nicht. Es darf somit fröhlich weiter darüber gestritten werden, wo die richtigen Stellschrauben liegen. So viel steht aber jetzt schon fest: Der künftige Bauminister ist nicht um seine Aufgabe zu beneiden, in dieser Gemengelage eine halbwegs konstruktive Arbeitsatmosphäre zu schaffen. ph

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