Wohnungswesen

25 Jahre gemeinsamer Markt: Ostdeutschland holt auf

Abbildung 1: Baufertigstellungen in Ost- und Westdeutschland Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)/Schwäbisch Hall Stiftung, Statistisches Bundesamt 2015

In 25 Jahren deutscher Einheit haben sich die Wohnungsmärkte in den westlichen und östlichen Bundesländern angenähert. Der Osten hat dabei qualitativ und strukturell aufgeholt. Den Wohnungsmärkten in Ost und West ist gemeinsam, dass sie sich regional weiter ausdifferenzieren. Wachstumsregionen mit hoher Nachfrage, hohen Mieten und Preisen bestehen neben Schrumpfungsregionen mit Preisverfall, Mietstagnation und Leerstand. Das hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln in Zusammenarbeit mit der Stiftung "bauen-wohnen-leben" der Bausparkasse Schwäbisch Hall in einer Untersuchung zu den Wohnungsmärkten in Ost und West in 25 Jahren deutscher Einheit ermittelt. Der Autor stellt die wesentlichen Ergebnisse vor. Red.

In den vergangenen zehn Jahren spielte Wohnungspolitik in der öffentlichen Wahrnehmung lediglich eine Nebenrolle. Nach dem Höhepunkt des Abschreibungsbooms in Ostdeutschland Mitte der neunziger Jahre ging der Wohnungsbau bundesweit drastisch zurück; der Bedarf war scheinbar gedeckt. Heute allerdings ist das Wohnen mehr denn je ein brisantes Thema, das viele angeht und bei dem Handlungsbedarf besteht. Bei der Diskussion ums Wohnen geht es vorrangig darum, Rückstände im Wohnungsbau durch Neubau aufzuholen, um die hohe Nachfrage zu befriedigen.

Ein Blick auf die ost- und westdeutschen Märkte hinsichtlich der Demografie, des Zustands der bestehenden Gebäude, der Preisentwicklung, der Wohneigentumsquote und der Wohnflächennachfrage gibt Aufschluss über weitere wichtige Aspekte.

Schwieriger Aufholprozess

1990 war der sieben Millionen Einheiten umfassende ostdeutsche Wohnungsbestand von gravierenden quantitativen und qualitativen Defiziten geprägt: Die Bausubstanz, vor allem in den Innenstädten, war verschlissen, die Mieten waren seit Jahren auf sehr geringem Niveau eingefroren und die Wohneigentumsquote betrug mit rund 20 Prozent nur etwa die Hälfte des westdeutschen Wertes. Es gab zu wenige Wohnungen und zu wenige Eigenheime. Hinzu kam, dass die vorhandene und noch bewohnbare Altbausubstanz in den meisten Fällen nicht modernen Anforderungen genügte, insbesondere bei Heizungs- und Sanitäranlagen. Gleichzeitig existierte ein Leerstand von 420 000 Wohneinheiten, das waren 6 Prozent des Bestandes. 42 Prozent der Gebäude, die 1990 in Ostdeutschland standen, waren vor 1948 errichtet worden, in Westdeutschland lediglich 20 Prozent.

Es folgte ein beispielloser Aufholprozess, in dessen Verlauf Milliarden in den ostdeutschen Wohnungsbau flossen. Dieser Prozess verlief jedoch widersprüchlich und sprunghaft. Angeheizt durch die Sonderabschreibungsmöglichkeit für wohnungswirtschaftliche Investitionen im Osten, kam es bis Mitte der neunziger Jahre zu einer spekulativen Blase. Ein Überangebot an Immobilien, Wertverluste und ein Einbruch bei der Bautätigkeit waren die Folgen. Gleichzeitig erlebte die Binnenwanderung in Deutschland ihren Höhepunkt. Während die Einwohnerzahl in Westdeutschland zwischen 1991 und 2000 um 4,3 Prozent stieg, nahm sie in Ostdeutschland im gleichen Zeitraum um 4 Prozent ab. Als Konsequenz daraus schwoll der Leerstand im Osten auf 14 Prozent an.

Erst um die Jahrtausendwende erfolgte ein Paradigmenwechsel. Im Rahmen des Förderprogramms "Stadtumbau Ost" wurden 2,5 Milliarden Euro öffentliche Mittel aufgebracht, um rund 300 000 Wohnungen "rückzubauen", die Stadtquartiere aufzuwerten und nachhaltig zu stabilisieren. Die Leerstandsquote sank dadurch deutlich, wobei sie auch heute mit mehr als elf Prozent noch immer rund vier Prozent über der westdeutschen Quote liegt. Allerdings ist die Lage deutlich differenzierter geworden. Während es in vielen ostdeutschen Städten kaum noch Leerstand gibt, konzentriert er sich heute vor allem auf ländliche, strukturschwache Regionen. Dieses Phänomen gewinnt auch in manchen westdeutschen Regionen an Bedeutung.

Die Verbesserung der Bausubstanz in den ostdeutschen Bundesländern prägte und prägt noch heute die Bautätigkeit. Das hat zur Folge, dass der Wohnungsmarkt im Osten der größere Bestandsmarkt ist: Während im Westen heute 71 Prozent der Bauleistungen in bestehende Gebäude fließen, sind es im Osten 83 Prozent. Außerdem entstehen im Osten innerhalb des Neubaus auch heute noch relativ mehr Eigenheime als im Westen.

Wohneigentum in Ost und West auf dem Vormarsch

Mit dem Auslaufen des Abschreibungsbooms begann das Wachstum der Wohneigentumsquoten im Osten: Die Quoten in Ost und West haben sich seit 2000 deutlich angeglichen, wobei sie in beiden Teilen zulegten. Sie stiegen nach den letzten verfügbaren Zahlen des Statistischen Bundesamtes im Zeitraum zwischen 1993 und 2010 in den westlichen Bundesländern von 43 auf 48,8 Prozent, in den östlichen von 24,3 auf 34,7 Prozent.

Mit 45,7 Prozent ist die Wohneigentumsquote in Deutschland im internationalen Vergleich nach wie vor niedrig. Aktuelle Marktindikatoren zeigen jedoch, dass sich der Trend zu mehr Wohneigentum in jüngster Zeit bundesweit verstärkt hat. So steigt die Anzahl der Kaufgesuche relativ stärker an als die Anzahl der Mietgesuche. Die anhaltend niedrigen Hypothekenzinsen entfalten eine positive Wirkung auf die Eigentumsquoten in Ost und West. Ob die bestehenden Unterschiede eingeebnet werden, bleibt jedoch abzuwarten. Ein hemmender Faktor ist die Binnenwanderung aus ostdeutschen Landkreisen mit relativ hohem Wohneigentumsanteil in Großstädte mit relativ geringem Wohneigentumsanteil. Denn Ost und West ist gemeinsam, dass die Wohneigentumsquoten in Großstädten geringer sind als im ländlichen Raum.

In den ostdeutschen Zentren ist die Eigentumsquote mit nur 14,6 Prozent aber weiterhin deutlich niedriger als in westdeutschen Metropolen mit 26,9 Prozent. Das liegt auch daran, dass sich das Mietpreisniveau auf weit niedrigerem Niveau befindet als in Westdeutschland - der Erwerb einer Stadtwohnung also seltener in Erwägung gezogen wird. Andererseits ist zu erwarten, dass in den wirtschaftlich starken Metropolenregionen Ostdeutschlands die Eigentumsbildung deutlich an Boden gewinnen wird.

Normalisierung auf dem Mietwohnungsmarkt

Die Stagnation von Mieten und Preisen, die auf dem ostdeutschen Wohnungsmarkt bis ungefähr 2010 währte, ist vorbei. Sie sind in West und Ost in den vergangenen Jahren gestiegen. Im Durchschnitt muss ein Wohnungskäufer im Altbundesgebiet pro Quadratmeter heute etwa 1 950 Euro ausgeben, das sind 23 Prozent mehr als Anfang 2010. Im Osten kostet die Eigentumswohnung im Schnitt 1 330 Euro pro Quadratmeter, das sind 20 Prozent mehr als 2010. Der Preisanstieg ist damit ähnlich hoch, der Abstand aber weiter deutlich. Ähnlich verhält es sich mit den Mieten, wobei die Dynamik geringer ist. Die durchschnittliche Neuvertragsmiete Ost betrug im 1. Quartal 2015 pro Quadratmeter 5,30 Euro, drei Prozent mehr als im ersten Quartal 2010 (5,20 Euro). Die Vergleichswerte West zeigen einen ähnlichen Anstieg von 6,30 auf 6,50 Euro pro Quadratmeter.

Die Ursache für die unterschiedlichen Miethöhen sind in den niedrigeren Einkommen im Osten zu suchen sowie in den jahrelang hohen Leerstandsquoten. Der Abriss sowie die bis vor wenigen Jahren noch erkennbare Zurückhaltung beim Wohnungsneubau treiben, im Zusammenspiel mit steigenden Einkommen und wachsenden Ansprüchen ans Wohnen, auch in Ostdeutschland die Mietpreisdynamik an. Dies zeigt sich insbesondere in den ostdeutschen Großstädten. Bis auf wenige Ausnahmen weisen die zehn größten Städte Ostdeutschlands eine ähnliche Mietentwicklung auf wie westdeutsche Metropolen.

Große Unterschiede zwischen Ost und West bestehen dagegen nach wie vor bei der Wohnfläche: Während sie im Altbundesgebiet 47 Quadratmeter pro Einwohner beträgt, sind es in den Bundesländern im Osten rund 42 Quadratmeter. Zwischen 1991 und heute hat der Wohnflächenverbrauch bundesweit um 1,15 Prozent pro Jahr zugelegt, wobei er im Osten mit im Schnitt 1,22 Prozent etwas stärker stieg als im Westen. Bis zum Jahr 2030, so die IW-Prognose, wird die Pro-Kopf-Wohnfläche in Deutschland von 46,2 auf bis zu 51,1 Quadratmeter steigen. In Westdeutschland fällt der Anstieg mit 52,4 Quadratmeter höher aus als in Ostdeutschland mit 46,7 Quadratmetern. Damit verringert sich der Abstand nur minimal.

Wohnflächenverbrauch steigt weiter

In 25 Jahren deutscher Einheit haben sich die Wohnungsmärkte in den westlichen und östlichen Bundesländern angenähert, denn der Osten hat vor allem qualitativ und strukturell aufgeholt. Dieser Aufholprozess wird sich weiter fortsetzen, denn unabhängig davon, wo man in Deutschland wohnt - der Wert der Immobilie wird wieder geschätzt. Kein Wunder also, dass die eigenen vier Wände für die Bundesbürger das begehrteste Sparziel sind: Mit 75 Prozent rangiert Wohneigentum im Investmentbarometer des GfK Vereins auf Platz eins der attraktivsten Anlagemöglichkeiten. Den Wohnungsmärkten in West und Ost ist gemeinsam, dass sie sich regional weiter ausdifferenzieren: Wachstumsregionen mit hoher Nachfrage, hohen Mieten und Preisen bestehen neben Schrumpfungsregionen mit Preisverfall, Mietstagnation und Leerstand.

Das "Wohneigentum" hat bewiesen, dass es dazu beitragen kann, unsere Gesellschaft zusammenzuschweißen und das gesellschaftliche Engagement sowie die Integration in unseren Städten und Gemeinden zu unterstützen.

Der Autor

Roland Vogelmann Geschäftsführer, Stiftung "bauenwohnen-leben" der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG, Schwäbisch-Hall

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