Property Management

Aufzugsanlagen: Was kommt 2016?

Tim Gunold

Seit dem 1. Juni 2015 haben sich die Betreiber von Aufzugsanlagen mit einer Vielzahl an neuen Anforderungen und Aufgaben zu beschäftigen. Dabei haben einige Regelungen schon im Jahre 2016 keinen Bestand mehr. In den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, dass einige Beschlüsse, die im Zuge der neuen BetrSichV gefasst wurden, den Praxistest nicht bestehen konnten. Insofern sind weitere Änderungen oder Anpassungen zu erwarten. Der Autor erläutert die Auswirkungen im Detail und rät den Betreibern von Aufzugsanlagen, sich frühzeitig auf die Umstellungen einzustellen. Red.

Neue Verordnungen, Änderungen, Zurücknahmen und viele Fragezeichen, die bleiben. So lässt sich das vergangene Jahr für die Betreiber von Aufzugsanlagen vielleicht am besten beschreiben.

Spätestens mit dem Inkrafttreten der novellierten Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) am 1. Juni 2015 haben sich die Betreiber von Aufzugsanlagen mit einer Fülle an neuen Anforderugen und Aufgaben beschäftigen müssen:

- Maßnahmen zur Instandhaltung der Aufzugsanlagen unter Berücksichtigung der Herstellervorgaben: Fehlt die Umsetzung, wird dies als Ordnungswidrigkeit geahndet.

- Regelmäßige Begutachtung und Kontrolle der eigenen Aufzüge.

- Erstellung von Notfallplänen für sämtliche Aufzugsanlagen. Diese Pläne müssen dem Notdienst vor Inbetriebnahme des Aufzugs zur Verfügung stehen und an der Anlage selbst verfügbar sein. Hierfür haben die Betreiber bis zum 31. Mai 2016 Zeit. Fehlen die Pläne, wird dies ebenfalls als Ordnungswidrigkeit geahndet.

- Schaffung einer wirksamen Zwei-Wege-Notrufeinrichtung mit ständig besetztem Notdienst für jeden Aufzug. Die Frist hierfür ist der 31. Dezember 2020.

Dazu kommen Pflichten im Zusammenhang mit den Prüfungen der Anlagen:

- Alle Aufzüge müssen eine Prüfung vor Inbetriebnahme und vor Wiederinbetriebnahme nach einer prüfpflichtigen Änderung ablegen. Diese Prüfungen müssen durch zugelassene Überwachungsstellen (ZÜS) erfolgen.

- Die Prüfung vor der erstmaligen Inbetriebnahme schließt im Besonderen die Aufstellbedingungen ein.

- Bestandteil der Prüfungen sind auch alle externen Einrichtungen, die für die sichere Nutzung der Aufzugsanlage notwendig sind.

- Die wiederkehrenden Haupt- und Zwischenprüfungen sind ebenfalls durch zugelassene Überwachungsstellen durchzuführen. Sie beinhalten auch die Überprüfung der elektrischen Anlage.

Rolle rückwärts der Überwachungsstellen

Doch nicht alles, was 2015 neu war, hat 2016 noch Bestand: Auf seiner Sitzung vom 4. November 2015 hat der Erfahrungsaustauschkreis der zugelassenen Überwachungsstellen (EK ZÜS) den Beschluss BA-011 vom 20. Mai 2015 zur sicheren Verwendung von Aufzugsanlagen nach dem Stand der Technik wieder zurückgezogen.

Dieser sah unter anderem vor, dass Prüfberichte vermerken, ob ein Konzept zur Anpassung der Aufzugsanlage an den Stand der Technik erstellt werden muss. Hiervon waren insbesondere ältere Aufzugsanlagen betroffen.

Auf der Grundlage des Beschlusses BA-011 haben in den vergangenen Monaten die zugelassenen Überwachungsstellen bei den wiederkehrenden Prüfungen gegebenenfalls darauf hingewiesen, dass ein Konzept zur Anpassung des Betriebs der Aufzugsanlage an den Stand der Technik fehlt und dies dann als geringfügigen Mangel bewertet.

Diese Praxis gehört nun - zumindest vorerst - der Vergangenheit an. Was nicht bedeutet, dass auch die Erstellung eines Konzepts unnötig ist. Denn: Auch wenn künftig nicht mehr in den Prüfberichten steht, dass das besagte Konzept fehlt, bleibt die Verpflichtung zur Erstellung dennoch bestehen.

Neue Anforderungen an den Stand der Technik

Mit Rücknahme des Beschlusses BA-011 gelten auch die dort vorgesehenen Dokumentationspflichten nicht mehr. Sie sahen vor, dass im Rahmen der wiederkehrenden Prüfungen bis zu 22 Abweichungen vom Stand der Technik dokumentiert werden müssen.

Ob es sich bei der Aufhebung des Beschlusses BA-011, der nicht einmal sechs Monate alt war, um eine temporäre oder dauerhafte Entscheidung handelt, ist momentan nicht absehbar. Die vergangenen Monate haben aber gezeigt, dass einige Beschlüsse, die im Zuge der neuen BetrSichV gefasst wurden, den Praxistest nicht bestehen konnten. Insofern sind weitere Änderungen oder Anpassungen zu erwarten.

Die Anforderungen an den Stand der Technik ändern sich aber auf jeden Fall noch einmal, wenn am 20. April 2016 die neue Errichtungsnorm DIN EN 81-20 in Kraft tritt. Diese Norm beinhaltet Sicherheitsregeln für die Konstruktion und die technischen Eigenschaften von Aufzügen für den Personen- und Güterverkehr. Sie wird in fast ganz Europa Gültigkeit haben, soll maximale Sicherheit gewährleisten und umfasst unter anderem die folgenden Bestimmungen:

- Aufzugsbetreiber müssen auf die bestimmungsgemäße Nutzung des Aufzugs achten. Denn erst, wenn der Aufzug auf die Bedürfnisse und Eigenheiten seiner Nutzer abgestimmt ist, kann er sicher betrieben werden.

- Alle Einrichtungen des Aufzugs müssen im Schacht, an den Aufstellungsorten des Triebwerks und der Steuerung oder im Rollraum untergebracht sein.

- Die Schutzräume für Fahrten auf dem Kabinendach und in der Schachtgrube werden neu bestimmt. Sollte es begehbare Räume unter dem Schacht geben, wird am Ausgleichs- und Gegengewicht ein Fangkorb verlangt.

- Die Aufzugs- und Schachttüren müssen eine erhöhte Festigkeit haben, damit sie nicht zum Beispiel von Elektrorollstühlen oder schweren Krankenhausbetten durchbrochen werden können. Gleiches gilt auch für die Kabinenwände. Dazu kommen neue Anforderungen für den Einbauort der Notentriegelung.

- Die Beleuchtung in der Fahrgastkabine muss heller sein als bisher.

- Gläserne Schachtwände müssen aus Verbundglas sein und einer Kraft von 1000N standhalten können.

- Neue Vorgaben sollen verhindern, dass Kinder sich in Glastüren die Hände einklemmen.

Durch diese neue Norm wird es für alle Betreiber von Aufzugsanlagen zwingend erforderlich sein, ihre Gefährdungsbeurteilungen zu erneuern oder zumindest zu aktualisieren. Im Zuge dessen müssen dann auch die geforderten Konzepte zur Anpassung an den Stand der Technik erstellt werden und für die zugelassenen Überwachungsstellen im Rahmen einer Vor-Ort-Prüfung einsehbar sein.

Begrifflichkeiten definiert

Dazu werden neue Begrifflichkeiten definiert. Die "befugte Person" (authorized) verfügt über ausreichende Kenntnisse bezüglich der Zutrittserlaubnis. Die "sachkundige Person" (competent) verfügt über fachliche Kenntnisse für die Prüfung oder Wartung. Und das "Spezialwerkzeug" (spezial tool) definiert die Hilfsmittel, die für das Herstellen des Notbetriebes zu benutzen sind. Verbindlich wird die DIN EN 81-20 erst zum 1. September 2017. In der Übergangszeit ist auch die veraltete Norm EN 81-1 noch gültig. Da aber die neue EU-Aufzugsrichtlinie 2014/33/EU ebenfalls am 20. April 2016 in Kraft tritt, ist es unbedingt erforderlich, bereits auf die Abstimmung beider Normen zu achten.

Einheitliche Rechtsverordnung auf dem europäischen Markt

Mit der neuen Aufzugsrichtlinie 2014/33/EU soll es eine verbindliche und einheitliche Rechtsverordnung für fast alle europäischen Länder geben.

Bis zu diesem Zeitpunkt besitzen alte Produktzertifizierungen noch ihre Gültigkeit, danach erlöschen alle Marktzulassungen, die auf Basis der alten Verordnung 95/16 EG erfolgten. Zu den Kernaussagen dieser Richtlinie gehören unter anderem,

- dass die technische Dokumentation und insbesondere die Betriebsanleitung in einer leicht verständlichen Sprache vorliegen müssen. Dabei handelt es sich in den aller meisten Fällen um die Landessprache.

- dass der Hersteller des Aufzugs und der Hersteller der Sicherheitsbauteile durch entsprechende Kennzeichnungen jederzeit zurückverfolgbar sein müssen. Das heißt: Firmenname, Handelsname oder -marke und die Postanschrift müssen gut sichtbar auf dem Aufzug selbst oder den einzelnen Sicherheitsbauteilen angebracht sein.

- Dazu kommt eine Identifikation, die den Rückschluss auf die Typen-, Chargen- oder Seriennummer zulässt.

Die neuen Richtlinien und Normen betreffen ausnahmslos alle Betreiber von fördertechnischen Anlagen. Die Regelwerke sind sehr umfangreich und erfordern eine genaue Einarbeitung; es empfehlt sich hier entsprechende Spezialisten hinzuzuziehen.

Um nicht wichtige Fristen zu versäumen, sollten die Unternehmen bereits jetzt damit beginnen, sich auf die neuen Voraussetzungen einzustellen und diese bei der Planung ihrer Anlagen berücksichtigen.

Der Autor

Tim Gunold Geschäftsführer, Hundt Consult GmbH, Hamburg

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