Bankpolitik

Baseler Vorschläge zur Überarbeitung des Kreditrisikostandardansatzes

Abbildung 1: Risikogewichte für Wohnimmobilien (Rückzahlung ist nicht materiell abhängig vom Zahlungsstrom, der durch die Immobilie generiert wird) (Angaben in Prozent)

Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht schlägt in seinem zweiten Konsultationspapier zur Überarbeitung des Kreditrisikostandards umfangreiche Änderungen vor, die tief greifende Veränderungen für die Kreditvergabe mit sich bringen. Gerade für Immobilienkredite sind weiterhin deutliche Verschlechterungen für die kreditgebenden Banken vorgesehen. Es konnten gegenüber dem ersten Entwurf bereits erhebliche Verbesserungen erzielt werden. Für die Wohnungsversorgung sind die Signale aus Basel verheerend, da sie die Finanzierung von Mietwohnungen verteuern. Damit werden alle Bemühungen der Branche und der Bundesregierung, für bezahlbares Wohnen und Bauen zu sorgen, deutlich beeinträchtigt. Ähnlich kritisch wird auch der Vorschlag für die Kredite für Gewerbeimmobilien bewertet, da eine Verdoppelung der Risikogewichtung vorgesehen ist. Der international relativ stabile deutsche Immobilienmarkt gibt keine Warnhinweise, warum vermietete Wirtschaftsimmobilien gegenüber eigen genutzten ein derart höheres Risiko bedeuten sollten. Die Vorgaben bilden darüber hinaus nicht die tatsächlichen Marktgegebenheiten in Deutschland ab und können nicht überzeugen, da sind sich die Autoren mit der Deutschen Kreditwirtschaft einig. Red.

Am 10. Dezember vergangenen Jahres veröffentlichte der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (Baseler Ausschuss) ein Papier, das bereits mit Spannung erwartet worden war. Es handelt sich um das zweite Konsultationspapier zur Überarbeitung des Kreditrisikostandardansatzes. Bereits im Dezember 2014 hatte der Baseler Ausschuss einen Vorschlag veröffentlicht. Dieser ist in einem engen Zusammenhang mit bereits früher gestarteten Überprüfungen der Standardansätze beispielsweise für das operationelle Risiko zu sehen. Da im ersten Papier für den Standardansatz zur Messung des Kreditrisikos tief greifende Veränderungen vorgeschlagen wurden, war auch alsbald von "Basel IV" die Rede. Die Revision des Standardansatzes hat nicht nur Auswirkungen auf Banken, die nach dem Standardansatz arbeiten, sondern auch auf solche, die sich auf interne Ratings stützen - sogenannte IRB-Banken. Denn der Baseler Ausschuss schlägt zudem vor, die neuen Vorgaben für die sogenannte "Floor-Berechnung" zu nutzen.

Einschätzung: "Nicht überzeugend"

Die folgende kurze Beschreibung bezieht sich auf Veränderungen für die Vergabe von Immobilienkrediten. Denn auch wenn der zweite Entwurf durch die Deutsche Kreditwirtschaft insgesamt positiv bewertet wird, lautet die Einschätzung bei Immobilienkrediten: "Nicht überzeugend". Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) kritisiert die Vorschläge ebenfalls, nachdem er bereits am ersten Entwurf scharfe Kritik geübt hatte.

Es konnten gegenüber dem ersten Entwurf bereits erhebliche Verbesserungen erzielt werden. So war ursprünglich vorgesehen, für die Messung des Kreditrisikos beim Erwerb von Wohnimmobilien durch Privatpersonen die sogenannte "Debt-Service-Coverage-Ratio", also die Kapitaldienstfähigkeit, heranzuziehen. Hiervon rückte der Baseler Ausschuss jedoch wieder ab, weil gerade diese Kennziffer nicht einheitlich über die verschiedenen Nationalstaaten hätte ermittelt werden können. Die Kapitaldienstfähigkeit bleibt jedoch für die Entscheidung über die Kreditvergabe relevant.

Die Risikogewichte von derzeit 35 Prozent für Wohnimmobilien und 50 Prozent für Gewerbeimmobilien sollten deutlich erhöht werden. Für das selbst genutztes Wohneigentum wurden Risikogewichte von bis zu 100 Prozent vorgeschlagen. Hiervon beibehalten hat der Ausschuss die Aufspreizung des Ansatzes anhand des Beleihungsauslaufs (LTV, loan to value ratio): für selbst genutztes Wohneigentum beträgt das Risikogewicht für Privatpersonen bis zu 75 Prozent (siehe Abbildung 1).

Für die Wohnungsversorgung verheerend

Es ergeben sich gegenüber dem heutigen Stand aber Verbesserungen, wenn die Beleihung unter 60 Prozent liegt, dann beträgt das Risikogewicht lediglich 30 Prozent.

Eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Erstentwurf erfuhr die Finanzierung des Mietwohnungsbestandes. Dieser war zunächst der neuen Kategorie "specialised lending" zugeordnet. Damit hätte das Risikogewicht bei 120 Prozent gelegen. Nun soll das Risikogewicht 90 Prozent betragen, wenn die Fremdfinanzierungsquote zwischen 60 und 80 Prozent liegt. Gegenüber dem aktuellen Risikogewicht von 35 Prozent wäre das allerdings immer noch eine Verschlechterung (siehe Abbildung 2).

Für die Wohnungsversorgung ist das Signal verheerend, denn die Vorgaben würden die Finanzierung von Mietwohnungen verteuern. Damit werden alle Bemühungen der Branche und der Bundesregierung, für bezahlbares Wohnen und Bauen zu sorgen, deutlich beeinträchtigt. Unsicherheit besteht zudem für Projektentwicklungen, bei denen die Fertigstellungen noch nicht erfolgt sind, inwiefern diese nicht doch als specialised lending zu werten wären.

Ähnlich kritisch ist der Vorschlag für die Kredite für Gewerbeimmobilien zu werten. Hier ist eine Verdoppelung der Risikogewichtung (von derzeit 50 Prozent) für Immobilien vorgesehen, die vermietet und mit 60 bis 80 Prozent beliehen werden. Selbst wenn der Beleihungsauslauf unter 60 Prozent liegt, würde das Risikogewicht auf 80 Prozent steigen.

Versorgung des Mittelstandes beeinträchtigt

Von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung sind auch die hohen ausgewiesenen Risikogewichte für vermietete Gewerbeimmobilien von 80 bis 130 Prozent. Die deutsche Immobilienwirtschaft stellt für zirka 30 Prozent aller Unternehmen geeignete Produktions, Verkaufs, Lager und Büroräume zur Verfügung.

Werden die Finanzierungsmöglichkeiten von Wirtschaftsimmobilien verschlechtert, beeinträchtigt dies auch die Versorgung des Mittelstandes mit entsprechenden Immobilien als entscheidenden Produktionsfaktor. Der international relativ stabile deutsche Immobilienmarkt gibt keine Warnhinweise, warum vermietete Wirtschaftsimmobilien gegenüber eigen genutzten ein derart höheres Risiko bedeuten sollten. Überdies konterkariert der Baseler Ausschuss damit die Bemühungen der EU, die Finanzierung der Wirtschaft zu verbessern.

Beim Beleihungsauslauf Äpfel mit Birnen verglichen

Der Vorschlag ist aus Sicht der Branche auch deshalb nicht sachgerecht, weil bei dem Beleihungsauslauf Äpfel mit Birnen verglichen werden. Die Wertermittlung in Deutschland ist beispielweise nicht mit der in Großbritannien vergleichbar. Diesen nationalen Unterschieden wird auch in dem zweiten Konsultationspapier nicht hinreichend Rechnung getragen. Die nationalen Aufsichtsbehörden erhalten lediglich die Möglichkeit, höhere als die vom Ausschuss festgelegten Risikogewichte vorzuschreiben. Auch die Deutsche Kreditwirtschaft gibt zu bedenken, dass "die Vorgaben hingegen nicht die tatsächlichen Marktgegebenheiten in Deutschland" abbilden und "nach dem ersten Eindruck" nicht überzeugen.

Die Konsultationsfrist läuft bis zum 11. März 2016 - genügend Zeit also, um die sachliche Kritik dem Baseler Ausschuss vorzutragen.

Die Autoren

Roland Franke Abteilungsleiter Finanzmarktregulierung & SteuernSabine Georgi Abteilungsleiterin Immobilien und Kapitalmärkte, beide ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V., Berlin

Sabine Georgi , Geschäftsführerin , Urban Land Institute (ULI) Deutschland, Frankfurt am Main

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