WOHNEN IN DEUTSCHLAND

BAUMINISTERKONFERENZ 2017: DIE FORDERUNGEN DER LÄNDER AN DIE NÄCHSTE BUNDESREGIERUNG

Dorothee Stapelfeldt Quelle: BSW / Bina Engel

Im Rahmen der Bauministerkonferenz in Wittenberg wurden Ende des Jahres 2017 einige wichtige Kernforderungen der 16 Länder an die künftige Bundesregierung beschlossen. Darüber berichtet die Hamburger Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen im folgenden Beitrag. Die auf Initiative ihrer Stadt verabschiedete "Wittenberger Erklärung" betont unter anderem die große Bedeutung der Bund-Länder-Städtebauförderung für eine funktionierende Quartiersentwicklung und das Gedeihen in ländlichen Räumen. Deshalb soll der Bund ab 2018 jährlich mindestens eine Milliarde Euro dafür zur Verfügung stellen. Bei der Definition künftiger Energiestandards warnen die Bauminister vor der Etablierung zu strenger Anforderungen, die das Ziel des bezahlbaren Bauens konterkarieren würden. Auch wird für die Einführung einer Klimakomponente im Wohngeld plädiert. Es wartet also einiges an Arbeit auf die neue Exekutive in Deutschland. Red.

Am 23. und 24. November 2017 tagte die Bauministerkonferenz unter dem Vorsitz Sachsen-Anhalts in der Lutherstadt Wittenberg. In der historischen Altstadt trafen sich Vertreterinnen und Vertreter der 16 Länder, um über aktuelle Themen in den Bereichen Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zu beraten. Wie üblich war auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vertreten.

Eine Milliarde Euro für die Städtebauförderung

Mit Kernforderungen in den Bereichen Städtebauförderung, soziale Wohnraumversorgung, Liegenschaftspolitik sowie ökologisches und wirtschaftliches Bauen wenden sich die Länder an die neue Bundesregierung. Ziel ist die "Fortsetzung einer erfolgreichen gemeinsamen Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik" in der neuen Legislaturperiode.

Die Wittenberger Erklärung unterstreicht den hohen Stellenwert der Bund-Länder-Städtebauförderung. Sie zielt darauf ab, dass der Bund ab 2018 jährlich mindestens eine Milliarde Euro für die Städtebauförderung zur Verfügung stellt. Zudem würdigt sie die erfolgreichen Programme der Städtebauförderung (Soziale Stadt, Stadtumbau, Städtebaulicher Denkmalschutz, Aktive Stadt und Ortsteilzentren, Kleinere Städte und Gemeinden, Zukunft Stadtgrün), die mit ihren unterschiedlichen Profilen städtebaulichen, sozialen und funktionellen Missständen entgegenwirken.

Die Bauministerkonferenz bekräftigt damit ihre langjährige Haltung, dass die Städtebauförderung für die Quartiersentwicklung von besonderer Bedeutung ist, um auf die Herausforderungen der demografischen Entwicklung, die fortschreitende Digitalisierung sowie den wirtschaftlichen und strukturellen Wandel reagieren zu können. Soziale Infrastrukturen können so ausgebaut und Versorgungsstrukturen in den Stadtteilen gestärkt werden.

Zugleich betont die Wittenberger Erklärung, wie wichtig die Städtebauförderung für den ländlichen Raum ist: Mehr als 50 Prozent der Städtebaufördermittel kommen dort zum Einsatz. Für viele Flächenländer ist dafür das Programm "Kleinere Städte und Gemeinden" bedeutend. Auch das erfolgreiche Programm "Aktive Stadtund Ortsteilzentren" wird von der Bauministerkonferenz hervorgehoben. Dieses Programm spielt auch in Städten wie Hamburg eine große Rolle. Es dient der Stabilisierung und Aufwertung von Versorgungszentren in den Stadtteilen.

Bezahlbares Wohnen und Bauland als Gemeinschaftsaufgaben

Die Bauminister der Länder vertreten die Auffassung, dass die Sicherung des bezahlbaren Wohnens in Deutschland auch im kommenden Jahrzehnt eine Aufgabe ist, der sich Bund, Länder und Kommunen gemeinsam widmen müssen. Dieses Ziel ist in der Wittenberger Erklärung formuliert. Das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen auf Bundesebene soll unbedingt fortgesetzt werden. Um die soziale Wohnraumversorgung in allen Regionen des Landes dauerhaft zu sichern, ist nach Ansicht der Bauministerkonferenz erforderlich, dass der Bund prüft, wie auch nach 2019 eine Förderung des sozialen Wohnungsbaus durch den Bund möglich ist.

Nicht zuletzt durch die hohen Zuwanderungszahlen der letzten Jahre ist der Bedarf, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, in vielen Regionen deutlich gestiegen. Fördermittel sollen schwerpunktmäßig in die Regionen fließen, in denen der Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum auf Grundlage objektiver Kriterien am größten ist.

Die Bereitstellung von erschwinglichem Bauland ist eine wesentliche Voraussetzung, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Bund, Länder und Kommunen müssen daher gemeinsam eine aktive Liegenschaftspolitik betreiben. Insbesondere können Liegenschaften des Bundes und der Länder selbst eine wichtige Rolle spielen. Die Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, ausreichend Flächen für den Neubau von Mietwohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindungen zur Verfügung zu stellen. Hierfür wäre es wichtig, dass der Bund die rechtlichen Grundlagen schafft, um Bundesliegenschaften für den sozialen Wohnungsbau dauerhaft vergünstigt abgeben zu können.

Ökologisches und wirtschaftliches Bauen

"Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und bezahlbares Wohnen dürfen kein Widerspruch sein", so heißt es in der Wittenberger Erklärung. Hintergrund ist eine bereits mehrjährige Diskussion zum Energiesparrecht im Gebäudebereich, in der die Positionen der Bau- und Umweltseite nach wie vor weit auseinander liegen. Die Umweltseite legt den Schwerpunkt auf den Klimaschutz im Gebäudebereich. Hohe Anforderungen an die Dämmung der Gebäudehülle und die Effizienz der technischen Anlagen (beispielsweise Heizung oder Lüftung) führen jedoch zu steigenden Baukosten. Die Bauministerkonferenz hat ihrerseits bereits wiederholt betont, dass energetische Standards festgelegt werden müssen, die bezahlbar sind und das Bauen nicht verteuern. Gemeinsames Ziel muss es sein, eine hohe Klimaeffizienz ohne zusätzliche Baukosten zu erreichen.

Konkret geht es um die Definition der künftigen Standards für Wohngebäude und Nichtwohngebäude. Die EU verpflichtet ihre Mitgliedsstaaten, den sogenannten Niedrigstenergiegebäudestandard für Nichtwohngebäude bis Ende 2018 festzulegen. Für die übrigen Gebäude muss dies bis 2020 geschehen. Es muss ein energetisches Niveau gefunden werden, das einen großen Beitrag zum Klimaschutz erzeugt, gleichzeitig in der Baupraxis sinnvoll umgesetzt werden kann und wirtschaftliche und technologieoffene Lösungen ermöglicht, die den Wohnungsbau nicht verteuern. Darüber hinaus geht es darum, die komplexen Berechnungsverfahren strukturell zu vereinfachen.

Die Zeit für eine neue Vorschrift drängt

Der Bund hat hierzu bereits mehrere Gutachten vorgelegt und weitere beauftragt. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass durch die Vielzahl von Gutachten die Regelungen nicht zu komplex und kleinteilig werden. Das würde die Handhabbarkeit in der Praxis nicht erleichtern und damit eher zu einer Verteuerung denn zu einer Verbilligung führen. Da sich das Verfahren bereits lange hinzieht und die Zeit drängt, hat die Bauministerkonferenz die Bundesregierung gebeten, zeitnah einen Entwurf für eine neue Vorschrift vorzulegen und den Ländern die Möglichkeit einer inhaltlichen Diskussion vor einer Beschlussfassung der Bundesregierung zu eröffnen.

Neben der Wittenberger Erklärung war auf der Bauministerkonferenz 2017 der Tagesordnungspunkt zum Wohngeld von besonderer Bedeutung. Hier ging es im Kern um zwei Themen: eine Klimakomponente im Wohngeld und eine Dynamisierung des Wohngeldes. Die Bundesregierung hat in ihrem Aktionsprogramm "Klimaschutz 2020" beschlossen, die Erweiterung des Wohngelds um eine Klimakomponente zu prüfen.

Wohngeld: Forderung nach Klimakomponente ...

Hintergrund ist, dass die Kosten energetischer Modernisierungen von Wohnungen, die zur Erreichung der Klimaziele verstärkt vorangetrieben werden, Steigerungen der Nettokaltmieten zur Folge haben. Diese Kostensteigerungen für die Mieter sind größer als die Einsparungen durch geringere Energiekosten. Entscheidend ist diese Problematik vor allem für einkommensschwache Haushalte und Grundsicherungsempfänger, die auf ein bezahlbares niedriges Mietenniveau angewiesen sind.

Die vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im April 2017 herausgegebene Studie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es über die Einführung einer Klimakomponente möglich ist, den energetischen Sanierungsstandard angemessen im Rahmen des Wohngeldes zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund hat sich die Bauministerkonferenz mit Zustimmung Hamburgs in großer Mehrheit für die Einführung einer Klimakomponente im Wohngeld ausgesprochen und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gebeten, die Einführung und Ausgestaltung einer Klimakomponente auf Grundlage der Vorschläge der Studie in enger Abstimmung mit den Gremien der Bauministerkonferenz weiter zu prüfen sowie ein praktikables und verwaltungseinfaches Verfahren zum Nachweis des Energiestandards zu entwickeln.

... und Dynamisierung

Auf Initiative der SPD-geführten Länder sprach sich die Bauministerkonferenz zusätzlich für die Dynamisierung des Wohngeldes aus. Zwar ist durch die Wohngeldreform 2016 dem Anstieg der Mietenkosten durch die Anhebung der Höchstsätze und Tabellenwerte Rechnung getragen worden. Die Berücksichtigung ist aber einmalig und statisch. Unregelmäßige Anpassungen des Wohngeldes führen zwar kurzfristig dazu, dass Leistungsempfänger aus der Sozialhilfe beziehungsweise Grundsicherung in das Wohngeld wechseln.

Bei sich ändernden Lebenssachverhalten (Mietpreissteigerungen, Änderungen der jährlichen Regelsatzanpassungen ...) fallen diese häufig wieder in die Sozialhilfe beziehungsweise Grundsicherung zurück. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass der Realwert des Wohngelds durch eine dynamische Anpassung des Wohngeldes an die Mietkostenentwicklung grundsätzlich und langfristig gesichert werden kann.

Ein positives Resümee

Die diesjährige Bauministerkonferenz war ein voller Erfolg, da die 16 Länder ihre Erwartungen und Kernforderung im Bereich Städtebau, Bau- und Wohnungswesen deutlich formuliert haben. Gemeinsam haben sie der neuen Bundesregierung klare Aufgaben mitgegeben und deutlich gemacht, dass eine besondere Verantwortung des Bundes an der zukünftigen sozialen Entwicklung von Städten und Quartieren besteht.

Großer Dank gebührt dem Gastgeber, Sachsen-Anhalts Landesentwicklungsminister Thomas Webel, der die Bauministerkonferenz mit einem interessanten Rahmenprogramm, inklusive Luther-Stadtführung, Empfang bei Oberbürgermeister Torsten Zugehör und einem Besuch der Schlosskirche, willkommen geheißen hat. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der diesjährigen Bauministerkonferenz haben einen spannenden Einblick in die Geschichte der Lutherstadt sowie die jüngere Stadtentwicklungspolitik in Wittenberg bekommen.

DIE AUTORIN Dr. Dorothee Stapelfeldt, Senatorin, Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Hamburg
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