Leitartikel

Wohngeld - freut's die Investoren?

Es ist eine typisch deutsche Eigenschaft, alles irgendwie und irgendwo verlässlich geregelt haben zu wollen. Wer das vergessen haben sollte, dem kann empfohlen werden, einmal einen Blick in das Merkblatt "Wohngeld 2006 - Ratschläge und Hinweise" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu werfen. Auf stolzen 44 Seiten präsentiert sich der ureigene bundesdeutsche Dschungel aus Regelungen samt Ausnahmen, Detailerklärungen, unzähligen Definitionen (von der Haushaltszugehörigkeit bis zu Familieneinkünften), Tabellen (zum Mietniveau oder zu Einkommensgrenzen) sowie zahlreichen Beispielrechnungen. Das alles ist sicherlich gut gemeint, verfehlt seine Wirkung der Abschreckung auf alle Wohngeldinteressierten aber nicht.

Wer sich dennoch durch den sperrigen Jargon kämpft, erfährt Folgendes: Der Zuschuss soll - immer noch - einkommensschwachen Mietern von Wohnungen (Mietzuschuss) oder selbstnutzenden Eigentümern von Wohnungen oder Häusern (Lastenzuschuss) helfen. Der durchschnittliche monatliche Wohngeldanspruch betrug im Jahr 2005 den Statistiken des Ministeriums zufolge etwa 95 Euro, im Jahr 2004 waren es noch rund 110 Euro.

Der Rückgang ist nicht etwa auf die allseits bekannten Sparmaßnahmen der Bundesregierung zurückzuführen, sondern auf Neuerungen im Zuge der Hartz IV-Reform: Die Empfängerstruktur des Wohngeldes hat sich verändert und die eher bedürftigere Klientel ist zum ALG II abgewandert. Das zeigen auch folgende Zahlen: Das durchschnittlich angerechnete Gesamteinkommen hat sich zwischen 2004 und 2005 von 664 Euro auf 768 Euro erhöht, die durchschnittliche Miete stieg in dieser Zeit von 332 auf 352 Euro. Zugleich hat sich die Zahl derer erhöht, deren tatsächliche Miete die Höhe des Zuschusses übersteigt: 2004 waren das nur 52 Prozent der Empfänger, 2005 schon 57 Prozent und im vergangenen Jahr 62 Prozent.

Weitere signifikante Veränderungen: Seit Januar 2005 haben die sogenannten Transferleistungsempfänger, also zum Beispiel Langzeitarbeitslose, auf Wohngeld keinen Anspruch mehr. Ihre Unterkunftskosten werden als "Leistungen für Unterkunft und Heizung (LfU)" berücksichtigt und von den Kommunen übernommen. Im Dezember 2006 wurden durchschnittlich etwa 300 Euro LfU pro Bedarfsgemeinschaft ausgezahlt. Die gesamten Kosten sind enorm: Nach vorläufigen Daten der Bundesagentur für Arbeit haben die Kommunen im Jahr 2006 etwa 13,65 Milliarden Euro für die LfU ausgegeben, der Bund hat vier Milliarden Euro dazugeschossen. Das heißt aber auch, dass mit Einführung von Hartz IV die Höhe des ausgezahlten Wohngeldes und die Anzahl seiner Empfänger gesunken ist: Wurden 2004 noch 5,2 Milliarden Euro an etwa 3,5 Millionen Empfänger ausgezahlt, waren es 2005 rund 1,2 Milliarden Euro an gut 800000 Empfänger.

Das alles hat fürderhin nicht mehr viel gemein mit dem als Ergänzung zum sozialen Wohnungsbau konzipierten Wohngeld der deutschen Nachkriegszeit. Wir erinnern uns: Im Jahre 1955 wurde der Zuschuss von Minister Preusker als Mietbeihilfe eingeführt, um einige Probleme des sozialen Wohnungsbaus abzumildern. Dieser wurde und wird bis heute wegen seiner zu geringen sozialen Treffsicherheit kritisiert. Oft genug bleiben die Antragsteller lange Zeit auf einer Warteliste für Sozialwohnungen hängen. Das resultiert zum einen daraus, dass nicht genügend Wohnraum dieser Art vorhanden ist, zum anderen trug lange Zeit eine eher laxe Kontrollpolitik dazu bei, dass jeder dem einmal eine solche Wohnung zugewiesen worden war, darin wohnen bleiben durfte. Selbst für den Fall, dass ein Antragsteller einen Tag nach der Bewilligung einen gut dotierten Job antreten konnte - seine Unterkunft blieb ihm sicher. Dem sollte das Wohngeld entgegenwirken. Es muss alle zwölf Monate neu beantragt werden und soll, so das hehre Ziel, die Empfänger befähigen, "normale" Wohnungen zu bezahlen und somit zu größerer sozialer Gerechtigkeit und zur Schaffung stabiler und durchmischter Bewohnerstrukturen beitragen.

Der Zuschuss und die Kostenübernahme LfU hätten auf dem Wohnungsmarkt eine stabilisierende Funktion, heißt es, da Bevölkerungsgruppen, die aus eigenen Mitteln kaum Geld für eine Unterkunft ausgeben können, als Nachfrager weiterhin aktiv blieben. Für die Wohnungsbaugesellschaften ist das ein neuer Aspekt, bedeutet es doch, dass man dank öffentlicher Finanzierung auch Wohnraum von minderer Qualität weder abreißen noch teuer sanieren muss. Auch solche Bestände können noch einige Zeit genutzt werden.

Und so scheint doch auch für die Bezieher von Wohngeld und LfU zu stimmen, was bis 2004 noch für Sozialhilfeempfänger und Asylbewerber galt: Sie sind eine relativ sichere Klientel. Das kann in Zeiten, in denen Wohnungen längst zur Handelsware verkommen sind, natürlich eine Rolle spielen. 40 Prozent aller Städte und Gemeinden planen nach einer aktuellen Erhebung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers eine Reduktion ihres Immobilienbestandes. Allein in Hessen stehen in Kürze etwa 65000 Wohneinheiten, in Nordrhein-Westfalen weitere 100000 zum Verkauf. Ist das ehemals sozialorientierte Wohngeld mittlerweile zum schnöden betriebswirtschaftlichen Nutzen für externe Investoren, die in der Regel noch dazu aus dem Ausland stammen, geworden?

Dass sich wohnungswirtschaftliche Verbände und Unternehmen zu diesem zugegebenermaßen heiklen Thema ausgesprochen bedeckt halten, verwundert nicht. Wer über Wohngeld und LfU spricht, kann politische Stellungnahmen kaum vermeiden und politisch korrekt zu bleiben, fällt dabei schwer. Denn wer etwas über die Bezieher zu sagen hat, spricht entweder von sicheren Mietzahlern oder von latenten Zahlungsverweigerern und erhöhtem Verwaltungsaufwand.

Da mag ein größerer Anteil von Wohnungen mit staatlicher Bezuschussung für einen Investor durchaus eine Rolle spielen, wenn auch sicherlich nicht die ausschlaggebende. Allerdings bleibt festzuhalten: Je professioneller der Vermieter und je größer der verwaltete Bestand, desto geringer fällt es ins Gewicht, dass ein Teil der Klientel vielleicht wirklich einmal einen höheren Verwaltungsaufwand erfordert. bs

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