MARKT- UND OBJEKTBEWERTUNG

DIGITALE ENTWICKLUNGEN ZUR ADRESSGENAUEN MARKTEINSCHÄTZUNG DER MAKRO- UND MIKROLAGE

Theda Lemke-Peuna, Foto: vdpResearch

Für die Ermittlung von Markt- und Beleihungswerten ist eine Betrachtung der allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt sowie der Grundstückszustand1) unerlässlich. Diese häufig auch als Makro- und Mikrolage bezeichneten Eigenschaften spielen in der Bewertung eine herausragende Rolle. So beschreibt die Makrolage mithilfe soziodemografischer und wirtschaftlicher Kennziffern die allgemeinen Verhältnisse auf einem regionalen Markt. Die Mikrolage dagegen beschreibt das nähere Umfeld der Immobilie, zum Beispiel anhand der Nähe zu Bildungseinrichtungen. Da diese Faktoren regional sehr unterschiedlich sind, sich dynamisch verändern und häufig erst im Zusammenspiel mit weiteren Kriterien vollumfänglich interpretiert werden können, kann eine digitalisierte Markteinschätzung laut Autorin eine schnelle und genaue Einordnung der Immobilie ermöglichen und den Rechercheaufwand für Gutachter signifikant reduzieren. Red.

Die Bewertung von Immobilien erfolgt mittels geeigneter Wertermittlungsverfahren und auf Basis der gesetzlichen Verordnungen wie der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) oder der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV). Egal, welches der drei in Deutschland üblichen Verfahren zur Wertermittlung2) gewählt wird, basieren letztendlich alle Optionen auf dem Vergleich mit anderen geeigneten Parametern, wie der Vergleichsmiete oder Lagefaktoren.

Mehr als nur Beiwerk

Durch den digitalen Fortschritt, aber auch durch einen verstärkten Zeit- und Margendruck aufseiten der Finanzinstitute hat sich der Bewertungsprozess in den vergangenen Jahren verändert. Das Jahr 2020 hat darüber hinaus gezeigt, dass digitale Lösungen auch in der Immobilienbranche nicht nur nettes Beiwerk, sondern unabdingbar sind. Die aktuelle Lage erfordert zwangsläufig eine beschleunigte Digitalisierung der Arbeitsprozesse - die sicherlich auch nach Ende der Corona-Pandemie Bestand haben wird.

So kommen digitale Anwendungen in der Immobilienbewertung schon länger verstärkt zum Einsatz und ermöglichen eine schnellere und teilautomatisierte Lage- und Werteinschätzung von Einzelobjekten. Nichtsdestoweniger ist und bleibt die Expertise der Gutachter zentral für die Immobilienbewertung und ihre adäquate Einschätzung von Objekten ist nicht zu ersetzen. Digitale Anwendungen können im Bewertungsprozess allerdings unterstützen, Recherchezeit reduzieren und innerhalb kürzester Zeit eine Auswahl von relevanten Indikatoren zur adressgenauen Lageauswertung aufbereiten. Zusätzlich werden Gutachter in die Lage versetzt, durch eine geeignete Verdichtung dieser Informationen ihre Entscheidungen fundiert ableiten zu können.

Interaktive Datenaufbereitung durch Geoinformationssysteme

In den vergangenen Jahren wurden verstärkt Lösungen entwickelt, die die großen Datenmengen zum deutschen Immobilienmarkt digital auswerten und - teilweise visualisiert - bereitstellen. Hierbei kamen verstärkt auch webbasierte Geoinformationssysteme (kurz Web-GIS) zum Einsatz, die einen deutschlandweiten Überblick zu Markt- und Preisdaten geben können und einen Vergleich zwischen kleineren regionalen Einheiten ermöglichen.

vdpResearch etwa hat ein solches Marktinformationssystem entwickelt, das deutschlandweit die Makrolage darstellt und darüber hinaus mehrere Anwendungsfenster enthält, in denen verschiedene soziodemografische und wohnwirtschaftliche Indikatoren angezeigt werden. Über eine Karte können Regionen auf Kreisbasis angewählt werden, die Grafiken sind interaktiv und werden dynamisch für den ausgewählten Landkreis oder die ausgewählte Stadt angepasst. Während die GIS-Anwendung vor allem eine schnelle Makrolageneinschätzung ermöglicht, geht es im konkreten Bewertungsfall darum, eine Immobilie "auf den Punkt" einzuschätzen. Hierfür werden sowohl Kennziffern der Makro- als auch der Mikrolage benötigt. Darüber hinaus benötigen Immobiliensachverständige die Informationen für das Tagesgeschäft in der Regel in tabellarischer Form aufbereitet.

Tabellarischer Überblick und Indikatorenvergleich

Eine solche Anwendungslösung kann eine Webanwendung sein, die mithilfe von Adresseingabe eine genaue Lageeinschätzung generiert und anschließend als PDF-Bericht ausgibt. Hierbei wird der eingegebenen Adresse eine Koordinate und anschließend eine geeignete regionale Vergleichseinheit zugeordnet. So wird der zugehörige Landkreis oder die kreisfreie Stadt automatisiert ausgewählt und dar gestellt.

Die Berichte sind aus detaillierten Datentabellen, Grafiken und Kartenausschnitten aufgebaut und ermöglichen eine schnelle und umfassende Beurteilung der Makro- und Mikrolage des zu bewertenden Objekts. Hierbei wird der jeweilige Bericht nach Kategorien getrennt erstellt, so werden am Anfang die allgemeinen Wirtschaftsindikatoren zu den Bereichen "Demografie", "Arbeitsmarkt" und "Wirtschaft" und nachfolgend die Parameter je nach ausgewählter Objektart, zum Beispiel "Wohnen", ausgegeben. Die Datenblätter zu den Objekttypen stellen Indikatoren nach Marktbereichen zusammen, sodass jeweils die Nachfragesituation, das Angebot und das Marktergebnis anhand geeigneter Kennzahlen dargestellt werden kann.

Tabellarische Datenblätter ermöglichen eine detaillierte Analyse und bieten eine Vielzahl spezifischer Indikatoren im Bereich Sozioökonomie und Wirtschaft zum Vergleich. So werden Parameter wie zum Beispiel die Einwohnerzahl, Beschäftigtenzahlen oder das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf tabellarisch dargestellt. Hierbei wird auf der einen Seite die zeitliche Entwicklung der Kennzahlen über die vergangenen vier Jahre und gegebenenfalls auch die Prognosewerte für das laufende und das kommende Jahr angegeben. Als Erweiterung zu der zeitlichen Entwicklung wird ebenfalls ein Vergleich mit mehreren geeigneten regionalen Einheiten erstellt.

Regionales Benchmarking und Einordnung

Dieser Vergleich ermöglicht ein regionales Benchmarking und die Einordnung, wie der ausgewählte Kreis im Vergleich zu ähnlich strukturierten regionalen Einheiten oder im Vergleich zu größeren Einheiten wie dem zugehörigen Bundesland abschneidet und unterstützt so die Gutachter bei der Risikoeinschätzung des regionalen Marktes. Die grafische Darstellung ausgewählter Indikatoren ergänzt die Tabellenblätter, um einen kompakten Überblick über die Entwicklung entscheidender Größen zu bekommen. Ebenfalls sind bei der Visualisierung zeitlicher Verlauf und regionaler Vergleich gegenübergestellt.

Abschließend wird zurzeit jeder Bericht durch zwei Kartendarstellungen vervollständigt. Neben der Makrolageeinschätzung anhand von Datenblättern und Diagrammen bietet die Verwendung eines GIS die Möglichkeit, eine Mikrolageeinschätzung der angegebenen Adresse vorzunehmen. So können raumbezogene Informationen, die für die Einschätzung der Mikrolage entscheidend sind, im GIS erfasst und analysiert werden und über eine Kartendarstellung visualisiert werden. Dazu zählen sogenannte Points of Interests (POI), also Punkte in der unmittelbaren Umgebung der Immobilie, die die Mikrolage entscheidend beeinflussen, wie zum Beispiel Punkte des öffentlichen Personennahverkehrs oder der Nahversorgung.

Reduzierter Aufwand dank API

Über Karten unterschiedlicher Maßstäbe lassen sich die unmittelbare Objektumgebung und zugehörige POI ebenso anzeigen wie die regionale Lage und die Entfernung zum nächsten Ballungszentrum. Genauso wie bei der Wahl der Schnittstelle zum Kunden und der Ausgabeform als Datenpaket, Excel- oder PDF-Dokument lässt sich auch die Auswahl und die Anzeige der Objektdaten, Grafiken und Kartendaten je nach spezifischen Anforderungen anpassen.

Die Abfrage und die Lieferung der Daten ist grundsätzlich über mehrere Schnittstellen möglich, wobei die Anforderungen und Systemvoraussetzungen des Kunden entscheidend sind. So ist in der Weiterentwicklung der automatisierten Lageberichte angedacht, den Datentransfer über weitere sogenannte Programmierschnittstellen (englisch API, kurz für "application programming interface") zu ermöglichen. Der Vorteil einer API-Lösung ist, dass die Anwendung in das Kundensystem integriert werden kann und keine zusätzliche Anwendung notwendig wird.

Des Weiteren wird der Aufwand der manuellen Datenübertragung reduziert und die Daten können direkt ins Kundensystem gespielt werden. Anstatt einer Webanwendung und dem Ausgabeformat in Tabellenform würde in diesem Beispiel sowohl die Adressabfrage als auch der Datentransfer des fertigen Lageberichts direkt über die ins Kundensystem integrierte Programmierschnittstelle erfolgen.

Form der Datenlieferung ist entscheidend

Ebenso wie in das Marktinformationssystem fließen in die Lageberichte Daten aus mehreren Quellen ein. Hierbei sind hauptsächlich amtliche und halbamtliche Statistiken sowie Daten aus der vdpResearch-eigenen Transaktionsdatenbank (TADB) zu nennen. Diese enthält detaillierte Informationen zu Preisen und Mieten von über 700 einliefernden Banken. Soziodemografische und wirtschaftliche Kennzahlen lassen sich zusätzlich durch Informationen zu Hochwasserrisiken und Prognosen für die kommenden Jahre ergänzen.

Die Daten werden regelmäßig überprüft und laufend aktualisiert. Die entwickelte Anwendung ist darüber hinaus flexibel anpassbar und kann mit zusätzlichen Daten und Kenn zahlen ergänzt werden, um die Lageeinschätzung weiter zu optimieren.

Die Bewertung von Immobilien ist immer eine Einzelfallbetrachtung und rechtlich streng geregelt. Durch die Nutzung von statistischen Verfahren, Geoinformationssystemen und die Datenbereitstellung über geeignete Programmierschnittstellen kann die Erstellung von Bewertungsgutachten effektiv unterstützt werden. Letztendlich geht es auch bei der Digitalisierung in der Immobilienbranche darum, dass digitale Lösungen nicht Mittel zum Zweck sind, sondern die Gutachter in ihrer Arbeit unterstützen und den Aufwand reduzieren.

Dementsprechend ist die Form der Datenlieferung entscheidend und sollte im besten Fall reibungslos in das Kundensystem integriert werden. vdpResearch bietet mehrere Lösungen an, die Lagedaten sowohl visualisiert über GIS-Anwendungen oder in Lagereports mit Datentabellen und Grafiken bereitstellen.

Das Ziel ist hierbei, die Produkte zukünftig so weiterzuentwickeln, dass effiziente Markt- und Lageberichte generiert werden und durch verbesserte Schnittstellen der Reibungsverlust beim Datentransfer möglichst minimiert wird. Damit wird der Gutachter in die Lage versetzt, eine schnelle, fundierte Einschätzung zum regionalen Immobilienmarkt und zur Standortqualität abzugeben und eine gut begründete Entscheidung auf Basis einer validen Datengrundlage zu treffen.

Fußnoten

1) Dies steht prominent im § 2 der ImmoWertV, der die Grundlagen der Wertermittlung beschreibt. Ferner muss das Gutachten laut § 5 Absatz 3 der BelWertV "zur Objekt- und Standortqualität, zum regionalen Immobilienmarkt, zu den rechtlichen und tatsächlichen Objekteigenschaften und zur Beleihungsfähigkeit des Objekts, seiner Verwertbarkeit und Vermietbarkeit Stellung nehmen".

2) Ertragswertverfahren, Vergleichswertverfahren oder Sachwertverfahren.

DIE AUTORIN THEDA LEMKE-PEUNA Referentin Immobilienmarktanalyse, vdpResearch GmbH, Berlin
Theda Lemke-Peuna , Referentin Immobilienmarktanalyse, vdpResearch GmbH, Berlin
Noch keine Bewertungen vorhanden


X