Wohnungswesen

Die Energiewende braucht Förderung

Jörg Zeuner

Lohnt der Aufwand, Bestandsgebäude aufwendig energetisch zu sanieren? Der Autor meint, ja. Und das diene nicht nur der Erreichung der Klimaziele, sondern würde darüber hinaus der gesamten Wirtschaft einen Wachstumsschub geben. Einen wesentlichen Beitrag leisten die EBS-Programme der KfW Bankengruppe. Aufgrund der besonderen Konstellation - Förderung beschäftigungsintensiver heimischer Wertschöpfung zulasten kapitalintensiver importlastiger Güter - ergeben sich sichtbar positive Wirkungen auf die Bruttowertschöpfung und die Beschäftigung durch die geförderten Maßnahmen. Dass der Autor für eine Erhöhung der Förderung plädiert ist sicherlich den Fakten geschuldet, nutzt aber natürlich auch dem eigenen Haus. Red.

Die Energiewende hat drei zentrale Ziele bis 2050: Der deutsche Primärenergieverbrauch soll halbiert werden, die erneuerbaren Energien sollen 60 Prozent des verbleibenden Endenergieverbrauchs decken, in der Folge sollen die deutschen CO2-Emissionen um 80 bis 95 Prozent fallen. Der Zustand des deutschen Gebäudebestands in 2050 wird mit darüber entscheiden, ob die Energiewende ein Erfolg wird. Auf ihn entfallen heute rund 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland.

Die Energiewende erfordert bis 2020 jedes Jahr zusätzliche Investitionen in der Größenordnung von rund 40 Milliarden Euro, um die Zwischenziele zu erreichen. Davon entfällt rund die Hälfte auf Großprojekte, etwa auf den Bau von Windparks oder Stromtrassen. Die andere Hälfte des Geldes wird für viele kleine Investitionen benötigt, die Energie einsparen, vor allem im Gebäudebestand. Die KfW fördert die Energiewende seit Beginn. Das inländische Zusagevolumen im Umweltbereich ist seit 2010 stark gestiegen (2013: 22 Milliarden Euro). Die Finanzierung von Energieeffizienzinvestitionen im Gebäudebestand ist ein wesentlicher Bestandteil davon. Seit 2006 wurden über die KfW-Programme "Energieeffizient Bauen und Sanieren (EBS)" Energieeffizienzinvestitionen in rund 3,5 Millionen Wohneinheiten gefördert, von Einzelmaßnahmen wie Heizungsanlagen, Fenstern oder Dachdämmungen bis hin zu Komplettsanierungen, im Neubau wie in der Sanierung des Bestands, für Selbstnutzer wie für Vermieter.

Förderung leistet wesentlichen Beitrag

KfW Kunden bekommen dafür günstige Kreditkonditionen und/oder Zuschüsse, die aus Bundesmitteln finanziert werden. Die geförderten Investitionen in diesen Programmen beliefen sich 2013 auf rund 34 Milliarden Euro; jeder zweite Wohnungsneubau wurde mit KfW-Förderung energieeffizient gebaut. Der Bund stellte 2013 für die Finanzierung von EBS 1,8 Milliarden Euro zur Verfügung, Tendenz steigend. In Deutschland und Europa ist das EBS damit derzeit wohl das bedeutendste Förderinstrument für Energieeinsparinvestitionen im Gebäudebereich, begleitet von einem umfangreichen Qualitätssicherungssystem.

Der Beitrag der EBS-Programme zur Energiewende ist wesentlich. Allein die Förderfälle 2013 trugen 20 Prozent zur jährlich notwendigen Reduktion des Wärmebedarfs im Gebäudebereich bei. Im Haushaltssektor realisierte EBS somit mehr als 30 Prozent der für die Energiewende notwendigen jährlichen CO2-Minderungen. Die geförderten Neubauten haben darüber hinaus zu gut 40 Prozent eine Solaranlage; zu 60 Prozent heizen sie mit einer Wärmepumpe oder Biomasse. Der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz der Bundesregierung (NAPE) sieht vor, dass Immobilienbesitzer Investitionen in die Sanierung ihrer selbstgenutzten Häuser und Wohnungen in Zukunft alternativ steuerlich absetzen können. Das könnte den Energieeffizienzinvestitionen zusätzlichen Auftrieb geben. Der Weg zum Erfolg der Energiewende ist aber noch lang, auch in der Gebäudesanierung. Etwa zwei Drittel der deutschen Wohngebäude sind älter als 35 Jahre und zu großen Teilen in einem schlechten energetischen Zustand. Die Sanierungsrate von derzeit unter einem Prozent pro Jahr muss noch deutlich steigen, wenn die Energiewende zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden soll.

Nutzen von energieeffizientem Bauen

Dafür braucht es weiterhin Förderung. Jährlich evaluieren unabhängige Forschungsinstitute für die KfW die volkswirtschaftlichen Fördereffekte der EBS-Programme. Die Ergebnisse sprechen für sich, zunächst bezogen auf Sanierungsmaßnahmen:

- Im letzten Jahr wurden über 100 000 Förderzusagen für Maßnahmen an rund 276 000 Wohnungen erteilt. Gefördert wurden sowohl Einzelmaßnahmen und Maßnahmenkombinationen als auch Komplettsanierungen zu einem KfW-Effizienzhausstandard. Davon profitieren der Sanierer, die Umwelt sowie die Wirtschaft.

- Die Endenergieeinsparung beträgt rund 1 700 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr.

- Daraus resultieren Heizkostenersparnisse über die Nutzungsdauer von 6,2 Milliarden Euro (Barwert über 30 Jahre). Für das Jahr 2014 ergibt sich demnach eine Heizkostenersparnis von durchschnittlich rund 740 Euro pro Wohneinheit.

- Die Maßnahmen zur energetischen Sanierung aus dem Jahr 2013 sichern beziehungsweise schaffen neue 79 000 Arbeitsplätze für ein Jahr; davon profitiert insbesondere der Mittelstand.

- Nach einer breit angelegten Studie der EU-Kommission für sechs Länder erhöht die energetische Sanierung den Marktwert einer Immobilie signifikant um 3 bis 4 Prozent pro erzielter Effizienzstufe im Energieausweis.

Ein erneuter Blick auf die klimapolitische Bilanz zeigt, dass allein die Zusagen für energetische Sanierungen im Jahr 2013 eine dauerhafte, jährliche Minderung der Treibhausgase von etwa 650 000 Tonnen CO2e (CO2-Äquivalente mit Vorketten) ermöglichten. Die insgesamt seit Beginn der Evaluierungen von EBS erreichten Treibhausgasminderungen zeigt Abbildung 1. Seit 2005 summiert sich die Gesamtwirkung der geförderten Modernisierungsvorhaben einschließlich der Förderfälle 2013 auf 5,4 Millionen Tonnen CO2e pro Jahr.

Im Neubau förderte die KfW im Jahr 2013 über 80 000 Neubauvorhaben mit rund 129 000 Wohnungen. Aufgrund der zugrunde gelegten Förderkriterien muss in allen Fällen ein deutlich höheres Anforderungsniveau als die gesetzlichen Mindestvorgaben gemäß der Energieeinsparverordnung (EnEV) erreicht werden. Die Effekte - immer gemessen als Übererfüllung des gültigen EnEV-Neubaustandards als Referenzfall - sind auch im Neubau erfreulich:

- Die Endenergieeinsparung der Neubau-Förderfälle 2013 beläuft sich auf etwa 340 GWh pro Jahr.

- Daraus resultieren über die Nutzungsdauer Heizkostenersparnisse von 1,2 Milliarden Euro (Barwert über 30 Jahre).

- Die Wirtschaft profitiert von den geförderten Neubauten durch die (für ein Jahr) gesicherten beziehungsweise neu geschaffenen 341 000 Arbeitsplätze.

Die klimapolitische Bilanz des Zusagejahrgangs 2013 weist dauerhafte Treibhausgasminderungen von rund 94 000 Tonnen CO2e pro Jahr aus. Analog zu Abbildung 2 sind nachstehend auch die Treibhausgasminderungen der seit 2006 geförderten Neubauten dargestellt. Im Jahr 2014 kumuliert sich der Effekt der Förderjahre 2006 bis 2013 zu einem Gesamtwert von rund 690 000 Tonnen CO2e pro Jahr.

Die volkswirtschaftliche Analyse von EBS ist komplex und immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Dennoch versuchen verschiedene Institute der Frage nachzugehen, welche volkswirtschaftlichen Auswirkungen eine Steigerung der jährlichen (Voll-)Sanierungsrate bei Wohngebäuden von einem Prozent auf zwei Prozent hätte. Die Ergebnisse machen Mut. Das DIW betrachtet beispielsweise in seiner Studie den gesamten Wohngebäudebestand bei einer Verdopplung der Sanierungsrate. Prognos untersucht die Wachstumswirkungen von EBS bis 2050. Im Ergebnis zeigt sich bei allen ernsthaften Studien zum einen ein deutlicher Einfluss der Investitionen auf die deutsche Bruttowertschöpfung.

Wachstumsimpuls und Risikoschutz

Zudem werden Energiekosten in enormer Höhe eingespart - höher als die energiebedingten Mehrkosten der Investitionen - und Arbeitsplätze geschaffen. Die aktive Energiewendepolitik kann ferner positive Innovationswirkungen induzieren. Bei Gebäuden zeigen sie sich darin, dass die deutsche Industrie in der Sanierungstechnologie eine dominante Stellung einnimmt. Von den zwischen 2006 und 2012 am Europäischen Patentamt angemeldeten Patenten zur Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden entfällt fast jedes vierte auf Deutschland. Ein weiterer volkswirtschaftlicher Effekt darf nicht übersehen werden: Sanierungen tragen auch dazu bei, eine Volkswirtschaft vor Risiken zu schützen. Exemplarisch dafür sind der Schutz vor unsicheren Energiepreisen und Versorgungsunterbrechungen, beides wichtige Faktoren im Standortwettbewerb. Die Gebäudesanierung hilft auch, den Gebäudebestand rechtzeitig gegen die regionalen Folgen des Klimawandels, die im Wesentlichen bereits bekannt sind (Hitze, Regen), zu schützen.

Die Förderung der Energiewende durch die KfW-Programme "Energieeffizient Bauen und Sanieren (EBS)" - unter Einsatz von Bundesmitteln - ist eine Erfolgsgeschichte. Die gezielte Bereitstellung von Fördermitteln für energieeffizientes Wohnen stößt notwendige energierelevante Investitionen an. Derzeit erreicht die KfW damit jeden zweiten Neubau in Deutschland und seit 2006 wurden insgesamt rund 3,5 Millionen Wohneinheiten gefördert. So trägt Förderung wesentlich zu den Zielen der Energiewende bei. Die Abschätzungen zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Förderprogramme zeigen, dass sich die Steigerung der Energieeffizienz für Deutschland langfristig lohnen wird.

Der Autor

Dr. Jörg Zeuner Chefvolkswirt, KfW Bankengruppe, Frankfurt am Main

Jörg Zeuner , Chefvolkswirt und Bereichsleiter Research and Investment Strategy, Union Investment, Frankfurt am Main

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