Infrastrukturfinanzierung

Die erste energieautarke Wohnsiedlung in den USA

Lorenz Reibling

Die Einhaltung von Klimazielen ist ohne energiebewusste Neubaupolitik und auch das Sanieren von Bestandsgebäuden kaum möglich. Diese Erkenntnis, die in Deutschland längst fest verankert ist, wie die zahlreichen Programme zeigen, setzt sich zunehmend auch in den USA durch. Die Folge: Nicht nur die Nachfrage nach erneuerbaren Technologien steigt, sondern auch bei der Finanzierung von energieautarken Quartieren sind neue Lösungen gefragt. Eine Möglichkeit ist die Ausgabe von Bonds durch die jeweilige Gemeinde. Dies erfordert ein enges Zusammenwirken von Politik und Projektentwickler, wie der Autor weiß. Das vorgestellte Konzept kann sich auch für die Käufer lohnen. Red.

Die Fakten sind mittlerweile auch für die Mehrheit der Amerikaner unbestritten: Die Auswirkungen des Klimawandels sind in den meisten Regionen der USA zu spüren. So ist der Wirbelsturm Sandy vielen Amerikanern in bleibender Erinnerung geblieben. Dieser Sturm suchte 2012 die Ostküste heim und legte die Energieversorgung für Millionen Menschen wochenlang lahm. Das zeigt, dass bereits jetzt die volkswirtschaftlichen Folgen des derzeitigen Energieverhaltens deutlich wahrnehmbar sind.

Wirtschaftlicher Schaden führt zu Umdenken

So wird der wirtschaftliche Schaden in den USA durch den Klimawandel allein im Jahr 2012 auf über 100 Milliarden Dollar geschätzt - mit steigender Tendenz, wenn die Wirtschaftsweise nicht umweltfreundlicher wird. Diese Erkenntnisse führen mittlerweile auch in den USA zu einem Umdenken hin zu einer ausgewogenen und zukunftsfähigen Energieversorgung und -nutzung auf vielen Ebenen. Immer mehr US-Bundesstaaten wie Kalifornien, Colorado oder Oregon beschließen neue Energiegesetze mit dem Ziel, erneuerbare Energien wie Wasser, Sonne oder Erdwärme verstärkt zu fördern oder verpflichtend vorzuschreiben. Die Nachfrage nach erneuerbaren Technologien steigt dadurch an und in manchen US-Regionen gibt es bereits Lieferengpässe für Solaranlagen.

Insbesondere Kommunen wie die texanische Hauptstadt Austin sind Vorreiter bei der Energiewende in den USA. Dort muss jedes Haus ab 2016 einen hohen Energieeffizienz-Wert erreichen und technisch auf die Installation einer Solaranlage vorbereitet sein. Die CO2-Emissionen der Stadt sollen dadurch bis 2050 auf null reduziert werden. Das ist ein ambitioniertes Ziel, da Austin die am schnellsten wachsende Stadt in den USA ist. Die Einwohnerzahl hat sich in den vergangenen 20 Jahren fast verdoppelt.

Damit dieses Ziel Realität wird, soll als Pilotprojekt im Whisper Valley bei Austin auf 900 Hektar Baufläche eine sogenannte Master-Planned-Community entstehen, die komplett energieautark ist. Insgesamt sind 7 500 Ein- und Mehrfamilienhäuser sowie rund 186 000 Quadratmeter Einzelhandelsund Bürofläche geplant. Es ist eines der zehn größten Bauvorhaben dieser Art in den USA.

Neue Wege bei der Finanzierung

Das Problem von Projekten solcher Größenordnungen sind die derzeitigen Finanzierungsmöglichkeiten in den USA. So trifft die Nachfrage von Investoren nach Wohnungen seit der Finanzkrise auf ein geringeres Angebot, da der Projektentwicklungsmarkt mangels Finanzierungsbereitschaft der Banken so gut wie nicht vorhanden ist. Daher war auch die Projektfinanzierung des Whisper-Valley-Projektes nicht über eine Bankenfinanzierung möglich.

Die Lösung des Problems: Eine Finanzierung über Bonds, die von der Stadt Austin vor allem zur Verbesserung der Infrastruktur wie Straßen, Wasser- und Abwasser zur Verfügung gestellt wurden. Im Gegenzug sicherte Taurus als verantwortlicher Projektenwickler der Stadt zu, ein grünes Quartier zu entwickeln und so der Stadt bei der Verwirklichung ihrer Klimaziele zu helfen. Ein Drittel der Gesamtfläche des Projekts soll Parks vorbehalten sein. Das Areal wird also nicht wie bei gängigen Projektentwicklungen bis zur letzten Parzelle genutzt, um möglichst viele Häuser zu bauen.

Ohne grüne Kompetenz wäre die Erlaubnis für das Projekt nicht erteilt worden. Taurus hat aus diesem Grund ein neues Unternehmen gegründet: die Eco-Smart Solution LP (ESS). Das Tochterunternehmen entwickelt und realisiert alternative Energieprogramme, die bereits bei der Planung eines neuen Projekts als Teil der Infrastruktur berücksichtigt werden. Dafür hat ESS im Rahmen eines strategischen Partnerschaftsprogramms ein Netzwerk zu führenden Unternehmen aus den Bereichen Technologie, Baukonstruktion und -wirtschaft, Kommunikation, Finanzindustrie sowie anderen Bereichen aufgebaut.

Deutsche Zusammenarbeit für US-Passivhäuser

Herzstück des Programms ist ein thermoenergetisches Versorgungssystem, das bereits bei der Entstehung einer neuen Siedlung installiert wird und die Erdwärme in jedes Haus verteilt. Dieses Technikpaket wird um eine energieeffiziente Warmwasseranlage, eine Solaranlage sowie weitere energiesparende Produkte wie LED-Lichttechnik, Smart-Meter-Technologie oder energiesparende Küchengeräte ergänzt. Mit Hilfe dieser Technologien gelingt es, ein energieautarkes Passivhaus zu bauen: Das Eigenheim erzeugt genauso viel Strom wie es verbraucht.

Dieses integrierte Technikpaket wird erstmals im Whisper Valley umgesetzt und zwar in allen Häusern und kommerziellen Flächen. Bei der Entwicklung des Energieversorgungskonzepts hat der Investor mit führenden deutschen Technologiepartnern wie Bosch, BASF und Rehau zusammengearbeitet. Rehau hat beispielsweise eine Kombination aus einem individuellen und zentralisierten Thermokreislauf entwickelt, Bosch baut die Erdwärmepumpen und von BASF kommen energieeffiziente Fertigwandteile. Daneben sind auch amerikanische Unternehmen beteiligt.

Finanzielle Anreize für die Käufer

Den künftigen Kunden dieser Passivhäuser werden Produktgarantien über einen Zeitraum bis zu 25 Jahren gewährt. Doch der amerikanische Verbraucher ist trotz langer Produktgarantien bislang nur eingeschränkt bereit, sich für erneuerbare Energietechnologien zu entscheiden. Die neuen Energien gelten als zu teuer und zu kompliziert. Diese Hürden gilt es zu überwinden. Das gesamte sogenannte Eco-Smart-Paket kostet den neuen Hauseigentümer keinen Cent im Voraus.

Sämtliche Kosten werden im Rahmen eines langfristigen Finanzierungsprogramms von dem Hauseigentümer bezahlt. Die Mehrkosten für die komplette Haustechnik sowie die thermoenergetische Versorgung zahlen die Kunden über einen Monatsbetrag von umgerechnet 125 bis 150 Euro inklusive Wartung. Dem stehen monatliche Einsparungen von 150 bis 250 Euro gegenüber: Die monatliche ESS-Energiegebühr ist demnach geringer als die eingesparten Kosten beim Energieverbrauch. Zudem ist die ESS-Energiegebühr im Gegensatz zu den Strompreisen festgelegt. Der Hauseigentümer ist damit gegen steigende Strompreise langfristig abgesichert.

Dadurch steigt auch der Wiederverkaufswert des Eigenheims insbesondere bei steigenden Energiepreisen erheblich: Eine Studie der Wirtschaftswissenschaftler Ramya R. Aroul und J. Andrew Hansz belegt, dass sich mit energieeffizienten Gebäuden in den USA deutlich höhere Verkaufspreise generieren lassen. Zudem erzielen energieeffiziente Häuser bei den Banken eine bessere Kreditbewertung als herkömmliche Häuser. Nach einer Studie der Universität des US-Bundesstaates North Carolina ist die Kreditausfallrate bei Häusern, die mit dem Energiezertifikat Energy Star versehen sind, um 32 Prozent geringer - die Eigentümer solcher Immobilien gelten als verlässlicher.

Das Eco-Smart-Programm soll auf weitere Standorte in den USA ausgedehnt werden. Der US-Markt kann eine Millionen Grundstücke zusätzlich pro Jahr absorbieren.

Die Grundstückspreise haben sich nicht nur in Austin binnen zwei Jahren verdoppelt. Vor allem energieeffiziente und bezahlbare Häuser werden künftig verstärkt nachgefragt: Ein Einzelhaus in Whisper Valley kostet zwischen 175 000 und 300 000 US-Dollar inklusive des gesamten Eco-Smart-Programms.

Der Autor

Prof. Lorenz Reibling Chairman and Senior Partner, Taurus Investment Holdings, LLC, Boston

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