PRIVATE WOHNUNGSBAUFINANZIERUNG

FORDERUNGEN FÜR DAS WOHNEN VON MORGEN

Reinhard Klein Quelle: BSK Schwäbisch Hall

Wohnen ist innerhalb kurzer Zeit zur zentralen sozialen Frage in Deutschland geworden. Angesichts steigender Immobilienpreise sehen immer mehr Haushalte mit mittlerem Einkommen die Möglichkeit schwinden, eigenen Wohnraum zu erwerben. Durch wachsende Mietkosten gerät der jahrzehntealte Deal zwischen Vermietern und Mietern unter die Räder, ist gar von der "Flucht in Wohneigentum" die Rede, weil die Mietpreissteigerungen für Neu- aber auch für Bestandsmieter scheinbar ungebremst anwachsen. Nach Ansicht des Autors ist klar, dass zusätzlicher Wohnraum zur Verfügung gestellt werden muss. Doch was gilt es dabei heute abseits von kurzfristigen Maßnahmen zu bedenken? Welche großen Leitlinien lassen sich definieren? Fünf Antworten sind ihm zufolge möglich. Red.

Es wird zu wenig gebaut. Es wird in den falschen Regionen gebaut. Es wird zu langsam und zu teuer gebaut. Die aktuelle Liste der Klagen auf dem Immobilienmarkt ist lang und ließe sich beliebig erweitern. Die Liste der Antworten und der kurzfristigen Lösungsideen wächst ebenfalls, allein die Umsetzung hinkt noch hinterher. So betragen zum einen die Baunebenkosten, also Notar, Grunderwerbsteuer und Makler, hierzulande zwischen 10 und 15 Prozent des Bau- oder Kaufpreises. Das ist ein enormes Hindernis für Wohneigentum und im internationalen Vergleich ein absoluter Spitzenwert.

Zwei wichtige Hebel bei der Schaffung von Wohneigentum

Daher ist die im Koalitionsvertrag angedachte Möglichkeit, Bauherren bei Erstbezug einer Immobilie von der Grunderwerbsteuer zu befreien oder Freibeträge einzuführen, ein wichtiger Hebel. Zum anderen helfen beschleunigte Planverfahren bei Bauvorhaben, wie sie in einigen Bundesländern bereits beschlossen wurden. Das Baukindergeld ist ein zweiter Hebel: Es entlastet Familien mit Kindern in der Darlehensphase. Und auch diese Antwortliste lässt sich erweitern.

Jedoch reichen aus gesellschaftlicher Perspektive betrachtet die Antworten bei Förderungs- und Regelungsdetails nicht mehr aus, um die große soziale Frage des Wohnens für die Zukunft zu beantworten. Gleichzeitig gilt es gerade jetzt, bei den schnellen Antworten, die wir heute benötigen um die akute Wohnraumsituation zu verbessern, keine Fehler einzubauen, die wir später aufwendig wieder korrigieren müssten. Folgende fünf Forderungen kristallisieren sich dabei heraus.

Forderung 1 - Durch Bürokratieabbau Eigen initiative erleichtern: Wenn in Zukunft Wohnen und Arbeiten wieder enger zusammenrücken, eröffnet dies in den Städten und Ballungsgebieten zusätzliche Freiräume, indem zum Beispiel ehemalige Industrie- oder Verwaltungsareale in urbane Wohnstandorte umgewidmet werden. Dafür liegen bereits Erfahrungen aus den neunziger Jahren vor, als in Deutschland große ehemalige Militärstandorte für Wohnzwecke umgenutzt wurden. Um solche Konversionen zu beschleunigen, Innenstadtbrachen zu erschließen und Zwischenbebauungen zu ermöglichen, braucht es einen Abbau von Bürokratie und Auflagen. Doch das Gegenteil passiert: Seit 1990 ist die Zahl der Bauvorschriften von 5 000 auf mehr als 20 000 gestiegen. Dies hat der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) ermittelt.

Mehr Ideenreichtum und Initiative als bisher ist auch bei der Siedlungspolitik nötig. Die Kommunen sind gefordert, gerade bei der Ausweisung von Bauland, soziale, demografische und ethnische Belange stärker zu berücksichtigen als bisher. Dies kann beispielsweise durch günstige Konditionen für Familien mit Kindern geschehen oder auch durch gezielte Maßnahmen zur Förderung des Mehrgenerationenwohnens. Denn die Zahl von betreuten oder selbst initiierten Senioren-Wohngemeinschaften oder Mehrgenerationen-Häusern nimmt zu. Bauherrengemeinschaften suchen im städtischen Raum nach dafür geeigneten Baulichkeiten oder ehemaligen Gewerbegebäuden.

Daraus lässt sich ableiten: Bauliche Strukturen werden deshalb künftig schneller auf derartige Veränderungen reagieren müssen. Multifunktional und flexibel werden die Wohnungen, Grundrisse, Gebäude und Quartiere sein, wenn sie nachhaltig am Immobilienmarkt bestehen wollen.

Forderung 2 - Intelligente Quartiersplanung statt Zersiedelung: Städte und Stadtplaner stehen also vor der Aufgabe, mehr Menschen ein qualitativ hochwertiges Zuhause im vorhandenen Raum zu bieten und die baulichen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Denn schlichter Flächenverbrauch in Deutschland ist endlich. Die Aufgabe heißt: Nachverdichtung oder Umnutzung vorhandener Gebäude in Stadtgebieten und in Dorfkernen vor Ausweisung neuer Baugebiete in der Peripherie. Dabei kann Architektur viel dazu beitragen, dass Jung und Alt, Arm und Reich, Alteingesessene und Hinzugezogene voneinander profitieren - durch offene Kommunikationsräume wie Stadtteilcafés, Freizeitflächen und abgegrenzte Wohnräume. Eines ist klar: Die konzentrierte Ansiedlung von Bewohnern gleichen Alters, gleicher Herkunft und mit ähnlichem sozialem und Einkommenshintergrund bietet keine nachhaltige Perspektive. Und: Eine weitere Zersiedelung der Landschaft kann keine tragfähige Lösung sein, wenn wir die vorhandenen Ressourcen schonen wollen.

Gründerzeitbauten: zeitlose Vorbilder im Städtebau

Bei der Planung der städtebaulichen Zukunft lohnt ein Blick in die Vergangenheit. Die Gründerzeitbauten, beispielsweise am Prenzlauer Berg in Berlin oder in Leipzig, sind nicht nur Ergebnis eines damals rasanten Zuzugs vom Land in die Städte, sondern sie manifestieren auch die Verdichtung beim Wohnen: Heute erweisen sich diese Quartiere als hoch begehrte Wohnlage für Menschen aller Lebensformen. Wohnen, Arbeiten und Konsum, Kinder- und Altenbetreuung am Wohn- und Arbeitsort, Privat- und Geschäftsleben werden künftig wieder stärker ineinandergreifen, lautet der Tenor der Studie "Die Stadtwirtschaft von morgen" des Zukunftsinstituts Darmstadt. Autofreie Quartiere wie in Freiburg-Vauban sowie bezahlbare, flexible, kleine Büro- und Gewerbeflächen für junge, dynamische Start-up-Unternehmen und Dienstleistungs- und Versorgungseinrichtungen in unmittelbarer Wohnnähe werden künftig stärker nachgefragt werden. Ergänzt werden sie von kleinen Geschäften für den täglichen Bedarf, die eine Kiez-Logistik sicherstellen.

Genauso wichtig wie die neue Wohnqualität in den Zuzugsgebieten ist die Gestaltung des ländlichen Raums mit Abwanderungsbewegungen. Wie dies dort aussehen kann, zeigt beispielhaft das "Modellprojekt zur Eindämmung des Landschaftsverbrauchs durch Aktivierung des innerörtlichen Potenzials", kurz MELAP, initiiert vom Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg. Es berücksichtigt den demografischen Wandel, die Strukturveränderungen, die Energiewende und den Ressourcenschutz und zeigt Möglichkeiten auf, wie der gute Zustand des Wohnens auf dem Lande erhalten oder verbessert werden kann. Werden ehemalige Landwirtschaftsgebäude umgenutzt oder zurückgebaut und dörfliche Kerne wiederbelebt, sinkt der Leerstand. Erreicht man so den Erhalt der Kindertagesstätte, der Grundschule oder des genossenschaftlichen Dorfladens, steigt damit auch die Attraktivität des Dorfs für bauwillige Familien aus der Umgebung.

Gemeinschaftliche Konzepte gewinnen an Bedeutung

Forderung 3 - Wohnen muss neu definiert werden: Wohnen ist mehr als eine Unterkunft zu haben. Das zeigt die Studie "Wohntrends 2030" im Auftrag des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Danach differenzieren sich die Wohnkonzepte infolge der gesellschaftlichen Veränderungen weiter aus, vor allem anspruchsvolle gemeinschaftliche Wohnformen werden deutlich stärker nachgefragt. Der Gemeinschaftsraum oder das Nachbarschaftscafé gehören dann zum Angebot.

Laut der Studie werden Wohnungsunternehmen in 15 Jahren eine neue Rolle einnehmen müssen. Sie kennen ihre Zielgruppen und können Nachbarschaften gezielt gestalten und fördern. Sie bieten neben dem Standard, der vermieteten Wohnung als Unterkunft, weitere zubuchbare Dienstleistungen: Immer mehr ältere Menschen nutzen dann digitale Angebote zur Kommunikation, beim Konsum, für die Sicherheit und bei der medizinischen Betreuung. Wohnungsunternehmen halten Gästewohnungen in Wohnanlagen vor, organisieren die E-Bike- und Carsharing-Flotte für die Bewohner und sparen dadurch Stellplatzflächen oder Tiefgarage.

Das Wohnen der Zukunft muss darüber hinaus die Frage beantworten, ob alles, was technisch möglich ist, sinnvoll und in der Breite bezahlbar ist. Außerdem müssen Kosten, Nutzen und Folgen stärker als bisher in ihrer Gesamtheit abgewogen werden. Hochtechnisierte Häuser wird es in Zukunft deutlich mehr geben als heute. Zugleich benötigen wir aber auch Verfahren, Technologien und Standards, die es erlauben, die Baukosten zu senken und Bauprojekte zu beschleunigen.

Positive Folgen für die gesamte Gesellschaft

Forderung 4 - Wohneigentum und Mietwohnungsbau parallel fördern: Selbst genutztes Wohneigentum oder Mietwohnung, das sind keine Gegensätze. Die Frage des Wohnens erfordert einen funktionierenden Mietwohnungsmarkt, der Absprünge ins Eigentum ermöglicht, um den Wohnungsmarkt insgesamt zu entlasten. Der Wunsch nach Wohneigentum löst Spar- und Kapitalbildungsprozesse aus, die positive volkswirtschaftliche Folgen haben: Die Investitionen kommen ganz überwiegend dem heimischen Baugewerbe und Handwerk zugute. Wohneigentümer investieren deshalb nicht nur in ihre eigene Gegenwart und Zukunft, sondern in die der ganzen Gesellschaft.

Am nachhaltigsten sind die Wirkungen für die Vermögensbildung und die Altersvorsorge. Auch wenn die Zahl schon oft genannt wurde: Ein Wohneigentümer hat im Rentenalter im Vergleich zu einem Mieterhaushalt im Durchschnitt 600 Euro pro Monat mehr an finanziellen Mitteln, so eine Auswertung des Statistischen Bundesamtes. Das entspricht einem Drittel der durchschnittlichen gesetzlichen Rente eines deutschen Seniorenhaushalts. Dank dieser ersparten Miete haben Eigentümer Monat für Monat "mehr" von ihrem Einkommen.

Wer im Alter trotz einer kleinen Rente nicht auf Unterstützung vom Staat angewiesen ist, weil er mietfrei wohnt, belastet die Sozialsysteme nicht und macht sich unabhängig von Mietpreissteigerungen, die sein verfügbares Einkommen überfordern. Unter diesem Blickwinkel ist es aus Gesellschaftssicht ein ideales Zeitfenster, um mehr Mietern mit kleinen bis durchschnittlichen Einkommen den Weg ins Eigentum zu ermöglichen. Dringend erforderlich ist eine faire Reform der Grundsteuer: Sie muss unbebautes Bauland höher besteuern und darf nicht, wie in Teilen der Bundesrepublik üblich, die Hebesätze nach Kassenlage hochsetzen.

Baufinanzierung als Hort der Stabilität

Forderung 5 - Anreize zur Eigenkapitalbildung verbessern: Egal, welche Antworten wir beim Thema Wohnen geben wollen: Alle müssen finanziert werden. Allein 2017 wurden Baudarlehen über 230 Milliarden Euro neu vergeben. Der Immobilienkreditbestand in Deutschland ist auf aktuell knapp 1,2 Billionen Euro angewachsen. Umso wichtiger ist die Tatsache, dass die Baufinanzierung in Deutschland als Hort der Stabilität gilt. Denn sie beruht auf der Eigenkapitalbildung der Darlehensnehmer im ersten Schritt und der Arbeitsteilung zwischen Hypothekenbanken und Bausparkassen im zweiten Schritt. Die Bausparkassen finanzieren klassischerweise zinsgünstig im zweiten Rang der Beleihung. Sie sind wichtige Sammelstellen für das notwendige Eigenkapital, das die Banken in der Regel als Voraussetzung für eine Finanzierung verlangen. Dieses Prinzip sorgt dafür, dass Kreditnehmer sich die Verschuldung tatsächlich leisten können.

Das Sparen für Wohneigentum und die Entschuldung von Kreditnehmern erfährt eine zielgerichtete Förderung durch die Eigenheimrente. Sie bietet für Sparer aller Einkommensschichten eine kostengünstige und transparente Vorsorgemöglichkeit. Gegenüber dem jüngst beschlossenen Baukindergeld hat sie den Vorteil, dass die Förderung schon vor dem Erwerb der eigenen vier Wände zum Aufbau des Eigenkapitals verwendet werden kann. Überfällig ist auch die Anpassung der klassischen Wohnungsbauprämie an die allgemeine Preisentwicklung. Sie wurde zuletzt 1996 erhöht. Seit damals sind die Nominallöhne um 36 Prozent gestiegen, sodass die Quote der Bezugsberechtigten von 67 auf 57 Prozent der Bevölkerung (16 bis 69 Jahre) gesunken ist.

Die Wohnungsbauprämie ist gerade in Zeiten niedrigster Sparzinsen ein wirksames Anreizinstrument für junge Menschen, frühzeitig mit dem Sparen zu beginnen. Sie ist angesichts der Einkommensgrenzen sozial treffsicher und sie ist effizient, denn für die Prämie von 45 Euro müssen Berechtigte eine elf Mal so hohe Sparleistung erbringen. Nachgedacht werden muss auch über eine bessere Förderung durch die Instrumente der KfW. Der Staat kann einkommensschwächere Haushalte mit Mitteln aus dem sozialen Wohnungsbau oder mit Programmen zur Eigenkapitalsubstitution, zum Beispiel mit staatlich garantierten Nachrangkrediten, über die KfW unterstützen. Dies wäre mit geringen Kosten verbunden und fördert zielgenau die richtige Zielgruppe. Die oben beschriebenen lebendigen Wohnquartiere ließen sich so weitgehend bürokratiefrei bilden.

Die Chancen nutzen

Doch unabhängig davon, wie die Finanzierungsfrage konkret geklärt wird: Sowohl durch die zunehmende Industrialisierung in der Gründerzeit ab Ende des 19. Jahrhunderts als auch in der Nachkriegszeit stand Deutschland vor wohnungspolitischen Herausforderungen, die viel größer waren, als sie in den kommenden Jahren sein werden. Die demografische Entwicklung der Gesellschaft, die Individualisierung der Lebensentwürfe, steigende Ansprüche an die Wohnqualität und -quantität, die Binnenwanderung und die Zuwanderung, die rasante Digitalisierung sowie der Zwang zur Schonung unserer Ressourcen bestimmen das Wohnen der Zukunft.

Lösungsansätze für ein gelungenes Miteinander können zwar verdichtete, aber lebendige und abwechslungsreiche Stadt- und Lebensräume sein. Der ländliche Raum und die Peripherie der Ballungszentren können profitieren, wenn es gelingt, bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen. Gesetzgeber, Immobilienwirtschaft und Finanzierungsinstitute haben die Aufgabe, Lösungen zuzulassen, Marktüberhitzungen vorbeugend zu begegnen und die bewährten deutschen Sicherheitsstandards für die Finanzierung aufrechtzuerhalten. Dann entsteht sicheres Wohnen in der Zukunft und damit ein wichtiger Baustein für eine zukunftsfähige Gesellschaft.

DER AUTOR REINHARD KLEIN Vorsitzender des Vorstands, Bausparkasse Schwäbisch Hall AG, Schwäbisch Hall
Reinhard Klein , Vorstandsvorsitzender , Bausparkasse Schwäbisch Hall AG

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