Kommunalfinanzierung

Lebenszyklusorientierte Ansätze in der kommunalen Infrastrukturfinanzierung

Melanie Kunzmann, Senior Managerin, PD - Berater der öffentlichen Hand GmbH, Berlin

Quelle: PD - Berater der öffentlichen Hand GmbH

Wie können Kommunen ihren Investitionsstau im Bereich Infrastruktur nachhaltig abbauen? Dieser wegweisenden Frage widmen sich die Autorinnen des folgenden Beitrags. Sie empfehlen lebenszyklusorientierte Ansätze, die insbesondere vor dem Hintergrund vielerorts knapper Personalressourcen geeignet seien, um Infrastrukturprojekte effektiv vorantreiben zu können. Intensiv gehen sie in ihrer Analyse auch auf die veränderten Rahmenbedingungen in der Finanzierungslandschaft ein. Diverse Geldquellen stehen deutschen Städten und Gemeinden mittlerweile offen. Bei der Implementierung lebenszyklusorientierter Konzepte ist unter anderem die öffentlich bereitgestellte Langfristfinanzierung eine Option. Unabhängig vom gewählten Finanzierungsmodell sei es grundsätzlich aber immer ratsam, sich möglichst früh mit der Thematik zu beschäftigen. Denn nur so könne die Wirtschaftlichkeit und letztlich der Erfolg kommunaler Infrastrukturprojekte gewährleistet werden. Red.

Zu den großen Finanz- und Investitionsdiskussionen Deutschlands gehörte in den letzten Jahren zusätzlich zum Länderfinanzausgleich und dem immensen öffentlichen Investitionsstau auch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Diese hat sich nicht nur auf das Tagesgeschäft von europäischen Unternehmen, Banken und Finanzinstituten ausgewirkt, sondern auch auf die Finanzierung der Gemeinden. Durch die niedrigen, sogar ins Negative sinkenden Zinsen ist die Finanzierung der kommunalen Infrastruktur durch Kredite noch attraktiver geworden. Insbesondere Förderbanken nutzen dies zu ihren Gunsten, um auf Landes- und Kommunalebene Projekte zu zinsgünstigen Konditionen zu finanzieren.

Den Kommunen mangelt es somit nicht an Finanzierungsmöglichkeiten und dennoch werden nur wenige Projekte an gestoßen, um das Investitionsdefizit in wichtigen Bereichen wie der Bildungs-, Gesundheits- oder Verkehrsinfrastruktur zu bekämpfen. Diese scheinbar überraschende Diagnose ist weniger verwunderlich, wenn man sich den personellen Kapazitätsmangel in den kommunalen Behörden vor Augen hält. Vor allem die Planungs-, Umsetzungs- und Steuerungskapazitäten von kommunalen Baubehörden sind oft zu begrenzt, um die allein aus den Finanzierungsquellen theoretisch möglichen Baumaßnahmen vorzubereiten und umzusetzen.

Bauvorhaben "aus einer Hand" steuern

Um diesem Kapazitätsmangel entgegenzuwirken und Kommunalinvestitionen zu tätigen, sind lebenszyklusorientierte Ansätze wie beispielsweise erweiterte Generalunternehmer-Modelle, Paketvergaben oder Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) zur Umsetzung von Infrastrukturvorhaben von fundamentaler Bedeutung. Alternative Beschaffungsformen garantieren durch vertragliche Mechanismen, dass Bauvorhaben in Zeit und Kosten umgesetzt und bis zur Betriebsphase "aus einer Hand" gesteuert werden. Diese Lebenszyklusperspektive entlastet nicht nur die kommunalen Baubehörden während der Projektvorbereitung und -steuerung, sondern bietet auch gleichzeitig eine wirtschaftliche und qualitativ anspruchsvolle Realisierung zugunsten der öffentlichen Hand und der Nutzer.

Durch die veränderten Konditionen auf den Finanzmärkten hat sich aber auch bei der Finanzierung von alternativen Beschaffungsformen einiges verändert. Stichworte wie öffentliche Eigenfinanzierung und Kommunalkredite sind im Zusammenhang mit lebenszyklusorientierten Ansätzen keine Fremdwörter mehr. Öffentliche Finanzierungsmittel können in diesen Beschaffungsformen oftmals wirtschaftlicher als in konventionellen Realisierungsvarianten genutzt werden. Zwar bietet die Eigenfinanzierung bei Partnerschaftsmodellen neue Chancen für die kommunale Infrastrukturbeschaffung, sie kann aber ohne den Input von Banken und Bauunternehmen nicht genutzt werden. Daher leiten sich aus der veränderten Kommunalfinanzierungslandschaft wichtige Konsequenzen für Kommunen sowie für ihre privaten Partner ab.

Umfangreiche Förderprogramme

Durch das hohe Investitionsdefizit wurden in den letzten Jahren auf Bundesund Länderebene eine Vielzahl von Förderprogrammen für Infrastrukturhaben geschaffen. Insbesondere Landesbanken locken Kommunen mit attraktiven Investitionskrediten, zum Beispiel vergünstigt die Bayerische Landesbank die Zinssätze des "KfW-Investitionskredit Kommunen" für die ersten zehn Jahre der Kreditlaufzeit bis auf maximal 0,00 Prozent p.a. Länder wie Brandenburg haben seit kurzer Zeit auch eigene kommunale Infrastrukturprogramme in Millionenhöhe, um Fördermittel für Bildungs-, Verkehrs-, Feuerwehr-, Freizeit- und Sportinfrastruktur bereitzustellen. Andere Länder bieten sektorenspezifische Programme, wie etwa das Programm "Gute Schule 2020" der Landesregierung NRW, welches in Zusammenarbeit mit der NRW.Bank ein Investitionsvolumen von zwei Milliarden Euro im Zeitraum zwischen 2017 und 2020 vorsieht.

Auch mit der im Jahr 2015 beschlossenen neuen Kommunalinvestitionsförderung von finanzschwachen Kommunen reagiert der Bund auf den hohen Bedarf an Infrastrukturmaßnahmen. Das von Bund und Ländern entschiedene Sondervermögen beträgt 3,5 Milliarden Euro. Im Jahr 2017 wurde der Kommunalinvestitionsfonds vom Bund um weitere 3,5 Milliarden Euro aufgestockt, um das nationale Schulsanierungsprogramm zu unterstützen. Die Höhe der Förderprogramme und die geforderte Geschwindigkeit bei der Implementierung unterstreicht die Notwendigkeit, nachhaltiger in kommunale Infrastruktur zu investieren. Dies bedeutet auch, sich intensiver mit der Frage der alternativen Beschaffung auseinanderzusetzen, um Fördermittel noch wirtschaftlicher zu nutzen.

Dritte Finanzierungsvariante etabliert sich

Insbesondere aufgrund der ausreichend zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel hat sich im Bereich der alternativen Beschaffung in den letzten Jahren neben der Projektfinanzierung und der Forfaitierung mit Einredeverzicht eine dritte Form der Finanzierung etabliert: die öffentlich beigestellte Langfristfinanzierung. Heutzutage entscheiden sich viele Kommunen für die öffentlich beigestellte Langfristfinanzierung, um trotz der Verwendung günstiger Kommunalkredite von den Vorteilen des lebenszyklusorientierten Ansatzes zu profitieren.

Diese Form der Eigenfinanzierung der Kommunen, oftmals über Kommunalkredite getätigt, ist per se nicht neu. Ihre Anwendung im Bereich der lebenszyklusorientierten Beschaffung hingegen ist ein relativ junges Phänomen. Bei dieser Form der Finanzierung wird, anders als bei den anderen zwei Finanzierungsvarianten, die Finanzierung durch den öffentlichen Auftraggeber übernommen. Der private Partner finanziert das Bauvorhaben zunächst mithilfe einer Bauzeitfinanzierung. Nach Abschluss der Bauphase löst der Auftraggeber den privaten Partner dann durch einen Kommunalkredit ab und finanziert das Projekt somit langfristig selbst.

Die Kommune sollte bei dieser Form der Finanzierung darauf achten, dass die Beistellung möglichst erst nach der Bauabnahme und nicht bereits mit Baufortschritt erfolgt. Eine frühzeitige Ablösung kann dazu führen, dass die Risikoteilung zwischen den Partnern zulasten der öffentlichen Hand verlagert und Anreize für die Terminsicherheit eingeschränkt werden. Oftmals ist diese Art der Finanzierung, welche in vielen Aspekten der Forfaitierung mit Einredeverzicht ähnelt (zum Beispiel Risikostruktur, kein zusätzliches Eigenkapital des privaten Partners), günstiger als die zwei traditionellen Finanzierungsvarianten bei lebenszyklusorientierten Ansätzen. Ein Nachteil für den kommunalen Investitionsträger kann im Vergleich zur Projektfinanzierung aber die eingeschränkte Risikoübertragung über den Lebenszyklus sein. Kommunen müssen sich vorab daher intensiv mit der Finanzierung und den damit verbundenen Risiken beschäftigen.

Kommunale Erfolgsfaktoren beachten

Um Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Projekten und insbesondere durch die Finanzierung zu vermeiden, spielen bewährte Erfolgsfaktoren eine wichtige Rolle. Wie in der 2015 veröffentlichten Studie dargestellt, die PD - Berater der öffentlichen Hand im Auftrag der KfW 1) erarbeitet hat, ist eine angemessene finanzielle Grundlage bei lebenszyklusorientierten Ansätzen von großer Bedeutung (siehe Abbildung 1). Dies gilt auch für die Finanzierungsalternative der öffentlich beigestellten Langfristfinanzierung. Zum einen muss das Finanzierungs- und Sicherheitenmodell auf die Projektanforderungen zugeschnitten sein. Es muss sichergestellt werden, dass auch bei einer öffentlich beigestellten Langfristfinanzierung die Baufinanzierung bei dem privaten Partner bleibt.

Somit kann der öffentliche Investitionsträger als Kontrollinstanz während der Bauphase fungieren, um das Projekt nach Baufertigstellung erfolgreich abzulösen. Anderseits sind standardisierte Finanzierungsunterlagen eine wichtige Grundlage für erfolgreiche Ausschreibungsverfahren. Bei der beigestellten Langfristfinanzierung muss der öffentliche Investitionsträger zusammen mit der finanzierenden Bank die im standardisierten Finanzierungsprozess abgebildeten Abstimmungen anstelle des Auftragnehmers durchführen.2) Wichtige Projektbestandteile, die hier vom Auftraggeber übernommen werden müssen, sind etwa die Vorbereitung des Finanzierungsvertrages oder die Kontrolle des Baufortschritts und der Leistungsqualität. In dieser Hinsicht muss die Kommune selbst darauf achten, dass die Finanzierung nach Bauabschluss garantiert ist und der private Partner abgelöst werden kann.

Frühzeitig mit Finanzierung beschäftigen

Ob Projektfinanzierung, Forfaitierung mit Einredeverzicht oder beigestellte Langfristfinanzierung: Die Einbeziehung von qualifiziertem Finanzierungs-Knowhow aufseiten des öffentlichen Auftraggebers ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Um angemessene Projektverträge mit wirtschaftlichen Finanzierungskonditionen zu gestalten, spielen externe Berater und Banken, besonders in der Frühphase, eine wichtige Rolle. Die frühzeitige und angemessene Auseinandersetzung mit der Finanzierung bei lebenszyklusorientierten Ansätzen wirkt sich auch positiv auf die Zufriedenheit der Partner aus.

Wie in Abbildung 2 dargestellt, sind die meisten Kommunen, Bauunternehmen und Banken mit der Finanzierung von lebenszyklusorientierten Projekten (einschließlich Projektfinanzierung, Forfaitierung mit Einredeverzicht und öffentlich beigestellte Langfristfinanzierung) zufrieden.3) Daher ist festzuhalten, dass eine offene und frühzeitige Kommunikation zwischen den Partnern und die Auswahl einer nachhaltigen Finanzierungsstruktur durch die Einbindung von privatem Know-how ausschlaggebende Faktoren sind, um ein wirtschaftliches und somit erfolgreiches Projekt mit lebenszyklusorientiertem Ansatz zu ermöglichen.

Bauzeitfinanzierung - der Input der Bieterseite

Zwar sind viele der Erfolgsfaktoren bei den verschiedenen Finanzierungsmodellen gleich, bei der öffentlich beigestellten Langfristfinanzierung kommt dem Auftragnehmer aber eine besondere Rolle zu. Die Bieterseite ist bei diesem Finanzierungsmodell nicht nur ein wichtiger Bestandteil der Projektstrukturierung, sondern muss auch die finanzielle Umsetzung des Projektes durch die Bauzeitfinanzierung bewirken. Zwar trägt der öffentliche Auftraggeber das Risiko für die langfristigen Finanzierungskosten, der private Auftragnehmer muss aber das Baurisiko durch die Bauzwischenfinanzierung übernehmen, um das Projekt für beide Seiten wirtschaftlich zu gestalten.

Die Bauzeitfinanzierung durch den Auftragnehmer ist daher einer der ausschlaggebenden Aspekte, um die Kosten- und Terminsicherheit zu gewährleisten und vermindert daher das Risiko, dass Verzögerungen in der Bauphase entstehen.4) Somit sind Bieter und Banken gefragt. diese finanzielle Struktur anzubieten, um für kommunale Infrastrukturprojekte ein standfestes Fundament zu errichten.

Die öffentlich beigestellte Langfristfinanzierung hat sich als eine von drei Finanzierungsoptionen bei Partnerschaftsmodellen in der kommunalen Infrastrukturbeschaffung etabliert und stellt die Anpassungsfähigkeit von lebenszyklusorientierten Ansätzen an neue Marktgegebenheiten unter Beweis.

Private Finanzierung bleibt von hoher Relevanz

Dennoch ist diese Form der Finanzierung nur eine von drei Optionen bei lebenszyklusorientierten Ansätzen. Der Großteil der Projekte auf kommunaler Ebene, welche ein durchschnittliches Investitionsvolumen zwischen 20 und 25 Millionen Euro haben, wurde über Forfaitierungen mit Einredeverzicht finanziert.

Darüber hinaus ist das Niedrigzinsumfeld ein zeitbegrenztes Phänomen. Genauso ist es auch mit zinsgünstigen Krediten und Förderungen. Denn wenn die strikte Schuldenbremse ab 2020 einsetzt, wird sich die Aufnahme von Krediten für Länder und Kommunen erschweren. Zu erwarten ist, dass die private Finanzierung von Infrastrukturprojekten von großer Bedeutung bleiben wird. Der Lebenszyklusansatz rückt durch den kommunalen Mangel an personellen Kapazitäten immer mehr in den Fokus und wird daher noch an Bedeutung gewinnen. Wenn dieser Trend richtig genutzt wird, kann er eine positive Entwicklung für Kommunen und somit auch für die privaten Partner sein. Denn wie die umfassenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen der PD und privater Beratungen unter Beweis stellen, bieten lebenszyklusorientierte Ansätze bei geeigneten Infrastrukturmaßnahmen umfassende Wirtschaftlichkeitspotenziale gegenüber der konventionellen Beschaffung.

Fußnoten

1) Siehe KfW Research (2015) "Erfolgsfaktoren kommunaler ÖPP-Projekte".

2) Für mehr Informationen zum standardisierten Finanzierungprozess siehe: https://www.kfw.de.

3) Siehe KfW Research (2015) "Erfolgsfaktoren kommunaler ÖPP-Projekte".

4) Hier ist eine Abgrenzung von den Verzögerungen, welche vom Auftraggeber verursacht werden, notwendig. Risiken, wie zum Beispiel Änderungen bei der Outputspezifikation, sind auch bei der Eigenfinanzierung vom öffentlichen Auftraggeber selbst zu tragen.

Die Autorinnen Melanie Kunzmann, Senior Managerin, Micaela Mihov, Consultant, beide PD - Berater der öffentlichen Hand GmbH, Berlin

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