Perspektiven für ÖPP in Deutschland

Abbildung 1: ÖPP-Projekte mit Vertragsabschluss im öffentlichen Hoch- und Straßenbau (seit 2002 inklusive 3-Phasen-Projekte) Quelle: PPP-Projektdatenbank; www.ppp-projektdatenbank.de, Stand: 31. Oktober 2014

Bernward Kulle und Jürgen Streeck, beide Mitglied des Vorstands, ÖPP Deutschland AG - Partnerschaften Deutschland, Berlin Es ist zuweilen bemerkenswert, mit welchen Emotionen die Einbindung privater Investoren in die Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen kommentiert wird. Die Autoren plädieren für eine nüchterne Bestandsaufnahme unter Berücksichtigung der Erfahrungen im Ausland. Hierzulande ziehen sie sowohl von der Entwicklung der Volumina als auch von den wirtschaftlichen Überlegungen her eine positive Bilanz, die aber noch viel Potenzial für eine Ausweitung lässt. Als ausbaufähige Einsatzfelder neben den Klassikern Hochbau und Verkehrswege sehen sie in Zukunft Raum für verstärkte ÖPP-Aktivitäten in den Bereichen IT-Netze und einer Verbesserung der Effizienz öffentlicher Verwaltungsprozesse. Bei alledem setzen sie sich für transparente Entscheidungsprozesse einschließlich Offenlegung der Verträge und nachvollziehbare Untersuchungen der Wirtschaftlichkeit ein. (Red.)

Zunehmende wirtschaftliche und demografische Veränderungen fordern von den öffentlichen Verwaltungen neue Gestaltungskonzepte. Kooperationen sind dabei ein Weg, öffentliche Beschaffung wirtschaftlicher und besser zu realisieren. Auch in Deutschland werden seit vielen Jahren derartige Partnerschaftskonzepte für die Errichtung und Erhaltung der Infrastruktur und für die Verwaltungsmodernisierung genutzt.

Deutschland als Späteinsteiger

Kennzeichnend für Partnerschaftsprojekte sind gemeinsame strategische Ziele der kooperierenden Partner, ein fest vereinbarter Zeitraum der Zusammenarbeit sowie das Verteilen von Risiken. Die Zusammenarbeit kann sowohl zwischen Verwaltungen auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene (Öffentlich-Öffentliche Partnerschaft) als auch zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft als Öffentlich-Private Partnerschaft eingegangen werden. Dabei werden nach einem Wirtschaftlichkeitsvergleich Leistungsbestandteile (Planung, Beschaffung, Finanzierung, Betrieb) integriert und mittel- oder langfristig an einen privaten Partner übertragen. Die öffentliche Hand behält zu jeder Zeit die Verantwortung für die Daseinsvorsorge. Für die privaten Unternehmen und für die finanzierenden Institute erfordern die Angebote zwar einen herausfordernd hohen Einsatz, gewähren im Erfolgsfalle jedoch langjährige Verträge.

In Nordamerika, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden haben ÖPPs teilweise eine deutlich längere Tradition als in Deutschland. Der Durchbruch für ÖPP in Deutschland begann nach dem Start der Private-Finance-Initiative (PFI) in Großbritannien zuerst durch eine ÖPP-Initiative in Nordrhein-Westfalen und die anschließende Aufnahme von ÖPP in die Koalitionsvereinbarung der damaligen Bundesregierung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen.

Im Jahr 2004 wurde auf Bundesebene das Kompetenzzentrum "PPP Task Force" beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen gegründet. Bereits im Jahr 2006 hatten fast alle Bundesländer entsprechende Einheiten auf ministerieller Ebene gebildet. Die Zusammenarbeit in Bund-Länder-Arbeitsgruppen und einem föderalen Netzwerk besteht bis heute fort.

Begleitet wurde und wird die Initiative durch die Erstellung zahlreicher Leitfäden und Gutachten zur Anwendung und Standardisierung von ÖPPs in den unterschiedlichen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge, sowohl auf Bundes- wie auch auf Länderseite. Auch die notwendige Gesetzgebung - zum Beispiel das PPP-Vereinfachungsgesetz - wurde geschaffen. Ein wesentliches Augenmerk lag bei den Initiativen stets auf der Berücksichtigung der Bedürfnisse der unterschiedlichen Anspruchsgruppen. In einem eher heterogenen Umfeld möglicher Beteiligter ist vor allem Rücksicht auf die mittelständisch geprägte Wirtschaft gelegt worden. Auch dies ist ein Grund für die oft kleinteiligen ÖPP-Projekte in Deutschland.

ÖPP im Hoch- und Straßenbau - umfangreiche Erfahrungen

Die Bilanz der letzten zehn Jahre kann sich sehen lassen: Allein im Bau- und Infrastrukturbereich wurden in Deutschland bisher fast 200 Projekte mit einem Investitionsvolumen von über 8,5 Milliarden Euro umgesetzt, wobei zirka 5,7 Milliarden Euro auf den klassischen Hochbau und etwa 2,8 Milliarden Euro auf den Straßenbau entfallen. Damit konnte die öffentliche Hand im Durchschnitt mehr als 13 Prozent gegenüber der konventionellen Vergabe einsparen. Auf diese umfangreiche Expertise bauen künftige Vorhaben für Kindertagesstätten, Schulen, Feuerwachen, Krankenhäuser oder Straßen auf.

Die Entwicklung der Projekte ist in der Abbildung 1 ablesbar. In den letzten Jahren und vor allem 2012 hat sich der Anteil der Projekte ohne Endfinanzierung, aber mit den Lebenszykluselementen Planen, Bauen und Betreiben merklich erhöht. Dies ist eine Folge der veränderten Rahmenbedingungen der Kreditvergaben an Unternehmen und der derzeit sehr günstigen Konditionen für die Finanzmittelbeschaffung durch die öffentliche Hand in Deutschland. Seit 2013 hat sich dieser Effekt wieder abgeschwächt.

Die bisher vertraglich abgeschlossenen Projekte decken einen weiten Umfang von etwas über einer Million Euro bis zu weit über 500 Millionen Euro ab. Die Kommunen sind die Gebietskörperschaft mit den meisten Projekten, fast zwei Drittel der Anwendungsfälle entfallen auf sie. Der Anteil an den Investitionen liegt bei rund einem Drittel. Ein weiteres Drittel entfällt auf den Bund mit zehn Projekten. Der hohe Anteil an den Investitionen erklärt sich aus der Größe der Projekte - vor allem der A-Modelle im Bundesfernstraßenbau. Auf Landesebene findet sich eine relativ inhomogene Investitionsaufteilung: Von rund zehn Millionen Euro bis zu 500 Millionen Euro streut das Investitionsvolumen der Projekte.

Der finanzielle Rahmen der derzeit geplanten und ausgeschriebenen Projekte beträgt hochgerechnet mehr als drei Milliarden Euro. Ein Grund für die derzeit wieder steigende Zahl der Projektplanungen ist sicher auch die gestiegene Akzeptanz Öffentlich-Privater Partnerschaften, die sich vor allem aus der positiven Resonanz bisheriger Projekte nährt. Diese spiegelt sich auch in der Bewertung von Öffentlich-Privaten Partnerschaften durch die Verwaltungen: So ergaben Befragungen unter rund 1200 Führungskräften der öffentlichen Hand in Deutschland in den Jahren 2013 und 2014, dass sie zu über 75 Prozent bereit wären, Partnerschaftsprojekte durchzuführen, wenn diese rechtlich möglich und erwiesen wirtschaftlich sind.

IT- und Dienstleistungspartnerschaften - moderne Verwaltungen der Zukunft

Im IT- und Dienstleistungssektor bieten sich zahlreiche Möglichkeiten der Zusammenarbeit, ob innerhalb von Verwaltungen oder zwischen Verwaltungen und der Privatwirtschaft. Hierzu zählen die öffentliche IT, ausgewählte Serviceprozesse, allgemeine Verwaltungsprozesse oder digitale Verwaltungsangebote. Durch die intelligente Arbeitsteilung mit dem richtigen Partner lassen sich gleichermaßen monetäre und qualitative Wirtschaftlichkeitseffekte erzielen.

Dabei können Kooperationen mit dem Ziel der Kostenoptimierung eingegangen werden oder um durch das gemeinsame Nutzen eines Expertenpools schwer verfügbarer Fachleute wie Standesbeamte, Fachjuristen, Experten des Bau- oder Beamtenrechts an möglichst vielen Orten bei einem tatsächlichen Bedarf einsetzen zu können. Abhängig von der Intensität und den Zielen der Partner lassen sich drei Formen der Zusammenarbeit unterscheiden: Die einfache, gemeinsame Koordination ermöglicht es, strategische oder wirtschaftliche Vorteile zu erzielen. Gleichartige Aufgaben lassen sich durch Aufgabenbündelung gemeinsam erledigen. Für diese integrierte Form der Zusammenarbeit werden zum Beispiel Anstalten, Zweckverbände oder öffentliche GmbHs gegründet, die finanzielle Mittel und Personal übergreifend organisieren. Wird nicht nur eine Bündelung, sondern auch eine Transformation der Aufgabenwahrnehmung angestrebt, können private Partner eine entscheidende Rolle einnehmen: Die Verwaltung kann sich der Expertise der Privaten zum Beispiel in den Bereichen Geschäftsprozessoptimierung, Projekt- und Veränderungsmanagement bedienen.

Systematisch genutzt, würde diese Form der Zusammenarbeit in Deutschland ein enormes Potenzial entfalten, das die Eigenständigkeit der Akteure nicht infrage stellt und wichtige Mittel für andere Bereiche frei werden lässt. Durch den Einsatz privater Partner in Partnerschaftsmodellen würden strategische Ziele der Verwaltung noch besser gestaltbar (Abbildung 2).

Transparente Entscheidung für Partnerschaftsprojekte

Wichtig für die Entscheidung der Verwaltung pro oder contra ÖPP sind transparente Entscheidungskriterien. Hierzu dienen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen oder -betrachtungen, zu denen die Verwaltungen von Bund und Ländern nach den jeweiligen Haushaltsordnungen auch verpflichtet sind. Diese stellen die voraussichtlichen Erstellungs-, Betriebs-, Transaktionskosten für eine definierte Projektlaufzeit den erwartbaren Kosten einer klassischen Einzelbeschaffung gegenüber. Es gilt: Nur wenn ÖPP nachgewiesen wirtschaftlich, das heißt, günstiger als die Einzelbeschaffung ist, darf diese Beschaffungsvariante gewählt werden. Bei klassischen Einzelbeschaffungen scheint es hier viel Nachholbedarf zu geben: Der Bundesrechnungshof stellte im April 2013 fest, dass für nahezu 85 Prozent der von Bundesministerien und nachgeordneten Behörden gemeldeten finanzwirksamen Maßnahmen keine hinreichenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen vorgelegen hätten.

Für die Vergleichbarkeit der Analyseergebnisse und verbesserten Nutzungsmöglichkeit durch die öffentliche Verwaltung hat die ÖPP Deutschland AG im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland ein kostenfrei beziehbares Standardmodell für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen entwickelt. Das in Excel erstellte Standardmodell wird mit transparenter Struktur, Funktions- und Berechnungsweise abgegeben. Derzeit laufen die letzten Arbeitsschritte für eine verbesserte zweite Version mit erheblichen Vereinfachungen für die Nutzer und erweitertem Funktionsumfang.

Grundsätzlich gilt, dass die öffentliche Hand nur dann in Projekte investieren sollte, wenn sie sich die geplante Investition - ob konventionell oder als ÖPP - finanziell leisten kann. Die anfallenden Haushaltsausgaben werden in der Folge in den jeweiligen Haushalten und Finanzplanungen von Bund und Ländern veranschlagt und transparent dargestellt (bei langfristigen Ratenverpflichtungen als sogenannte "Verpflichtungsermächtigungen" unter dem jeweiligen Haushaltstitel). Eine solche Form der Projektrealisierung stellt daher auch nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums keine Umgehung der in Deutschland vor Kurzem im Grundgesetz eingeführten sogenannten "Schuldenbremse" dar.

Transparenz bedeutet aber mehr als nachvollziehbare Wirtschaftlichkeitsberechnungen: Auch die Offenlegung der Verträge ist ein Weg, Partnerschaften transparent zu gestalten und die Verwaltungen von anderen lernen zu lassen. Auf der von der ÖPP Deutschland AG eingerichteten Transparenzplattform (www.partnerschaftendeutsch land.de/transparenzplattform) sind 17 Original-Verträge im Internet öffentlich einsehbar. Offengelegt werden hierbei auch die in jedem dargestellten Einzelfall von den Vertragspartnern übernommenen Risiken.

Finanzierung bisher eher klassisch

ÖPP-Projekte sind zu größten Teilen fremdfinanzierte Vorhaben. Die Eigenkapitalanteile gehen selten weit über zehn Prozent der Investitionssumme hinaus. Die beiden vorherrschenden Varianten der Finanzierung bilden einerseits die Forfaitierung - meist mit Einredeverzicht - sowie die Projektfinanzierung. Die Forfaitierung bildet mit rund 70 Prozent der Fälle einen Großteil der Projekte ab und kommt in der Regel ohne Eigenkapitaleinsatz aus.

Der große Vorteil kommunalkreditähnlicher Konditionen wird hier voll genutzt. Allerdings ist sie eher für kleinere Projektvolumina geeignet und kommt bei größeren Projekten über 25 Millionen Euro selten zum Einsatz. Hier findet sich das Haupteinsatzgebiet der Projektfinanzierung. Obwohl weniger als ein Viertel der Projekte mittels Projektfinanzierung realisiert wurden, beträgt der Anteil an den Investitionen rund 60 Prozent, bei Straßeninfrastrukturprojekten sogar etwa 80 Prozent. Ebenso wie die Streuung der Investitionsvolumina ist auch die Beteiligung der finanzierenden Kreditinstitute. Von überwiegend lokal agierenden Kreditinstituten bis zum Europa- oder weltweit agierenden Institut beteiligt sich eine Vielzahl von Unternehmen am ÖPP-Markt. Besonders bei den kommunalen Projekten finden sich eher Institute mit regionalem Bezug.

Allerdings ist hier ein wesentliches Merkmal bestimmend: Eine große Erfahrung mit kommunalen Kreditfinanzierungen. Bei größeren Projektvolumina stellen häufig mehrere Institute gemeinsam die Kredite. Für zukünftige Projekte interessante Modelle wie eine beigestellte Finanzierung oder ein Finanzierungswettbewerb sind bisher eher die Ausnahme.

Infrastrukturfinanzierung in Deutschland - Perspektive Bond Financing?

Neuen Schwung in die Infrastrukturfinanzierung hat die Finanzierung des Bundesfernstraßenprojektes BAB A7 gebracht. Teile des für den Ausbau der Strecke notwendigen Geldes wurden über eine Projektanleihe beschafft. Projektanleihen werden durch die EU mit dem Einsatz der EIB unterstützt. Mit der Europa-2020-Projektanleiheninitiative sollen auf Strecken der Transeuropäischen Netze (TEN) verstärkt private Investoren eingebunden werden. Eine Marktübersicht der EPEC (European PPP Expertise Centre) bestätigte zwölf anleihefinanzierte Projekte im Jahr 2013 in Europa.

In Großbritannien, in Australien sowie Nord- und Südamerika werden Finanzierungen mittels langfristiger festverzinslicher Anleihen bereits länger genutzt. Vor allem Pensionsfonds beteiligen sich vermehrt an Infrastrukturanleihen. Das Volumen der Projekte liegt nach OECD-Angaben bei mehr als sechs Billionen US-Dollar.

Sowohl das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie als auch das Bundesministerium der Finanzen beraten derzeit in Expertengruppen über die verstärkte Einbindung privaten Kapitals in die Infrastrukturfinanzierung. Für beide Seiten, die öffentliche Hand und die Finanzwirtschaft, könnte eine schnelle Lösung aufgrund des derzeit niedrigen Zinsniveaus und der hohen zur Investition bereitstehenden liquiden Mittel von Vorteil sein.

Partnerschaften Deutschland - Berater und Kommunikator für die öffentliche Hand

Die ÖPP Deutschland AG ist 2008 als unabhängiges Beratungsunternehmen für öffentliche Auftraggeber vom Bundesministerium der Finanzen und vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gegründet worden. Beraten werden Bund, Länder und Kommunen zu strategischen Kooperationsmodellen wie Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP).Gleichzeitig werden in Grundlagenarbeiten Partnerschaft- und Kooperationsansätze weiterentwickelt, Rahmenbedingungen und Markttrends analysiert und Mustervorlagen für die öffentliche Hand erstellt, um Partnerschaftsprojekte standardisiert und kostensparend umsetzen zu können. Die ÖPP Deutschland AG setzt sich für die Transparenz der Partnerschaftsprojekte ein und bietet eine Plattform für den Diskurs zwischen öffentlicher Verwaltung und Privatwirtschaft.Sie ist selbst eine öffentlich-private Initiative, an der Bund, Länder und Kommunen zurzeit 57 Prozent der Anteile halten. 43 Prozent der Anteile liegen bei einer Beteiligungsgesellschaft (BTG), in der 70 Unternehmen und Verbände aus allen ÖPP-relevanten Sektoren Gesellschafter sind. Aktuelle und weitere Informationen sind nachlesbar unter:www.partnerschaften-deutschland.de

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X