Wohnungswesen

Leerstände setzen Eigenheimpreise unter Druck

Dr. Oliver Lerbs, Stellvertretender Bereichsleiter, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim

Die Autoren des vorliegenden Beitrages widmen sich dem zunehmenden Wohnungsleerstand in ländlichen und peripheren Gebieten. Ein Thema also, das die Kehrseite des Immobilienbooms in den Großstädten beleuchtet. Und das mit wissenschaftlichen Methoden. Für die Analyse wurden neben kleinräumigen Daten zum Wohnungsleerstand erstmals über 10 000 Verkaufsfälle von Eigenheimen in vier Bundesländern ausgewertet. Der genaue Einfluss von Leerständen auf Immobilienpreise in Deutschland sei bisher kaum bekannt gewesen und in dieser Form auch noch nicht untersucht worden. Ein Ergebnis sei, dass sich ein Standardeigenheim je nach Bundesland bei einer Verdopplung der lokalen Leerstandsquote zu einem fünf bis acht Prozent geringeren Preis verkaufe. Red.

In Deutschland wird derzeit ausführlich über steigende Immobilienpreise in Großstädten diskutiert. Weniger im Fokus stehen zunehmende Wohnungsleerstände in ländlichen und peripheren Gebieten - die Preisdynamik vollzieht sich dort eher gegenläufig zu der in den Agglomerationen. Als Wissenschaftler des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim zeigen wir in einem aktuellen Diskussionspapier, dass leerstehende Wohnungen systematischen Preisdruck auf zum Verkauf stehende Immobilien in ihrer Umgebung ausüben. Die Untersuchung wurde im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekts "Single-Family-Homes under Pressure (Homes-uP)" erstellt, das durch die Forschungsgemeinschaft Wilhelm Leibniz gefördert wird und an dem mehrere deutsche Forschungsinstitute teilnehmen. Für die Analyse wurden neben kleinräumigen Daten zum Wohnungsleerstand erstmals über 10000 Verkaufsfälle von Eigenheimen in vier Bundesländern (Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt) ausgewertet.

Für Eigentümer in Gemeinden mit wachsenden Leerständen sind diese Ergebnisse unbequem, denn sie bedeuten, dass ihre Häuser trotz Niedrigzinsen wahrscheinlich schon heute weniger wert sind, als sie es vermuten. Dies lässt die private Wohnimmobilie als Instrument zur pri vaten Altersvorsorge in Gemeinden mit hohen Leerständen in keinem guten Licht erscheinen. Dies gilt umso mehr, als sich Leerstände im Zeitverlauf tendenziell noch verfestigen, wie wir anhand von Daten aus älteren Wohnungszählungen belegen können. Steigende Leerstände und damit verbundene Preisabschläge sind also zugleich ein Appell an die Politik, hier langfristig entgegenzuwirken.

Gewisse Fluktuationsreserve ist notwendig

Leer stehende Wohnungen sind zunächst nicht automatisch etwas Negatives. Eine gewisse Fluktuationsreserve ist notwendig, damit Umzüge möglich sind und lokale Wohnungsmärkte reibungslos funktionieren können. Ab einer Leerstandsquote von sechs bis sieben Prozent lässt sich allerdings allmählich von einem problematischen Wohnungsmarkt ausgehen. Ab zehn Prozent Leerstand wird es kritisch. Die entsprechende Überversorgung mit Wohnraum belastet schließlich Eigentümer und Lokalpolitik, beispielsweise durch Kosten zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur für Quartiere mit vielen ungenutzten Wohnungen (siehe Abbildung 1).

Wo treten problematisch hohe Leerstände auf? Insbesondere Gemeinden in Ostdeutschland sind betroffen, was aber nicht ausschließlich gilt. Auch in den alten Bundesländern leiden viele strukturschwächere Gemeinden bereits heute unter hohen Leerständen, beispielsweise im nordöstlichen Bayern, in Teilen von Rheinland-Pfalz oder Südniedersachsen. Die Ursachen dauerhafter Leerstände können dabei vielfältig sein: unpassende Wohnungen, Abwanderung, schlechte Verkehrsanbindung oder fehlende Freizeitangebote sind nur ein Teil des denkbaren Spektrums. Dieser strukturelle Leerstand ist oft kleinräumig konzentriert. Eine genauere Analyse zeigt, dass die lokale Wirtschaftskraft der maßgebliche Faktor ist: Darunter lassen sich beispielsweise die Arbeitslosenquote und das Pro-Kopf-Einkommen einer Gemeinde subsumieren. Weniger entscheidend ist hingegen der Grad der Urbanisierung, die unter anderem die Wohnungsdichte und den Anteil an Einfamilienhäusern zusammenfasst. In der Tat gibt es nicht nur ländliche Gemeinden, sondern auch viele Städte, die von hohen Leerständen betroffen sind, wie etwa Magdeburg oder Frankfurt (Oder).

Kaufpreissammlungen analysiert

Zur Untersuchung der Wirkung von Leerständen auf Marktwerte von Eigenheimen haben wir insgesamt über 10 000 Verkaufsfälle von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Reihenhäusern aus den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte im Jahr 2011 analysiert. Diese Informationen wurden mit Leerstandsdaten auf Gemeindeebene kombiniert, die aus der Gebäude- und Wohnungszählung desselben Jahres stammen. Neben dem Kaufpreis enthalten die Kaufpreissammlungen wesentliche preisbeeinflussende Objektmerkmale wie etwa die Wohnfläche, die Ausstattung oder das Baujahr. Als mögliche preisbeeinflussende Faktoren auf Gemeindeebene lassen sich beispielsweise die Bevölkerungsdichte oder das Pro-Kopf-Einkommen berücksichtigen. Trotz ihrer hohen Qualität wurden Mikrodaten aus den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse bisher kaum für wissenschaftliche Zwecke ausgewertet. Die Verschneidung mit Zensusdaten ist sogar bislang einzigartig.

Der genaue Einfluss von Leerständen auf Immobilienpreise in Deutschland war bisher kaum bekannt. Vergleichbare Studien für die USA stellen überwiegend auf Zwangsvollstreckungen statt auf Leerstände per se ab, während Analysen für andere europäische Länder oder Deutschland alles in allem Mangelware sind. Eine möglichst exakte Quantifizierung ist aber für Eigentümer, Käufer und Politik von hohem Wert. Unsere Studie zeigt, dass Eigenheime in Gemeinden mit einer doppelt so hohen Leerstandsquote im Schnitt zu 30 Prozent geringeren Preisen gehandelt werden. Ein Teil dieser Preisunterschiede erklärt sich freilich durch Unterschiede in der Qualität der gehandelten Objekte sowie der allgemeinen Standortattraktivität der Gemeinden. Um zu einer brauchbaren Aussage zu gelangen, muss der Effekt höherer Leerstände statistisch isoliert werden.

Dazu eignet sich das sogenannte "hedonische Regressionsverfahren". Dieses beruht auf dem Gesetz der großen Zahlen und erklärt die Verkaufspreise vieler einzelner Transaktionen durch konkrete Objektcharakteristika und Gemeindevariablen. Dabei ist unter anderem die Berücksichtigung von unterschiedlichen Qualitäten der Mikrolage essenziell. Zu diesem Zweck lassen sich die von den Gutachterausschüssen amtsmäßig festgestellten Bodenrichtwerte der gehandelten Objekte verwenden. Durch die Berücksichtigung vieler preisbestimmender Merkmale lassen sich im Ergebnis gewissermaßen "Standardeigenheime" miteinander vergleichen, die sich lediglich darin unterscheiden, ob sie in einer Gemeinde mit hoher oder niedriger Leerstandsquote stehen (siehe Abbildung 2).

Im Endergebnis zeigt sich, dass sich ein solches "Standardeigenheim" je nach Bundesland bei einer Verdopplung der lokalen Leerstandsquote zu einem fünf bis acht Prozent geringeren Preis verkauft. In Euro ausgedrückt, bedeutet dies für ein typisches Eigenheim in Brandenburg einen Wertabschlag von rund 9700 Euro, in Niedersachsen von 10400 Euro, in Rheinland-Pfalz 15000 Euro und in Sachsen-Anhalt 5900 Euro. Grafisch abbilden lassen sich diese Preiseffekte anhand von mittleren, um Qualitätsunterschiede bereinigten Verkaufspreisen von Eigenheimen bei verschiedenen Leerstandshöhen. Für alle vier analysierten Bundesländer sind sinkende Verkaufspreise bei höheren Leerstandsquoten klar erkennbar, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau.

"Geisterimmobilien" drücken Preise benachbarter Häuser

Der negative Preiseffekt höherer Leerstände lassen sich durch zwei wesentliche Wirkungskanäle erklären: Leerstände bedeuten zum einen ein höheres Wohnungsangebot, sodass potenziellen Käufern viele alternative Objekte zur Verfügung stehen und Verkäufer kaum Verhandlungsmacht bei der Preissetzung besitzen. Zum anderen können von leerstehenden Immobilien sogenannte negative externe Effekte ausgehen, die den Preis benachbarter Objekte drücken - etwa wenn die Bausubstanz eines leerstehenden Objekts durch mangelnde Instandhaltung verödet, Vandalismus auftritt oder "Geisterimmobilien" ganz allgemein ein düsteres Bild über die Zukunftsfähigkeit einer Gemeinde zeichnen.

Aus systematischen Kaufpreisabschlägen durch Leerstand im Wohnumfeld könnte nun vorschnell gefolgert werden, dass alles reibungslos funktioniere und kein Handlungsbedarf bestehe. Sinkende Kaufwerte könnten langfristig mehr Nachfrager anziehen, hoher Leerstand sich "von unsichtbarer Hand" wieder verringern.

Vergleicht man jedoch historische Leerstandsquoten mit aktuellen, so zeigt sich das Gegenteil. Dazu haben wir die Leerstandsquoten von 2011 mit den jeweils letztmals in einer Wohnungszählung ermittelten Leerstandsquoten (1987 in den alten, 1995 in den neuen Bundesländern) korreliert. In allen vier Bundesländern findet sich ein positiver Zusammenhang: Gemeinden, die schon vor mehreren Jahrzehnten vergleichsweise hohe Leerstände aufwiesen, tun dies also tendenziell heute noch. Dies gilt selbst dann, wenn Unterschiede in Siedlungsstrukturen, Zentralität und langfristigem Wachs tum der Gemeinden berücksichtigt werden oder beachtet wird, ob eine ostdeutsche Gemeinde am Stadtumbauprogramm Ost beteiligt war. Die Regressionskoeffizienten lassen sich dabei wie folgt lesen: War die Leerstandsquote einer bestimmten Gemeinde im Vergleich zu einer anderen in der Vergangenheit um einen Prozentpunkt höher, so ist sie je nach Bundesland auch heute um 0,1 bis 0,5 Prozentpunkte höher.

Lokal vorhandener Leerstand baut sich also nicht über die Zeit ab, er bleibt vielmehr dauerhaft. Dass Leerstand zu niedrigeren Preisen führt, löst das Problem für Eigentümer, Nachbarn und Gemeinden demnach nicht. Somit ist die Politik gefragt. Der Situation ließe sich zum Beispiel wirtschaftspolitisch begegnen, indem dauerhaft nicht mehr marktfähige Immobilien mit staatlicher Unterstützung, etwa durch Abrissprämien, vom Markt genommen würden.

Sämtliche demografischen Prognosen zeigen, dass es in Deutschland künftig deutlich mehr Gemeinden geben wird, in denen die Bevölkerungszahl kontinuierlich schrumpft. Auch mit Blick auf langfristig wieder steigende Zinsen sollte daher auch in den alten Bundesländern über den gezielten Rückbau überschüssiger Wohnungen nachgedacht werden.

Die Autoren Dr. Oliver Lerbs Stellvertretender Bereichsleiter Markus Teske Wissenschaftlicher Mitarbeiter, beide Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim

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