Markt- und Objektbewertung

Megatrends - Auswirkungen auf Immobilienwerte und Marktstrukturen

Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung Deutschland Quelle: United Nations, LB-Immowert Research (2015)

Bei der Einschätzung des künftigen Wertes einer Immobilie gilt es mehr denn je, einen Blick über den Tellerrand hinaus zu werfen. Von großer Bedeutung sind hierbei aus Sicht der Autorin künftige Trends und Megatrends. Denn auch der deutsche Immobilienmarkt kann sich den globalen Megatrends sowie einer Reihe weiterer aktueller Einzelfaktoren nicht entziehen. Im Hinblick auf die wertbeeinflussenden Faktoren des Immobilienwertes haben diese Faktoren einen direkten oder indirekten Einfluss.

Das Spannungsdreieck der Trends Demografie, Urbanisierung, Mobilität, Nachhaltigkeit und Digitalisierung birgt aus Sicht der Autorin die größten Chancen für positive Wertentwicklungen bei Immobilienanlagen. Red.

Sind die uns allen altbekannten Fingerzeige der erfahrenen, honorigen Immobilienfachleute "Lage, Lage, Lage" noch ausreichend um die Faktoren zu beschreiben, die aktuell und künftig den Wert einer Immobilie maßgeblich beeinflussen? Bestimmt werden die "3 L-Faktoren" niemals auszuschließen sein, wichtig ist es jedoch einen Blick über den Tellerrand zu wagen. Dann stellt sich die Frage welche Trends und Megatrends sowie aktuelle Einzelfaktoren in unserer Zeit einen Einfluss auch auf den Wert von Immobilien und die Strukturen der Immobilienbranche haben.

Dazu ist natürlich zu klären, was Megatrends eigentlich sind. Megatrends sind jene Trends, die einen großen und epochalen Charakter haben. Ihre Halbwertszeit (die Zeit bis zum Zenit ihrer Wirksamkeit) nehmen wir mit 30 oder mehr Jahren an. Das entscheidende Merkmal von Megatrends ist aber weniger ihre Dauer, sondern ihr "Impact". Sie verändern nicht nur einzelne Segmente oder Bereiche des sozialen Lebens oder der Wirtschaft. Sie formen ganze Gesellschaften um. 1) Als Megatrends gelten beispielsweise Individualisierung, Female Shift, Silver Society, Neues Leben, New Work, Gesundheit, Neo-Ökologie, Konnektivität, Globalisierung, Urbanisierung und Mobilität.2) Für die Immobilienwirtschaft werden außerdem Trends erkannt wie Nachhaltigkeit, Zentralisierung, Digitalisierung, neue Arbeitswelten, Regulierung, Demografie, Internationalisierung.3) Im Folgenden wird auf einige dieser Trends und Megatrends weiter eingegangen.

Faktor Demografie

Alterung, Schrumpfung und Internationalisierung führen nicht nur im Städtebau, sondern auch in der Immobilienwirtschaft zu neuen Rahmenbedingungen. Schließlich stellen Immobilien Güter dar, deren Wert sich durch den lokalen Markt, also durch die Angebotsund Nachfragesituation vor Ort bestimmt. Durch die sinkende und sich verändernde Nachfrage aufgrund demografischer Entwicklungen rücken Fragen nach der Verwertbarkeit und Nachhaltigkeit einer Immobilie unter Berücksichtigung der Ortsgebundenheit und langen Nutzungsdauern in den Mittelpunkt der Betrachtung.

Auf dem Immobilienmarkt sind diese Mechanismen nicht ausgeprägt zu erkennen. So reagiert der Wohnungsmarkt auf eine Veränderung der Angebotsund Nachfragestruktur nur mit einer erheblichen Zeitverzögerung. Insbesondere auf Nachfragerückgänge reagiert der Markt nicht mit einer zeitnahen Drosselung des Angebots. Eine eher träge Reaktionszeit ist zu beobachten. Hierfür gibt es zahlreiche Gründe: Durch die Unbeweglichkeit können Immobilien nicht zu einem Markt mit höherer Nachfrage transferieren. Hierfür sind unter anderem die hohen Herstellungskosten, Abbruchkosten und lange Lebensdauern verantwortlich.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich in schrumpfenden Gebieten die Investitionsbereitschaft für Instandhaltungsund Modernisierungsmaßnahmen aufgrund von fehlenden Renditeaussichten nachlässt, sodass die Angebotsvielfalt beziehungsweise Qualität der Gebäude weiter sinkt. Als Folge nimmt die Attraktivität des Ortes weiter ab und schließlich sind weitere Einwohnerverluste zu verbuchen.

Innerhalb demografischer Entwicklungen werden schrumpfende Städte zunehmend mit strukturellen Leerständen konfrontiert. In den wachsenden Städten zeigen sich die Abhängigkeiten weniger deutlich. Hierdurch ergibt sich, dass der demografische Preisdruck nach unten größer ist als nach oben.

Veränderte Nachfragemuster

Sich verändernde Lebens- und Arbeitsräume führen zu sich wandelnden Ansprüchen und veränderten Nachfragemustern beispielsweise im Bereich Wohnraum. Ein sich abzeichnender Trend ist die Re-Urbanisierung. Erkennbar beispielsweise an der Bevölkerungsentwicklung "Stadt" versus "Land" seit dem Jahr 2001. Hier wird deutlich sichtbar, dass die Bevölkerung in der Stadt wächst und auf dem Land kontinuierlich schrumpft. Dies erhöht den Druck auf den innerstädtischen Wohnraum. Es kommt insbesondere in den Metropolregionen zu Preisanstiegen.

Ein Versuch der Bundesregierung steigenden Mieten gegenzusteuern ist die Mietpreisbremse, die zumindest langfristig Wirkung zeigen sollte. Eine Verstärkung der regionalen Disparitäten mit einhergehenden erheblichen Wertzuwächsen in Metropolregionen beziehungsweise Wertverlusten in benachteiligten strukturschwachen Regionen durch das Zunehmen von strukturellen Leerständen wird sich abzeichnen. Nach einer jüngst von der RICS veröffentlichten Studie 4) wird es im Jahr 2030 weltweit insgesamt 41 sogenannte Megacities mit mehr als 10 Millionen Einwohnern oder mehr geben und damit über 4-mal so viele Megacities wie im Jahre 1990.

Alle damit einhergehenden Einflüsse wie Stadtplanung und das daraus resultierende Angebot an passenden Wohn- und Arbeitsräumen, Infrastruktureinrichtungen, öffentlicher Personennah- und Fernverkehr, Individualverkehr um nur einige Aspekte zu nennen, werden direkten Einfluss auf die Wertentwicklung der Immobilien haben. Aufgrund der in den Städten zunehmenden Bevölkerungsdichte wird im Mittelpunkt bezahlbarer Wohnraum stehen.

Faktor Mobilität

Eine Zunahme der allgemeinen und individuellen Mobilität ist aktuell wie zukünftig eine Herausforderung. Für Verkehrs- und Stadtplanung bedeutet dies sinnvolle Konzepte für Transport der Ein- und Auspendler in die Metropolregionen zu entwickeln. Im Hinblick auf die Ausstattung von Arbeitsplätzen ist das Organisieren von "mobilem Arbeiten" und der dafür benötigten Infrastruktur unabdingbar. Für den Wert von Immobilien bedeutet dies einen genauen Blick auf die Risikostruktur der Objekte, also insbesondere Makro- und Mikrolage, Objekteigenschaften und die Situation des Cashflow zu werfen. Ein adäquates Instrument zur Einschätzung bietet hier die VÖB-Immobilienanalyse.

Einfluss durch Digitalisierung

Rund um das Schlagwort Digitalisierung und Big Data arbeitet auch die Immobilienbranche unter Hochdruck daran sich auf diesem Feld zu professionalisieren. Wertbeeinflussend kann sich eine dadurch steigende Transparenz in Verbindung mit einer Reduzierung des aufgrund von Informationsdefiziten implementierten Risikos auswirken. Methoden wie das Building-Information-Modeling (BIM) bilden dabei möglicherweise einen Schlüssel.

Gleichzeitig ist eine Zunahme der Regulierung allgemein und der Bankenregulierung im Speziellen zu beobachten. Hier ist der professionelle Umgang mit großen Datenmengen erforderlich. Dies fordert höhere Disziplin aller Akteure. Die Implementierung von granularen, statistischen Meldesystemen wie "Analytical Credit Datasets" (AnaCredit) und die Vorschriften der Capital Requirements Regulations (CRR) seitens der EZB erfordern zudem viel multidimensionales Fachwissen.

Faktor Nachhaltigkeit

Die Aspekte der Nachhaltigkeit und energetischen Effizienz sind auch bei der Immobilienwertfindung zu berücksichtigen und haben Einfluss auf den Wert als solchen. Eine systematische Integration der Aspekte in Wertgutachten ist sinnvoll, da jederzeit neu hinzugewonnene Erkenntnisse ergänzt werden können. Ein Eingriff in bestehende Bewertungssysteme oder -methoden ist dabei nicht nötig. So haben die Aspekte Risiken und Verhältnisse am Standort, Quartiersmerkmale, Verkehrsanbindung beispielsweise Einfluss auf den Wert im Bereich der Lage beziehungsweise des Grundstücks. Beim Gebäude sind es maßgeblich Aspekte der technischen Qualität (zum Beispiel Energieeffizienz, Schall- und Wärmeschutz, Reinigung und Instandhaltung).

Dazu kommen aktuelle Einzelfaktoren welche ebenfalls den Wert der Immobilie oder auch die Immobilienbranche mit ihren Strukturen und Akteuren beeinflussen. Dazu gehören politische und wirtschaftliche Stabilität. Für 2016 wird erwartet, dass die Weltkonjunktur ihre moderate Erholung fortsetzt 5). Dies allgemein stabile Umfeld sorgt für ein nach wie vor attraktives Investmentklima in das Asset Immobilie und somit tendenziell zu steigenden Immobilienwerten.

Auch im kommenden Jahr 2016 ist ein niedriges Realzinsniveau wahrscheinlich. Dies treibt Anleger in Wohn- und Gewerbeimmobilien, wodurch die Immobilienwerte tendenziell steigen. Vor diesem Hintergrund erhöht sich jedoch auch die Wahrscheinlichkeit von Preisübertreibungen in einzelnen Regionen und Assetklassen. 6)

Neue Themen wie Bewertung von Flüchtlingsunterkünften

Welche Auswirkungen aus der aktuellen Situation insgesamt auf den Immobilienmarkt und die Wertentwicklung bestehen, kann derzeit nur schwer eingeschätzt werden. Für Investoren einerseits und Sachverständige für Immobilienbewertung andererseits ergeben sich neue Themen wie die Bewertung von Flüchtlingsunterkünften.

Zu hinterfragen sind beispielsweise Auswirkungen auf die Werte im Bereich Bauleitplanung, Zulässigkeit von Bauvorhaben nach Paragraf 34 BauGB im Innenbereich (Nutzungsänderungen zulässiger errichteter Geschäfts-, Bürooder Verwaltungsgebäude) beziehungsweise Paragraf 35 BauGB im Außenbereich (Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich) im Hinblick auf die Änderungen des Paragrafen 246 BauGB. Die Behörden sind nunmehr verpflichtet genau zu begründen, wenn sie der Umnutzung leerstehender Bürogebäude und der vom Eigentümer beantragten Ausnahmegenehmigung nicht zustimmen.

Märkte spiegeln Trends und Einzelfaktoren wider

Sind Bauvorhaben für soziale Zwecke in einem Gebiet mit bestehendem Bebauungsplan beispielsweise nicht zulässig, kann eine für drei Jahre geltende Ausnahmegenehmigung von den Behörden erteilt werden. Auch die Umnutzung von nicht genutzten Schulen und Krankenhäusern wurde ab 1. November 2015 ermöglicht.

Die oben dargestellten Trends und aktuellen Einzelfaktoren beeinflussen das Verhalten der Marktteilnehmer. Dies führt zur derzeitigen Situation in der zu beobachten ist, dass Anlagedruck in Kombination mit Niedrigzinsumfeld die Investitionen in Immobilien unverändert attraktiv macht. Die positive Preisentwicklung ist in allen Marktsegmenten zu beobachten. Ein Anhalten dieser Entwicklung wird auch in 2016 gesehen. Dabei zeichnen sich Wohninvestments in Deutschlands Top 7 als weiterhin stabil aus. Als wichtige Einflussfaktoren gelten jedoch die Verschiebung der Nachfragemuster. Aufgrund der Urbanisierung ist insbesondere die Nachrage in den Top 7 Deutschen Märkten ungebrochen hoch und die Angebotsentwicklung kann hier nicht folgen. Das dargestellte Scoring Modell vergleicht die Top 7 Standorte hinsichtlich zahlreicher Wohnungsmarktindikatoren und stellt sie der Rendite gegenüber.

München nimmt mit einem Scoring-Wert von über 77 Punkten erneut die Spitzenstellung in unserem Vergleich ein. Grund hierfür ist unter anderem die besonders niedrige Leerstandsquote einerseits sowie die dynamische Bevölkerungsentwicklung andererseits.

Ein Büroinvestment in den Top 7 ist angesichts der attraktiven Renditen - insbesondere für vollvermietete Objekte in Zentrumslagen - weiterhin für nationale und internationale Investoren attraktiv.

So sind beispielsweise die niedrigsten Leerstandsquoten in Berlin und München zu verzeichnen, was jüngst auch die Spitzenmieten deutlich anstiegen ließ. Das Mietpreiswachstum sollte den Anstieg der Kaufpreise/Kapitalwerte für Büroimmobilien in den kommenden Jahren zusätzlich stützen. Dazu spielen auch wie oben dargestellt die technisch hohe Entwicklung der Gebäude sowie Aspekte der Nachhaltigkeit für die Werte der Büroimmobilien eine wichtige Rolle.

Ein Investment im Einzelhandel gilt unverändert als zuverlässiger Anlagehafen. Druck entsteht aufgrund einer Zunahme des Online-Handels. Insbesondere bei den derzeit beliebten Fachmärken und Fachmarktzentren, aber auch Shoppingcentern stellt sich die Frage des zukünftigen Umsatzpotenzials. Die zumeist als Ankermieter fungierenden Elektronik- oder Modemärkte müssen sich verstärkt der Konkurrenz des Online-Handels stellen.

Die Verschiebungen im Verbraucherverhalten hin zum Online-Handel verspricht für Logistikimmobilien eine nachhaltig aussichtsreiche Ausgangsposition. Positive Nachfrageentwicklung in Kombination mit einem verhaltenen Niveau an neuen Logistikflächen oder spekulativen Bauvorhaben führen zu weiter sinkenden Renditen und steigenden Preisen insbesondere in den attraktiven Top 20 Standorten Deutschlands.

Auf steigende Anforderungen vorbereiten

Auch Immobilienbewertungsgesellschaften sollten sich auf die durch Trends verursachten steigenden Anforderungen vorbereiten. Professionelles Arbeiten und eine rundum gute Qualität bilden die Basis die Herausforderungen zu meistern.

Für Bewertungsgesellschaften ist das Gütesiegel "Approved by Hypzert" ein geeignetes Instrument, das Unternehmen nachhaltig aufzustellen und dies nach außen zu spiegeln.

Die Personenzertifizierung eines Gutachters, zum Beispiel nach den Standards der Hypzert oder der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS), steht für Professionalität und ständige Weiterbildung. Einschlägige Berufsgrundsätze und ethische Stabilität - "Having ethics at the heart of what we do" 7) - sind darüber hinaus Maßgaben für vertrauensvolles Handeln.

In einem Immobilienmarktumfeld sich ständig und schnell entwickelnder Anforderungen muss daher Weiterbildung und Talententwicklung, unter dem Stichwort "Winning the war for talent" 8) sowie Mitarbeiterbindung im Fokus der Personalplanung und -entwicklung stehen.

Marktteilnehmer haben nur dann einen langfristigen Wettbewerbsvorteil, wenn sie bereit sind sich dem ständigen Wandel zu unterziehen, ihre Unternehmensziele weiterzuentwickeln und bei Bedarf entsprechend sinnvoll anzupassen.

Fußnoten

1) Megatrend Map 2.0,:zukunfs/institut

2) Megatrend Map 2.0,:zukunfs/institut

3) PMRE Monitor 2014, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

4) RICS Futures - Our changing world, April 2015, S. 5, Schaubild S. 6, Source UN DESA

5) Bayern-LB Research Oktober 2015: Blickpunkt Immobilien/Bayern-LB/LB-Immowert/Real I.S.

6) Immobilienmarkt Deutschland, Bayern-LB, Oktober 2015,

7) RICS Futures - Our changing world, April 2015

8) RICS Futures - Our changing world, April 2015

Die Autorin Monika Preithner Stellvertretende Geschäftsführerin, LB Immobilienbewertungsgesellschaft mbH, München

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