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MICRO-LIVING: APARTMENTWOHNEN VOR DER REIFEPRÜFUNG IN EUROPA

Henrik von Bothmer Quelle: Union Investment

Die Anlageklasse Micro-Living erfreut sich bei Immobilieninvestoren wachsender Beliebtheit. Wirklich verwundern kann das nicht, schließlich steht das Konzept ganz im Einklang mit dem vorherrschenden Zeitgeist, der unter anderem vom Wunsch nach möglichst großer Flexibilität geprägt ist. Eine ganzheitliche Analyse auf vergleichender europäischer Ebene stand für die junge Assetklasse bislang allerdings noch aus. Diese Lücke hat nun eine aktuelle Studie von Bulwiengesa und Union Investment geschlossen. Die Untersuchung bietet professionellen Anlegern erstmals eine detaillierte Orientierung zu Trendentwicklungen sowie attraktiven Zielmärkten und Standorten, inklusive der zu erzielenden Renditen. Red.

Insgesamt kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass temporäre Wohnkonzepte, die unter dem Oberbegriff "Micro-Living" zusammengefasst werden, in Europa unterschiedlich stark entwickelt sind. Für Investoren ist deshalb ein differenzierter Blick erforderlich. Gute Rahmenbedingungen für Micro-Living-Investments herrschen vor allem in Deutschland, Frankreich, UK und den Niederlanden. Kleinere Standorte wie Österreich, Spanien und Irland können als Beimischung attraktiv sein.

Deutlicher Vorsprung der etablierten Märkte

In kaum einem anderen aktuellen Wohntrend manifestieren sich die sozio-demographischen Veränderungen und die Flexibilisierung der Arbeitswelt so wie in der aufstrebenden Assetklasse Micro-Living. Doch von einer einheitlichen Neudefinition des temporären Wohnens sind die europäischen Märkte weit entfernt. Was die europäischen Länder eint, ist die in hohem Maße ausdifferenzierte Vielfalt des Apartmentwohnens auf Zeit. In Bezug auf Anbieterstrukturen, der Professionalität und Internationalität der Akteure, steuerliche Regelungen oder Beteiligung der öffentlichen Hand an der Wohnraumversorgung zeigen sich hingegen signifikante Unterschiede.

Diese beschreiben in Europa eine markante Trennlinie zwischen großen und bereits etablierten Märkten mit nachhaltigen Renditeperspektiven und "Emerging Markets" mit noch gering ausgeprägter Investmentfähigkeit. Der Großteil der Märkte in Europa befindet sich in einem frühen Entwicklungsstadium und steht damit noch vor der Reifeprüfung. Zu diesem Ergebnis kommt die breit angelegte Marktstudie, bei der erstmals die wichtigsten europäischen Investment-Hotspots in den beiden populärsten Marktsegmenten Studenten- beziehungsweise Businessapartments und den hotelnahen Serviced Apartments zusammenfassend untersucht wurden.

Kein paradiesischer Zufluchtsort

Als Leuchttürme für Micro-Living-Investments identifiziert die Untersuchung Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die Niederlande. Im Europa-Ranking der für Investoren attraktivsten Märkte landen damit vier Länder auf den Toppositionen, in deren Hauptstädten und Metropolregionen Studierende und Young Professionals vielfach mit angespannten Wohnungsmärkten zu kämpfen haben. In diesen etablierten Micro-Living-Märkten trifft eine bereits hohe Aktivität privater Investoren, messbar am Volumen projektierter Apartmenthäuser, auf eine trotz allem niedrige private Versorgungsquote. Gute Voraussetzungen also für Wohnentwickler und Investoren: In Deutschland liegt speziell im mittleren Preissegment, in dem deutlich zu wenig gebaut wird, erhebliches Potenzial, wie die Studie zeigt.

Was weiterhin auffällt: Hinsichtlich Transparenz und Transaktionsvolumina befinden sich die für den Marktreport analysierten Märkte für Studenten- und Businessapartments in allen neun untersuchten Ländern auf einer höheren Entwicklungsstufe als die jeweiligen Märkte für Serviced Apartments. Entsprechend breiter präsentiert sich bei den Studenten- und Businessapartments auch das Spektrum der investmentfähigen Märkte. Für Investoren stellt sich jedoch andererseits in vielen Märkten die Herausforderung der geringen Verfügbarkeit von Bestandsprodukten. Projektentwicklungen haben zum Teil lange Vorlauf- und Realisierungszeiträume. Zudem sind Fragestellungen der steuerlichen Gewerblichkeit zu klären. Hinzu kommen ein wachsender Preiswettbewerb sowie generell im Pachtmodell geringere Renditen. Die Anlageklasse Micro-Living ist also insgesamt kein paradiesischer Zufluchtsort für professionelle Immobilienanleger. Auch hier gibt es Hürden und Herausforderungen, die zu meistern sind.

Punktuelle Investmentfähigkeit kleinerer Märkte

Im Segment der Studenten- und Businessapartments bieten laut Studie nicht nur die bereits etablierten Märkte in den großen europäischen Volkswirtschaften, sondern auch die kleineren Märkte Österreichs, Spaniens und Irlands gute Rahmenbedingungen für punktuelle Investments und zur Portfoliobeimischung. In dieser Gruppe sticht Österreich besonders hervor, das mit seinem Renditeniveau in der gleichen Liga spielt wie die etablierten europäischen Länder, was wiederum auf einen bereits stabilen Markt schließen lässt (siehe Abbildung 1). Die Aktivitäten der privatwirtschaftlichen Anbieter in Österreich konzentrieren sich noch weitgehend auf den Hauptstadtmarkt Wien. Vom Nachfragepotenzial, das die neuen Lebens- und Arbeitsstile mit sich bringen, dürften jedoch künftig auch Städte wie zum Beispiel Salzburg oder Graz noch stärker profitieren. Hier werden sich mittelfristig deutlich höhere Transaktionsvolumina zeigen.

Eine ähnlich dynamische Entwicklung ist für Irland und Schweden zu erwarten, deren Wohnungsmärkte oftmals keine adäquaten schnellen Lösungen für Studenten zulassen. Zurückzuführen ist dies auf die relativ hohen Eigentumsquoten, deren Entsprechung kleinere Mietwohnungsmärkte sind. Durch deutlich gestiegene Transaktionsvolumina bei Studenten- und Businessapartments fallen in der Gruppe der kleinen Märkte vor allem Österreich, Spanien und Irland auf. So wurden in Österreich 2017 mit 307 Millionen Euro 230 Prozent mehr umgesetzt als im Jahr 2016. Spanien verzeichnete nach Großbritannien und Deutschland mit rund 784 Millionen Euro das drittgrößte Transaktionsvolumen im vergangenen Jahr (siehe Abbildung 3).

Die höchsten Nettoanfangsrenditen im europäischen Vergleich weisen der Studie zufolge derzeit Spanien und Polen aus. In diesen traditionell geprägten Ländern läuft die Entwicklung bezogen auf veränderte Formen des Zusammenlebens, des Wachstums von Ein-Personen-Haushalten sowie der rückläufigen Zahlen der jüngeren Bevölkerung anderen europäischen Märkten hinterher.

Nischenprodukt Serviced Apartments

Im Vergleich zu den Studenten- und Businessapartments ist im Segment Serviced Apartments die Investmentfähigkeit der kleinen Märkte kritisch zu hinterfragen. Mit Serviceangeboten ausgestattete Apartmenthäuser stellen selbst in den großen und etablierten Märkten nach wie vor eher ein Nischenprodukt dar, dessen Transaktionsgeschehen noch vergleichsweise intransparent ist. Auch erweist sich in diesem Segment die Anbieterstruktur als vergleichsweise fragmentiert.

Ein positiver Indikator für die Entwicklung in vielen der analysierten Märkte ist die rege Aktivität zahlreicher, auch neuer Betreiber internationaler Herkunft. Die Qualität des Angebotes und die Etablierung neuer Produkte und Marken werden das Marktgeschehen zunehmend professionalisieren. Die Etablierung von Serviced Apartments am Investmentmarkt ist - wenn auch noch in unterschiedlichen Geschwindigkeiten - überall im Gange. Das belegen die in diesem Segment gestiegenen Transaktionsvolumina gegenüber früheren Jahren deutlich. Als aktivste Märkte weist die Studie Deutschland und Großbritannien aus, auf die rund 86 Prozent des gesamten registrierten Transaktionsvolumens entfallen.

Mobilität und Tourismus als Treiber

Die zunehmende Mobilität am Arbeitsmarkt und die Zunahme der touristischen Attraktivität und Aktivität in vielen Städten sind starke Treiber für neue Konzepte. Insbesondere bei längeren, aber zeitlich begrenzten Aufenthalten sind Alternativen zum Hotelzimmer bei Young Professionals, Projektbeschäftigten und Pendlern willkommen, da die Aufenthaltsqualität bei längeren Aufenthalten, sogenannten "Longstays", in Hotelzimmern eher limitiert und ihre Flexibilität eingeschränkt ist.

Das Nachfragepotenzial dieser Zielgruppen ist in vielen europäischen Städten als hoch zu bewerten. Die hohe Zustimmung auf Nachfrageseite sowie die stetige Professionalisierung auf Anbieterseite sind gute Argumente für Investoren, dieses vergleichsweise junge Segment kurz- bis mittelfristig stärker in den Blick zu nehmen.

Die Studie "Micro-Living in Europa" gibt erstmals einen umfassenden Einblick in die verschiedenen Segmente temporären Wohnens, die sehr unterschiedliche Charakteristika bezüglich Anbieterstrukturen, Internationalität der Betreiber, Nachfragepotenzialen und Entwicklungsperspektiven aufweisen. Neben den großen und bereits etablierten Micro-Living-Märkten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Niederlande deckt die Analyse die aufstrebenden Märkte Österreich, Polen, Schweden, Spanien und Irland stellvertretend für unterschiedliche europäische Marktregionen ab. Das Potenzial der betrachteten Marktsegmente wird in folgenden Zahlen deutlich: Die neun ausgewählten Länder verfügen über 50,7 Millionen Single-Haushalte, was insgesamt betrachtet einem Drittel der Gesamtanzahl an Haushalten dieser Länder entspricht.Die Studie kann kostenlos unter micro-living-studie[at]union-investment[dot]de angefordert werden.
DER AUTOR HENRIK VON BOTHMER, Investment Manager Micro Living, Union Investment Real Estate GmbH, Hamburg
DER AUTOR FELIX EMBACHER, Bereichsleiter für Masterplanungen und Sonderwohnformen, bulwiengesa AG, Berlin

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