Logistikimmobilien

Supply Chain rückt die Branche stärker in den Fokus

Frank Weber

Florierende Online-Märkte bringen dem Supply-Chain-Markt neuen Schwung. Dieser wichtige Nachfragemotor heizt die Logistikimmobilien-Nachfrage weiter an. Das Zusammenspiel dieser beiden Faktoren sollte im Prinzip also selbstverständlich sein, meint der Autor. Aber: Logistikimmobilien und Supply Chain würden in Studien jedoch selten gemeinsam, in den meisten Fällen sogar gänzlich isoliert betrachtet. Ähnlich trennen viele Unternehmen nach wie vor zwischen Logistik- beziehungsweise Supply-Chain-Prozessen und den dazugehörigen Immobilien. Der Autor geht davon aus, dass technologischer Wandel und Innovationen weitere große Veränderungen bei Supply Chain und Logistikimmobilien herbeiführen werden. Bisher habe der Schwerpunkt der Diskussionen größtenteils auf den Auswirkungen auf Produktion und Fabriken gelegen. Zukünftig müsse die Logistik stärker einbezogen werden. Red.

Logistikimmobilien, meist großvolumige Gebäude auf der grünen Wiese mit viel befestigter Fläche an allen Seiten, haben eine überschaubare architektonische Ästhetik. Sie beeindrucken meist nicht durch individuelle Architektur. Ihre Funktion und Nutzung findet fast im Verborgenen statt, hinter den Wänden und Toren. Der durch eine solche Immobilie erzeugte Verkehr - große und kleine Lkw - beeinträchtige mitunter die Lebensqualität, lassen Kritiker verlautbaren. Die Skepsis in der breiten Öffentlichkeit ist vermutlich auf diese Kritik zurückzuführen, verbunden im Einzelfall mit viel Gegenwind bei der Ansiedlung von Logistikimmobilien, auch wenn die Kommune mit einem Bebauungsplanverfahren die rechtliche Grundlage für derartige Investitionen geschaffen hat. Wenn Notwendigkeit und Wertschöpfung von Logistik im Allgemeinen und Logistikimmobilien im Besonderen nicht von vornherein plausibel erläutert werden, kann es politisch schwer werden, die Ansiedlung umzusetzen.

Logistikimmobilien sind jedoch wichtige Elemente moderner Supply Chain Prozesse. Sie übernehmen die Lagerung und den Transport von Rohstoffen, unfertigen und fertigen Gütern zum Endkunden, sowie die Bearbeitung aller dazugehöriger "Rückflüsse" wie gebrauchte Produkte, Verpackungen oder Retouren von Online-Käufen. Logistik hält die Wirtschaft "am Laufen". Zudem werden in solchen Immobilien immer mehr wertschöpfende Tätigkeiten wie Endmontage, Verpackungs- oder Vorverkaufsdienste durchgeführt. Die Logistikimmobilie hat also einen festen Platz in der ökonomischen Wertschöpfung. Entsprechend hoch ist die Nachfrage nach Flächen.

So verzeichneten die europäischen Logistikimmobilienmärkte in den letzten fünf Jahren einen hohen Nutzerzuspruch, trotz eines eher verhaltenen Konjunkturwachstums. Dies ist ein Hinweis darauf, dass strukturelle Veränderungen der Supply Chain, wie zum Beispiel der florierende Internethandel, wichtige Nachfragemotoren sind. Um die Dynamik der Logistikimmobilienmärkte zu verstehen, muss man die treibenden Kräfte der Supply Chain verstehen. Was aber sind deren treibende Kräfte? In den letzten Jahren haben sich zahlreiche Studien mit dieser Frage befasst. Logistikimmobilien und Supply Chain werden in diesen Studien jedoch selten gemeinsam, in den meisten Fällen sogar jeweils gänzlich isoliert betrachtet.

Ähnlich trennen viele Unternehmen nach wie vor zwischen Logistik- beziehungsweise Supply-Chain-Prozessen und den dazugehörigen Immobilien. Zwar wird das Logistik- und Supply-Chain-Management heutzutage weitgehend als Wettbewerbsvorteil anerkannt, Logistikimmobilien werden aber bei strategischen Betrachtungen nicht ausreichend berücksichtigt. Demnach lohnt ein näherer Blick auf die Trends und ihre Auswirkungen auf Logistikimmobilien mit Blick auf künftige Marktentwicklungen.

Trends bei der Nutzung von Logistikimmobilien

Die Forschung hebt eine Reihe bedeutender Faktoren - globale Megatrends - hervor, die sich auf alle Wirtschaftsbereiche und Weltregionen auswirken und sowohl Chancen als auch Risiken bergen. Dazu gehören: Globalisierung und die Verlagerung der globalen Wirtschaftsmacht, Demografischer Wandel, einschließlich einer alternden Bevölkerung, beschleunigter technologischer Wandel, Nachhaltigkeit, einschließlich Klimawandel und Ressourcenknappheit.

Von großer Bedeutung für die künftige Nachfrage nach Logistikimmobilien und ihre zum Teil neuen Funktionen mit zunehmend produktionsnahen Dienstleistungen sind die Auswirkungen dieser Megatrends. Einer von Jones Lang Lasalle (JLL) durchgeführten Umfrage unter mehr als 250 Logistikmanagern in Europa zufolge werden nach deren Ansicht insbesondere Globalisierung, Urbanisierung und technologischer Wandel die beherrschenden Themen in den nächsten Jahren sein.

Technologischer Wandel hat bereits zu Veränderungen der Supply Chains und der Immobiliennachfrage geführt, vor allem durch die Digitalisierung des Einzelhandels. Wie aber wird das Zusammenspiel zwischen Big Data, dem Internet der Dinge (IoT), "Uberisation" und 3-D-Druck Einfluss auf zukünftige Veränderungen der Supply Chain und der Immobiliennachfrage nehmen?

Die Globalisierung hat in den letzten 25 Jahren zu wesentlichen Veränderungen der Supply Chain geführt. Mittlerweile gewinnt "Rightshoring" immer mehr an Bedeutung, wobei es sich um die strategische Positionierung von Supply-Chain-Ressourcen (Lieferung, Herstellung und Logistik) auf lokaler, regionaler und globaler Ebene handelt. Welche Auswirkungen wird dies auf die künftigen Standorte von Industrie und Logistik haben? Die Urbanisierung treibt das Wachstum der Städte an. Inwieweit werden Wachstum und weitere Veränderungen wie E-Commerce neue Stadtlogistikmodelle hervorbringen?

Digitalisierung und die vierte industrielle Revolution

Wir dürfen also davon ausgehen, dass technologischer Wandel und Innovationen weitere große Veränderungen bei Supply Chain und Logistikimmobilien herbeiführen werden. Zusammengenommen werden sie oft als treibende Kraft hinter der "vierten industriellen Revolution" angesehen. Bisher lag der Schwerpunkt der Diskussionen größtenteils auf den Auswirkungen auf Produktion und Fabriken. Auch die Logistik wird von diesem Trend nicht verschont bleiben - insofern ist es berechtigt, bei den folgenden Entwicklungen von einer "Logistik 4.0" zu sprechen: das weitere Wachstum des E-Commerce und die Digitalisierung des Einzelhandels Big Data, das Internet der Dinge (IoT) die "Uberisation" der Logistik, 3-D-Druck, Robotik, erweiterte Realität (pick by vision, pick by voice), autonome Fahrzeuge, Drohnen.

Zwei Themen verdienen dabei einen näheren Blick. "Big Data" wird eine enorme Auswirkung auf Supply Chain Prozesse haben. Insbesondere durch eine Verbesserung der Transparenz der Endkundenachfrage oder Einblicke in die Gestaltung der künftigen Nachfrage wird eine Umstellung von einem produktionsorientierten Supply-Chain-Management zu einem verbraucherorientierten Supply-Chain-Management ermöglicht. Dahinter steckt weit mehr als nur eine semantische Spielerei. Künftig wird sich der Schwerpunkt von der Bereitstellung von Produkten hin zur Nachfrage nach Produkten verlagern und damit eine bessere, unmittelbarere Verbindung zwischen Produzenten und Verbrauchern schaffen. Über diese Verlagerung von Supply Chain zu Demand Chain wird seit über 20 Jahren viel diskutiert, aber erst Big Data hat das Potenzial, sie auch umzusetzen. Dies wird durch die erwähnte Umfrage bestätigt, wobei auch deutlich wurde, dass Wege gefunden werden müssen, um die verfügbaren Daten angesichts der bestehenden Beschränkungen auch zu verwerten.

In Bezug auf Logistikimmobilien könnte sich aufgrund des Potenzials von Big Data, die Endkundennachfrage transparenter zu machen, der Warenbestand innerhalb der Supply Chain verringern. Das in den Lagerflächen vorgehaltene Inventar wird quasi durch Daten ersetzt. Gleichzeitig erlaubt Big Data, dass Supply Chains besser auf die Endkundenbedürfnisse reagieren - mit einer höheren Umschlagsgeschwindigkeit des Lagerbestandes in der Konsequenz. Big Data kann daher die Nachfrage nach Immobilien, die einen schnellen Warendurchsatz gewährleisten können, erhöhen. Außerdem werden Logistikimmobilien über einen sicheren und umfassenden drahtlosen Internetzugriff verfügen müssen.

Warenbestand könnte sich verringern

Ein zweites Thema betrifft die Automatisierung. Roboter werden bislang vor allem als Fördertransportsysteme (FTS) in Logistikimmobilien eingesetzt - zum Beispiel um Paletten zu transportieren, nicht jedoch bei den manuell intensiven Kommissionierungen. Gemessen an dem Ergebnis der Umfrage muss sich dies ändern, wenn große Produktivitätsvorteile durch steigende Kommissionierungsgeschwindigkeit und -genauigkeit erzielt werden sollen. Die Installation von Roboterkommissionierern durch einen Online-Modeeinzelhändler in seinem Vertriebs-zentrum im Süden Londons hat die Kommissionierungsrate angeblich um mehr als 500 Prozent beschleunigt.

Ein Online-Händler berichtete jüngst, dass in 13 Vertriebszentren etwa 30 000 Roboter eingesetzt werden - im Vergleich zu 15 000 in zehn Vertriebszentren Ende 2014. Die Roboter bringen Waren auf mobilen Regalsystemen zu den Kommissionierern. Der zunehmende Einsatz von Robotertechnik in der Produktion und Logistik könnte auch Standortstrategien beeinflussen, da die Abhängigkeit von großen und kostenintensiven Belegschaften reduziert wird.

Auf globaler Ebene könnte dies ein zunehmendes Reshoring oder Nearshoring der Produktionskapazitäten bedeuten, weil einer der wichtigsten Faktoren hinter dem Offshoring (niedrigere Lohnkosten) an Bedeutung verlieren würde. Auf lokaler Ebene könnte sich die aktuelle Bedeutung des verfügbaren Arbeitskräftepotentials bei der Bewertung eines Standortes für neue große Logistikansiedlungen verringern. Künftig werden voraussichtlich weniger Mitarbeiter in den Lagern benötigt, bei den verbleibenden werden allerdings höhere Fachkenntnisse vonnöten sein.

Der steigende Einsatz von Robotern bei der Kommissionierung könnte zu einer Nachfrage nach höheren Gebäuden führen, um den Flächenverbrauch zu minimieren, während der gesamte Raum des Gebäudes besser ausgenutzt wird. Sollte sich der Einsatz von Robotern weiter ausbreiten, könnte dies in Zukunft weitere Änderungen zur Folge haben, wie zum Beispiel einen geringeren Bedarf an Sozialräumen und Parkplätzen für die Belegschaft.

Der Autor Frank Weber Head of Industrial Agency Germany, Jones Lang LaSalle GmbH, Frankfurt am Main
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