Im Gespräch

"Die energetische Modernisierung von Gebäuden lohnt sich"

Jochen Dörner

Die energetische Modernisierung bei älteren Gebäuden in Deutschland kommt derzeit kaum voran. Das politische Ziel, wonach jährlich zwei Prozent des Gebäudebestandes energetisch auf den aktuellen Stand gebracht werden sollen, wird bis jetzt nur zur Hälfte erreicht. Dabei liegen die Vorteile der Maßnahmen auf der Hand. Eine Investition in die energetische Sanierung lohnt sich unter anderem deshalb - da der am Markt erzielbare Preis sich je nach Ausgangslage um fast zwei Drittel erhöhen kann. Selbst nach Abzug der Investition ergibt sich sehr häufig ein stattliches Plus. Jochen Dörner, Geschäftsführer der Wüstenrot Immobilien GmbH, erklärt im Gespräch, warum die Modernisierung kaum vorankommt und wie das zu ändern wäre. Red.

I&F Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass die energetische Sanierung in Deutschland offenbar nur recht schleppend vorankommt?

Das hängt sicher stark mit der Einstellung der Eigentümer und Investoren zusammen. Bei vielen ist noch die Meinung verbreitet, dass sich eine energetische Modernisierung nicht lohnt. Sie fürchten die vermeintlich hohen Kosten solcher Investitionen und ziehen es vor, beispielsweise lieber den Wohnkomfort zu verbessern.

I&F Aber ist das verwunderlich? Die umfassende Sanierung eines Altbaus kostet doch schnell mehrere zehntausend Euro und mehr. Das sind, gemessen am Kaufpreis einer solchen Immobilie, enorme Zusatzkosten.

Das stimmt - aber nur auf den ersten Blick. Vielen Häuslebauern ist nicht bewusst, dass auf den Bau eines Gebäudes nur etwa ein Fünftel der Kosten entfallen, die während der gesamten Lebensdauer der Immobilie entstehen. Die restlichen rund 80 Prozent verteilen sich auf die technische Nutzungsdauer von Wohnimmobilien von 60 bis 80 Jahren. Diese späteren Nutzungskosten müssen unbedingt mit berücksichtigt werden. Für ihre Höhe ist der bauliche Gebäudestandard entscheidend, also die Qualität der verbauten Materialien und der technischen Einrichtungen. Besonders deutlich wird das bei den Heizkosten, die bei energieeffizient gebauten oder energetisch modernisierten Häusern deutlich geringer sind als bei nicht modernisierten Gebäuden.

I&F Trotzdem stehen für den Hausbesitzer die unmittelbaren Investitionskosten im Vorderpunkt. Sollte man nicht versuchen, hier anzusetzen und ihnen die nachfolgenden Kostenvorteile gegenüberzustellen?

Da haben Sie Recht. Das war auch der Ausgangspunkt für ein Rechenexempel, das wir uns vorgenommen haben. Anhand eines älteren Einfamilienhauses wollten wir herausfinden, welche Wirkungen eine energetische Modernisierung erzeugt und welche Vorteile dabei für den Hauseigentümer entstehen. Wir haben dafür mit Hilfe unseres Wüstenrot Immobilienmaklers Arthur Schneider aus Calw ein freistehendes Einfamilienhaus in einer Umlandgemeinde von Stuttgart ausgewählt, das 1959 errichtet wurde und sich nach heutigen Maßstäben für eine energetische Sanierung anbot. Der Marktwert belief sich vor der Sanierung auf rund 220 000 Euro. Für rund 20 000 Euro erfolgten Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten. Außerdem wurde eine dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung eingebaut und die Heizung auf eine Pelletheizung in Kombination mit 10 Quadratmetern Solarkollektoren umgestellt. Das Einfamilienhaus bekam dreifach verglaste Fenster sowie ein Wärmedämmverbundsystem als neuen Außenputz. Insgesamt betrugen die Investitionskosten etwa 110 000 Euro. Hierdurch erreicht das Einfamilienhaus im Beispiel den Standard des KfW 85-Effizienzhauses. Das bedeutet, dass 85 Prozent des strengen Neubaustandards erreicht werden.

I&F Für ein Einfamilienhaus aus den fünfziger Jahren mit dem genannten Marktwert sind das recht hohe Kosten, was die Vorbehalte der Eigentümer nur bestätigen dürfte. Wie wollen Sie es denen denn schmackhaft machen, sich dennoch darauf einzulassen?

Indem wir ihnen vorrechnen, welche positiven Wirkungen davon auf der Ertragsseite ausgehen. Die skizzierten energetischen Maßnahmen können nach den Erfahrungen von Fachleuten Einsparungen bei den Brennstoffkosten in Höhe von rund 2 600 Euro im Jahr erbringen. Je nach Berechnung - wenn man beispielsweise die Energieeinsparverordnung 2009 zugrunde legt - ergibt sich sogar eine noch höhere Einsparung. Aber das ist noch längst nicht alles. Noch wichtiger sind die durchweg sehr positiven Wirkungen der energetischen Modernisierung auf den Marktwert einer Immobilie.

I&F Es dürfte schwierig werden, diese Auswirkungen einer Modernisierung mit zu berücksichtigen, denn Sie müssten sie ja genau beziffern. Wie wollen Sie das bewerkstelligen, ohne sich allzu sehr in den Bereich des Spekulativen zu begeben?

Natürlich werden belastbare Daten benötigt, um den Marktwert einer Immobilie vor und nach einer Baumaßnahme vergleichen und damit eigene finanzielle Vorteile als Ergebnis einer umfassenden energetischen Sanierung abschätzen zu können. Solche Daten ermitteln Immobilienmakler mit entsprechender Qualifikation und Expertise, wie sie beispielsweise die Wüstenrot Immobilien GmbH stellt, nach dem Sachwertverfahren. Es fußt auf dem Bodenwert und dem Sachwert der nutzbaren baulichen und sonstigen Anlagen, angepasst an aktuelle Marktverhältnisse. Ein Haus im Stuttgarter Umland beispielsweise profitiert natürlich vom benachbarten Ballungsgebiet, denn die hohen Preise in Stuttgart und der nächsten Umgebung treiben die Interessenten ins weitere Umland, wo die Preise eher erschwinglich sind.

I&F Und zu welchen Ergebnissen führt dieses Verfahren im Falle des Einfamilienhauses, das Sie für Ihre Berechnungen ausgewählt haben?

Das so erstellte Gutachten ergibt einen Marktwert nach der Sanierung von gut 360 000 Euro und damit einen Wertzuwachs von rund 140 000 Euro. Eine Investition in die energetische Sanierung lohnt also - der am Markt erzielbare Preis kann sich je nach Ausgangslage um fast zwei Drittel erhöhen. Selbst nach Abzug der Investition von 110 000 Euro ergibt sich im konkreten Fall ein Plus von rund 30 000 Euro. Wenn wir außerdem noch die Preisvorteile berücksichtigen, die sich durch die sanierungsbedingt gesenkten Brennstoffkosten auf 20 Jahre ergeben, kommen wir im Modellfall letztlich auf ein erzielbares Gesamtplus von über 80 000 Euro. Ich finde, das ist ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann.

I&F Der Eigentümer des Hauses aus Ihrem Beispiel könnte aber auch darauf vertrauen, dass der Wert seiner Immobilie so oder so steigt und er sein Geld besser am Kapitalmarkt anlegen sollte.

Dann muss er sich darüber im Klaren sein, dass seine Wohnimmobilie ohne wertsteigernde Investition mittelfristig nur noch den Grundstückspreis wert sein wird. Wie der sich entwickelt, ist tatsächlich reine Spekulation. Auch die Rechnung mit einer alternativen Geldanlage am Kapitalmarkt lässt sich aufmachen: Wird der für die Sanierung investierte Betrag von rund 110 000 Euro stattdessen zu aktuellen Konditionen für rund 1,5 Prozent Zinsen sicher am Kapitalmarkt angelegt, beispielsweise in Anleihen, erhöht sich das Anlagevolumen zwar binnen 20 Jahren auf rund 142 000 Euro - dem gegenüber stehen jedoch rund 52 000 Euro höhere Brennstoffkosten in der nicht sanierten Wohnimmobilie.

I&F Nach Ihren Berechnungen können Sie also ein deutliches Fazit pro Modernisierung ziehen.

Ja, das Ergebnis ist eindeutig. Allerdings müssen wir uns bewusst sein, dass für die Dauer von 20 Jahren natürlich nicht alle wertbeeinflussenden Faktoren bei Immobilien wie Geldanlagen seriös vorhergesehen und berechnet werden können. In absehbarer Zeit schlägt bei der Kapitalanlage allerdings der Sachwert den Geldwert ganz eindeutig. Ein genauer Blick, ob das ins Auge gefasste Eigenheim tatsächlich Betongold oder eher ein Groschengrab ist, ist aber vor einem Kauf trotzdem sehr zu empfehlen. Bei größeren Investitionen in eine Immobilie ist anzuraten, immer Fachleute wie zum Beispiel Architekten, Ingenieure oder Bausachverständige einzuschalten, damit alles gut klappt. Abzuraten ist vom Kauf einer Wohnimmobilie mit Investitionsstau ohne vorherige Einschaltung eines Fachmanns. Letztlich steigt das persönliche Vermögen durch die energetische Sanierung eines Hauses bei richtiger Vorgehensweise im Wert. Außerdem bleibt das Gebäude nicht nur gegenüber potenziellen Käufern marktfähig, sondern auch gegenüber Mietern. Nach meiner festen Überzeugung sind also Besitzer älterer Immobilien gut beraten, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen.

I&F Bleibt die Frage der Finanzierbarkeit. In der Regel hat ein Hausbesitzer nicht eben mal 100000 Euro zur Hand, die er in eine Sanierung stecken kann.

Das stimmt natürlich. Wir reden in der Tat über recht beträchtliche Kosten. Die Finanzierung einer solchen Maßnahme lässt sich allerdings frühzeitig vorbereiten. Denn bei einer statistischen Lebensdauer eines Wohnhauses von rund 80 Jahren weiß man als Eigentümer, dass bereits ab dem zweiten, spätestens ab dem dritten Jahrzehnt nach der Errichtung Kosten für den Erhalt oder eine Sanierung anfallen. Hierfür sind finanzielle Rücklagen nötig, die sich beispielsweise mittels Bausparvertrag bilden lassen. Gerade das Bausparen bietet flexible, vor allem aber sichere Möglichkeiten, um einen soliden Eigenkapitalstock anzusparen. Auch bei einem Immobilienerwerb gilt meines Erachtens: ein Drittel der benötigten Finanzierungssumme sollte als Eigenkapital bereitstehen - beispielsweise in Form des Bausparguthabens -, ein Drittel als Bauspardarlehen und der Rest über ein Bankdarlehen. Eine solche Finanzierung ist langfristig tragbar und unabhängig von den weiteren Entwicklungen am Kapitalmarkt, die wir alle nicht vorhersagen können.

Zur Person Jochen Dörner Geschäftsführer, Wüstenrot Immobilien GmbH, Ludwigsburg

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X