Aufsätze

20 Jahre Dax - Index und Aktienakzeptanz

Seine Namensgebung vor 20 Jahren war ein Politikum: Den Initiatoren des Dax wurde entgegengehalten, es handele sich nur um Frankfurter Kurse, und die anderen deutschen Börsen würden nicht berücksichtigt. Deshalb dürfe es nicht "Deutscher" Aktienindex heißen. Glücklicherweise ist die Zeit über diese damals vielleicht noch wichtige Frage hinweggegangen, und der Dax ist zu dem geworden, als das er konzipiert wurde: zu dem Leitindex für den deutschen Aktienmarkt.

Neutraler, allgemein anerkannter Index

Ziel war es, einen neutralen, allgemein anerkannten Index für den gesamten deutschen Aktienmarkt zu schaffen, wie er zum Beispiel mit dem Dow Jones für den amerikanischen Markt schon lange vorlag. Bis dahin gab es eine Reihe unterschiedlicher Indizes, die von einzelnen Zeitungen (zum Beispiel der Börsen-Zeitung und der FAZ) oder Banken (zum Beispiel Commerzbank-Index und WestLB-Index) berechnet wurden.

Diese Indizes hatten zwar alle bereits einen sehr hohen technischen Standard, aber ihre Vielzahl führte dazu, dass es keine einheitliche "Benchmark" für den deutschen Markt gab. Das schadete der Visibilität des deutschen Kapitalmarktes gerade gegenüber internationalen Anlegern.

Binnen kürzester Zeit etablierte sich der Dax als einheitliche Messgröße für die Entwicklung der deutschen Standardwerte. Das moderne Indexkonzept eines an der Gewichtung des Free Float ausgerichteten Performance-Index, der auch die Entwicklung der Ausschüttungen reflektiert, setzte sich rasch durch. Wer heute die Kursentwicklung deutscher Aktien beschreibt, bezieht sich automatisch auf den Dax und hat keinen anderen Index im Kopf. Der Dax ist in den letzten 20 Jahren zu einem Markenzeichen für deutsche Aktien geworden. Dass sich eine ganze Indexfamilie rund um den ursprünglichen Dax entwickelt hat, belegt die Zukunftsfähigkeit des Indexkonzeptes.

Beitrag zur eigenen Identität des Finanzplatzes

Das wichtigste Verdienst des Dax liegt vermutlich in seinem Beitrag zur Herausbildung einer eigenen Identität des Finanzplatzes Deutschland. Die Zersplitterung der öffentlichen Aufmerksamkeit auf mehrere Börsenplätze endete mit seiner Einführung fast schlagartig. Heute steht er als Symbol für den Finanzplatz Deutschland schlechthin, und alle Kapitalmarktteilnehmer - Emittenten, Investoren, Intermediäre und andere Dienstleister - messen die aktuelle Entwicklung unisono an diesem Index. Dies bedeutet mehr als nur eine technische Vereinfachung - es schafft Gemeinschaft (wenn auch nicht immer in ausreichendem Maße).

Anerkennung und Aufmerksamkeit

Für die deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften ist der Dax ein wichtiger Orientierungspunkt. In den Index aufgenommen zu werden, bedeutet die Anerkennung der Arbeit des Unternehmens durch den Kapitalmarkt. Das gilt für alle Indizes der Dax-Familie - vom eigentlichen "Dax 30" über M-Dax und S-Dax bis hin zum Tec-Dax. Der Kapitalmarkt belohnt die Indexaufnahme durch eine erhöhte Aufmerksamkeit und bessere Kurse. Gleichzeitig wirken die Aufnahmebedingungen für den Index vereinheitlichend auf viele Corporate-Governance-Praktiken.

Auch die Wertentwicklung des Dax in den letzten 20 Jahren ist beachtlich, wie der entsprechende Ausschnitt aus dem DAI-Renditedreieck zeigt. In der Gesamtschau bescherten zwei Jahrzehnte Dax dem Anleger durchschnittliche jährliche Wertzuwächse im zweistelligen Bereich: Wer zum rechnerischen Dax-Start Ende 1987 in die 30 größten deutschen Aktien investierte, konnte bis Ende 2007 eine Rendite von durchschnittlich elf Prozent im Jahr erzielen - über alle zwischenzeitlichen Einbrüche am Aktienmarkt hinweg.

Eine einfache Beispielrechnung zeigt, wie relevant diese Renditedaten gerade in sozialpolitischer Hinsicht sind. Wer von Anfang an - umgerechnet - 10 000 Euro in einem repräsentativen Portfolio aus dem deutschen Leitindex anlegte, konnte Ende 2007 über ein Vermögen von 80 623 Euro verfügen, vorausgesetzt, er blieb stets in den Dax-Aktien investiert.

"Fast" immer die überlegene Anlageform

Allerdings darf man nicht verschweigen, dass die Aktienanlage beachtliche Unsicherheiten birgt: Wer dieselben 10 000 Euro bereits ein Jahr früher - Ende 1986 in die 30 größten deutschen Aktien investierte (die also den Dax gebildet hätten, wenn es ihn schon gegeben hätte), konnte trotz der ein Jahr längeren Anlageperiode nur ein Endvermögen von 51 326 Euro erreichen. Grund hierfür war der Börsencrash im Oktober 1987, der dem Dax (beziehungsweise seinem rechnerischen Vorläufer) mit einem Minus von 36,4 Prozent den bislang zweithöchsten Verlust seiner Geschichte bescherte. Nur das Jahr 2002 war mit einem Rückgang um 43,9 Prozent noch schlechter.

In dem aufgezeigten Beispiel lässt die Verschiebung des Anlagezeitraums um lediglich ein Jahr das erzielbare Endvermögen also um 36 Prozent höher oder tiefer ausfallen.

Es wäre jedoch verfehlt, daraus ein Argument gegen die Aktienanlage abzuleiten und für vermeintlich sicherere Anlageformen zu plädieren. Eine Anlage zu "sicheren sechs Prozent", der langfristigen Rendite erstklassiger Bundeswertpapiere, hätte nämlich über die letzten 20 Jahre nur ein Endvermögen von 33 995 Euro erzielt, also noch einmal um rund ein Drittel weniger als die Aktienanlage im Dax unter Einbeziehung des "schlechten" Börsenjahres 1986. Die Aktienanlage ist in der langen Frist trotz gewissen Schwankungen im erreichbaren Endvermögen (fast) immer die überlegene Anlageform.

Leider sind viele deutsche Anleger auch 20 Jahre nach Einführung des Dax noch immer nicht überzeugt davon, dass Aktien eine wichtige Rolle in ihrem Portfolio spielen sollten. Nach einem Höchststand im Jahr 2001 ist die Zahl der Privatanleger in Aktien oder Anteilen in Aktienfonds in Deutschland um 2,5 Millionen zurückgegangen. Zwar steht dem die zunehmende Zahl der Anleger in verschiedenen Zertifikaten gegenüber. Insgesamt ist die Aktienakzeptanz in Deutschland aber nach wie vor nicht zufriedenstellend.

Impulse für die Zukunftsausrichtung der Altersvorsorge

Dem "Geburtstagskind" Dax wäre zu wünschen, dass die Zahl der Aktienanleger in Deutschland sich in den nächsten 20 Jahren ähnlich positiv entwickelt wie die langfristige Rendite des deutschen Leitindex. Damit wären uns allen geholfen nicht zuletzt auf dem Gebiet der Altersvorsorge.

Dr. Franz-Josef Leven , Stellvertretender Geschäftsführer , Deutsches Aktieninstitut, Frankfurt am Main
Noch keine Bewertungen vorhanden


X