Aufsätze

Aktuelle Rechtsfragen der Verbriefung

Der Verbriefungsmarkt in Europa wächst und gedeiht. Im ersten Quartal 2006 stieg das europäische ABS-Emissionsvolumen im Vergleich zum Vorjahresquartal von 48,4 Milliarden Euro auf 65,6 Milliarden Euro. Dies ist eine Steigerung von 40 Prozent, die hauptsächlich auf Collateralised Debt Obligations und die Verbriefung von privaten Hypothekendarlehen zurückzuführen ist. Trotz dieser erfolgreichen Entwicklung nimmt der Kostendruck zu.

Trennung der Vermögensmassen von Mehrzweckgesellschaften

Ein wirksames Mittel, die Transaktionskosten zu senken, ist die Nutzung einer einzigen Zweckgesellschaft, des so genannten Multi Seller Conduits, für mehrere Verbriefungen. Der zeitliche und finanzielle Aufwand für die Gründung und Verwaltung verschiedener Einzweckgesellschaften entfällt.

Für die notwendige Trennung der jeweiligen transaktionsspezifischen Vermögensmassen der Mehrzweckgesellschaft hat der luxemburgische Gesetzgeber mit dem Verbriefungsgesetz vom 1. April 2004 eine Infrastruktur geschaffen. Aus der Perspektive eines Gläubigers haben sich die einzelnen dinglich von einander abgeschotteten Untergliederungen der Zweckgesellschaft rechtlich und wirtschaftlich verselbstständigt, da seine Forderungen auf das Vermögen eines so genannten Compartments beschränkt sind und er sich nicht aus Vermögenswerten der Zweckgesellschaft befriedigen darf, die anderen Compartments zugeordnet sind.

Wird eine Mehrzweckgesellschaft in einem Land, zum Beispiel Deutschland, angesiedelt, dessen Rechtsordnung keine Compartments kennt, so werden ihre transaktionsspezifischen Vermögensmassen durch so genannte Limited Portfolio Clauses auf schuldrechtlicher Basis getrennt. Die Wirtschaftsgüter und Cash-Flows dieser Multi Seller Conduits werden virtuell verschiedenen Transaktionsportfolios zugeordnet. Jeder Gläubiger des Multi Seller Conduits verpflichtet sich im Rahmen der Limited Portfolio Clause, gegenüber der Mehrzweckgesellschaft keine Rechte auszuüben, es sei denn im betreffenden Transaktionsportfolio befindet sich ausreichendes Vermögen, um die Verpflichtungen unter den portfoliospezifischen Transaktionsdokumenten vollständig zu erfüllen, die seinen Ansprüchen gleichgestellt oder übergeordnet sind. Über die schuldrechtliche Selbstbeschränkung der Gläubiger hinaus werden, soweit es geht, die Vermögenswerte auch dinglich auf getrennte Sicherheitentreuhänder übertragen.

Sollte das Multi Seller Conduit in Deutschland angesiedelt werden, ist der beschränkte Zugriff der Gläubiger der Mehrzweckgesellschaft so auszugestalten, dass § 5 Abs. 2a Einkommensteuergesetz (EStG) keine Anwendung findet. Gegebenenfalls ist in Zweifelsfällen die Beantragung einer verbindlichen Auskunft bei der für die deutsche Mehrzweckgesellschaft zuständigen Finanzbehörde zu empfehlen.

Einnahmenbedingte Zahlungsverpflichtungen

Nach § 5 Abs. 2a EStG sind Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind, das heißt, einnahmenbedingte Zahlungsverpflichtungen dürfen in der Steuerbilanz nicht passiviert werden. Der gesetzgeberische Wille für diese Regel war, eine Passivierung einnahmenbedingter Verbindlichkeiten nicht zuzulassen, da in derartigen Fällen keine Belastung gegenwärtigen, sondern nur zukünftigen Vermögens vorliege. Durch die Emission der Asset Backed Securities wird aber bereits das gegenwärtige Vermögen von Zweckgesellschaften belastet, so dass § 5 Abs. 2a EStG bei Zweckgesellschaften generell nicht einschlägig ist.

Indes könnte bei einer sachwidrig rein am Wortlaut orientierten Anwendung dieser Vorschrift vertreten werden, dass die im Fall des Multi Seller Conduit portfoliospezifische Rückgriffsbeschränkung der Investoren aufgrund des § 5 Abs. 2a EStG schädlich sei, da das Multi Seller Conduit die jeweilige Verbindlichkeit nur aus Einnahmen aus dem jeweiligen Portfolio zu tilgen habe.

Diese Auslegung würde dazu führen, dass zunächst den Aktiva der Mehrzweckgesellschaft bilanziell mangels Passivierbarkeit der Asset Backed Securities keine gleichwertigen Passivposten entgegenstünden. Der entstehende steuerliche Gewinn würde zu erheblichen körperschaftssteuerlichen und gewerbesteuerlichen Lasten führen.

Während sich das Steuerrisiko aus § 5 Abs. 2a EStG bei deutschen Einzweckgesellschaften in Folge des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 8. September 2006 (Passivierung von Verbindlichkeiten bei Vereinbarungen eines einfachen oder qualifizierten Rangrücktritts) durch Stundungsvereinbarungen und qualifizierte Rangrücktritte minimieren lässt, stehen diese Rechtstechniken bei deutschen Mehrzweckgesellschaften nicht unmittelbar zur Verfügung. Daher muss in diesen Fällen die Limited Portfolio Clause auf andere Art und Weise die Anwendung von § 5 Abs. 2a EStG verhindern.

Im Übrigen sprechen Gesetzeszweck und die historische Auslegung gegen die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 2a EStG auf diese Fälle. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass die Norm zur Verhinderung künftiger Steuerausfälle die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zu Steuersparmodellen (insbesondere im Zusammenhang mit Film- und Explorationsprojekten) korrigieren sollte.

Mit § 5 Abs. 2a EStG wollte der Gesetzgeber hingegen nicht den deutschen Verbriefungsmarkt beeinträchtigen, für den Rückgriffsbeschränkungen sowohl bei Einzweckgesellschaften wie auch bei Multi Seller Conduits weltweit üblich sind und von den Ratingagenturen zur Steigerung der Insolvenzferne gefordert werden.

Neuregelung der Rechtsberatung

Eine weitere praxisrelevante Entwicklung im deutschen Verbriefungsmarkt ist die Neuregelung der Rechtsberatung, die das Bundeskabinett am 23. August 2006 beschlossen hat. Mitte 2007 soll das Rechtsdienstleistungsgesetz das bislang geltende Rechtsberatungsgesetz (RBerG) ersetzen. Im Folgenden werden ausgehend von der geltenden Rechtslage unter dem Rechtsberatungsgesetz die Auswirkungen der geplanten Neuerungen auf den Forderungseinzug durch Inkasso-Dienstleister (Servicer) untersucht.

Die Rechtslage unter dem Rechtsberatungsgesetz: Der einziehungsermächtigte Originator zieht bei Verbriefungen die verkauften Forderungen für die erwerbende Zweckgesellschaft als Servicer ein. Diese Inkasso-Tätigkeit ist nach Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG grundsätzlich erlaubnispflichtig. Diese Norm lautet: "Die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich (...) der Einziehung fremder (...) Forderungen, darf geschäftsmäßig (...) nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist."

Nach der Abtretung sind die übertragenen Forderungen dem zedierenden Originator fremd. Fremd ist eine rechtsberatungsspezifische Angelegenheit immer dann, wenn sie nicht die eigene Rechtsposition des Besorgenden betrifft und daher an sich der Sorge eines anderen obliegt. Bei einer True-Sale-Verbriefung sind die Forderungen nach ihrer Abtretung nicht nur formal aus der Vermögensmasse des Originators ausgeschieden, sondern sind ihr auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht mehr zugehörig. Da der Originator die Forderungen der Zweckgesellschaft auch selbstständig mit Wiederholungsabsicht, mithin geschäftsmäßig, einzieht, ist der Tatbestand des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG erfüllt.

Freistellungsnorm

Die Freistellung von Originatoren, die im Rahmen einer Asset Backed Securitisation die Forderungen selbst einziehen, die sie zuvor an die Zweckgesellschaft verkauft und abgetreten haben, ergibt sich aus Art. 1 § 5 Nr. 4 RBerG. Diese Freistellungsnorm stellt klar, dass kaufmännische oder sonstige gewerbliche Unternehmer solche Forderungen ohne Erlaubnis einziehen dürfen, die sie im Rahmen ihres Gewerbebetriebs abgetreten haben. Übernimmt dagegen ein eventueller Ersatz- (Back-up-)Servicer den Forderungseinzug vom Originator, wenn bestimmte Ereignisse (zum Beispiel die Insolvenz des Originators) eintreten, so bleibt es bei der Grundvorschrift des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG.

Der Back-up Servicer benötigt eine Rechtsberatungserlaubnis. Gleiches gilt auch für den so genannten Master Servicer, der im Auftrag der Zweckgesellschaft die Forderungen einzieht, die mehrere Originatoren innerhalb derselben Transaktion verbrieft haben.

Die Rechtslage unter dem geplanten Rechtsdienstleistungsgesetz: Der Entwurf des Rechtsdienstleistungsgesetzes soll die Befugnis zur Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen regeln. Nach § 3 des Entwurfs ist die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur bei gesetzlicher Erlaubnis zulässig. An die Stelle der im Rechtsberatungsgesetz vorgesehenen, öffentlich bekannt zu machenden Erlaubniserteilung tritt die konstitutive Eintragung in das Rechtsdienstleistungsregister.

Inkassodienstleistungen dürfen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Entwurfs nur von besonders sachkundigen natürlichen Personen und Gesellschaften und bei entsprechender Registrierung erbracht werden. Inkassodienstleistungen, die nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des Entwurfs ausdrücklich zu den Rechtsdienstleistungen gezählt werden, erfassen insbesondere den Einzug fremder Forderung. Durch eine gesetzliche Fiktion in § 2 Abs. 2 Satz 2 des Entwurfs gelten abgetretene Forderungen für den bisherigen Gläubiger als nicht fremd. Dadurch soll - so die Entwurfsbegründung - der Forderungseinzug durch Originatoren, die im Rahmen einer Asset Backed Securitisation die Forderungen selbst einziehen, schon tatbestandlich von der Rechtsdienstleistung ausgenommen werden.

Der Forderungseinzug durch den Back-up Servicer oder durch einen Master Servicer erfordert auch unter dem neuen Recht die Mitwirkung der zuständigen Behörde, die bei gesetzlicher Erlaubnis die Registrierung vornimmt. Eine Erleichterung gegenüber der geltenden Rechtslage stellt § 2 Abs. 3 Nr. 5 des Entwurfs für die Verbriefungspraxis dar. Nach dieser Norm ist die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen (§ 15 Aktiengesetz) keine Rechtsdienstleistung. Dies bedeutet, dass eine Asset Backed Securitisation so strukturiert werden kann, dass ein konzerneigener Master Servicer nicht registrierungspflichtig ist.

Keine Rechtsdienstleistung

Die Struktur sähe dann wie folgt aus: Mehrere Unternehmen innerhalb eines Konzerns nutzen für eine Asset Backed Securitisation dieselbe Verbriefungsplattform. Sie werden von der Zweckgesellschaft beauftragt, jeweils die von ihnen verbrieften Forderungen als Servicer - aufgrund § 2 Abs. 2 Satz 2 des Entwurfs ohne Registrierungspflicht - einzuziehen. Diese Rechtsangelegenheit übertragen sie im Wege des Outsourcing an ein mit ihnen verbundenes Unternehmen, das als Sub Servicer und als Master Servicer aufgrund § 2 Abs. 3 Nr. 5 des Entwurfs registrierungsfrei tätig werden kann. Diese Erleichterung für konzerneigene Master Servicer ist zu begrüßen.

Wünschenswerte Ausnahmen von der Registrierungspflicht

Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn beispielsweise Kreditinstitute als Back-up Servicer und Master Servicer von der Registrierungspflicht tatbestandlich ausgenommen werden könnten. Dies wäre der Verbriefungspraxis und damit dem Finanzstandort Deutschland dienlich. Die Rechtsgüter des Verbraucherschutzes und des Schutzes des Rechtsverkehrs, die nach Auffassung des Justizministeriums die Einbeziehung der Inkassodienstleistungen in den Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes rechtfertigen, stünden dem aufgrund der Bankenaufsicht und der Seriosität der deutschen Kreditinstitute nicht entgegen.

Für die Eintragung in das Rechtsdienstleistungsregister müssen nach § 13 des Entwurfs Gesellschaften mindestens eine qualifizierte Person benennen, die ihre persönliche Eignung, Zuverlässigkeit und ihre theoretische sowie praktische Sachkunde durch ein Führungszeugnis nach dem Bundeszentralregistergesetz, Sachkundenachweise und eine zusammenfassende Darstellung des beruflichen Ausbildungsgangs und der bisherigen Berufsausübung nachweist. Wenn die letzte benannte qualifizierte Person aus der eingetragenen Gesellschaft ausscheidet, hat diese sechs Monate Zeit, eine weitere qualifizierte Person zu benennen. Nach Ablauf dieser Frist wird die Registrierung widerrufen. Behördliche Erlaubnisse, die nach dem Rechtsberatungsgesetz erteilt worden sind, erlöschen mit dem Ausscheiden der letzten in der Erlaubnis namentlich bezeichneten Person.

Entwurf der Verordnung der Form des Refinanzierungsregisters

Eine weitere aktuelle Frage des Verbriefungsrechts ist das Spannungsverhältnis zwischen dem Refinanzierungsregistergesetz und dem Entwurf der Ausführungsverordnung. Das Refinanzierungsregistergesetz bietet Originatoren die Möglichkeit, Wirtschaftsgüter mit Hilfe einer insolvenzfesten Treuhandstruktur zu verbriefen, ohne dass die dingliche Übertragung dieser Vermögenswerte an eine Zweckgesellschaft erforderlich wäre. Für eine ordnungsgemäße Eintragung in das Refinanzierungsregister, die ein Aussonderungsrecht der Zweckgesellschaft begründet, reicht es aus, dass ihr ein Übertragungsanspruch zusteht. Das Aussonderungsrecht entsteht allerdings nur dann, wenn alle notwendigen Angaben zum Treugut in das Refinanzierungsregister eingetragen worden sind.

Anzugeben sind der Übertragungsberechtigte und der Zeitpunkt der Eintragung. Ferner müssen die verbrieften Forderungen samt Sicherheiten (Rang, Rechtsgrund, Umfang und Tag, an dem der den rechtlichen Grund für die Absicherung enthaltende Vertrag geschlossen wurde) registriert werden, wobei es insoweit genügt, wenn Dritten, insbesondere dem Verwalter, dem Sachwalter, der BaFin oder einem Insolvenzverwalter die eindeutige Bestimmung der einzutragenden Angaben möglich ist. Das Treugut muss folglich nicht im Refinanzierungsregister ausdrücklich bestimmt werden, sondern lediglich bestimmbar sein.

Flexibilität unnötig eingeschränkt

Dies ist auch praxisgerecht. Dieser Flexibilität hinsichtlich der Bestimmbarkeit der Forderungen wird der Entwurf der Verordnung über die Form des Refinanzierungsregisters vom 7. August 2006 nicht gerecht, die die Einzelheiten einer ordnungsgemäßen Registrierung regeln soll. Dieser Entwurf geht anscheinend nicht vom gesetzlichen Leitbild der Bestimmbarkeit aus, sondern verlangt eine Bestimmung jeder Einzelforderung nach Darlehensnummer, Währung; Betrag und - dies erscheint im Hinblick auf Datenschutz und Bankgeheimnis nicht unbedenklich zu sein grundsätzlich auch nach Forderungsschuldner.

Diese Angaben können für die Bestimmbarkeit des Treuguts hilfreich sein; erforderlich sind sie dafür indes nicht. In der Praxis wird bedauert, dass das Registrierungsformular nur die erforderlichen Bestimmbarkeitsmerkmale verlangt und nicht Verweise auf Bezugsdokumente ermöglicht.

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