Gespräch des Tages

BaFin - Gratwanderung zwischen Analyse und Einmischung

In welcher Frequenz die Bankenaufsicht die deutschen Kreditinstitute
und Versicherer künftig mit lästigen Überprüfungen behelligen oder gar
heimsuchen wird, können diese anhand einer Farbskala austüfteln. Sie
reicht in ihren vier Ausprägungen von lindem Grün über Gelb und Orange
bis hin zu sattem Rot und bringt die Qualität der Finanzdienstleister
hinsichtlich ihrer Risikoklassifizierung zum Ausdruck. Mit drei
weiteren Stufen (Grün, Gelb, Rot) wird die Auswirkung der einzelnen
Häuser auf die Finanzmarktstabilität festgehalten. Und zusammen ergibt
sich daraus einerseits für die Bankenaufsicht und andererseits für die
Versicherungsaufsicht eine Risikomatrix mit jeweils zwölf
Ausprägungen. Das Ganze sieht wie ein optischer Schnelltest für Banken
und Versicherungen aus.
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Mit der Matrix will die BaFin auch nach außen hin zu erkennen geben,
dass ihr an transparentem und effizientem Handeln gelegen ist. Mit
anderen Worten, die beaufsichtigten Banken und Versicherungen sollen
mit diesem neuen Kommunikationsinstrument auf einen Blick wissen, wie
die "dialogbereite Aufsicht" ihre Risikolage sieht. Und sie sollen
möglichst rasch verstehen lernen, dass diese ihre begrenzten
Ressourcen künftig mehr als bisher auf jene Institute und
Finanzdienstleistungsunternehmen zu richten gedenkt, die aufgrund
ihres Risikoprofils eine intensivere Beaufsichtigung notwendig
erscheinen lassen. Der ersten Einteilung nach spricht Jochen Sanio von
grundsätzlich etwa 20 Prozent aller relevanten zu beaufsichtigenden
Unternehmen, mit denen sich die BaFin künftig eingehender zu
beschäftigen gedenkt.
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Tiefrot, also mit niedriger Qualität der Risikoklassifizierung und
gleichzeitig hoher Systemrelevanz ist derzeit übrigens kein Institut
eingestuft - weder in der Kredit- noch in der Versicherungswirtschaft.
Und die 7,9 Prozent der Banken und 3,9 Prozent der Fälle aus dem
Bereich der Versicherungsaufsicht mit sehr niedriger
Risikoklassifizierung sind glücklicherweise auch alle von geringer
Systemrelevanz. Allen systemrelevanten Instituten bestätigt der
BaFin-Präsident in der Berichtsperiode 2005 zum ersten Mal seit
mehreren Jahren wieder ausnahmslos schwarze Zahlen. Die Aufsicht
selbst sieht Jochen Sanio damit ihrerseits in der komfortablen Lage,
nicht ständig mehr oder weniger kritischen Entwicklungen
hinterherlaufen zu müssen, sondern ihre Arbeit präventiv und
zukunftsorientiert ausrichten und das deutsche Bankensystem krisenfest
machen zu können.
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Als Selbstläufer will er diese Entwicklung aber nicht verstanden
wissen, wenngleich er die deutsche Kreditwirtschaft in puncto
Risikomanagement für sehr erfreuliche Ergebnisse und dabei
insbesondere den hohen Standard der bankinternen Risikomess-Systeme
lobt. Nachholbedarf sieht er freilich beim Rentabilitätsniveau. Das
vergleichsweise gute Branchenergebnis 2005 schreibt er maßgeblich der
Zunahme der möglicherweise weniger nachhaltigen, weil volatileren
Komponenten Handelsergebnis und Provisionserträge aus
Wertpapiergeschäften zu.
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Im internationalen Vergleich als zu niedrig bewertet er hingegen das
Zinsergebnis. Und angesichts des harten Konditionenwettbewerbs und
damit des Margendrucks auf der Aktiv- wie auf der Passivseite erwartet
er auch keine Besserung, sondern drohender Zinsänderungsrisiken wegen
eher eine Gefährdung des Erreichten. Nachhaltige Anstrengungen
bescheinigt er der Branche bei der Senkung der Kosten und plädiert in
diesem Zusammenhang für die Ausschöpfung aller Möglichkeiten des
Outsourcings.
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Als Tendenzaussage zur Bankenstruktur und Plädoyer für deren
Veränderung will er das alles aber keineswegs verstanden wissen,
sondern allein als nüchterne Situationsanalyse des um eine nachhaltige
Finanzmarktstabilität besorgten Bankaufsehers. Bei unseren hauseigenen
Überlegungen zu einer gesunden Bankenstruktur, so sagt er aber ebenso
klar, landen wir nicht zwangsläufig beim Drei-Säulen-Modell.

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