Aufsätze

Bankenaufsicht aus einer Hand? - Rechtsfragen einer Neuordnung

Die krisenhafte Entwicklung auf den Finanzmärkten hat die Diskussion über die deutsche Bankenaufsicht neu belebt. Das Kreditwesengesetz (KWG) verteilt die Zuständigkeiten auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Deutsche Bundesbank. Kritiker sehen in dieser Zweigleisigkeit eine Mitursache für das aus ihrer Sicht zu späte Eingreifen der deutschen Aufsichtsbehörden. Sie fordern eine Bankenaufsicht aus einer Hand, also allein durch die BaFin, die Bundesbank oder eine neue Behörde.

Eine Konsequenz der föderalen Zuständigkeitsverteilung

Aus rechtlicher Sicht ist die Zusammenarbeit von BaFin und Bundesbank bei der Bankenaufsicht eine Konsequenz der föderalen Zuständigkeitsverteilung. Der Bund darf grundsätzlich nur dann tätig werden, wenn ihm das Grundgesetz Kompetenzen ausdrücklich verleiht. Die Gesetzgebungsbefugnis für die Bankenaufsicht steht ihm nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) zu. Mit dem Recht zur Gesetzgebung ist aber die Kompetenz zum Gesetzesvollzug nicht ohne Weiteres verbunden. Nach Art. 83 GG führen die Länder auch die Bundesgesetze aus, wenn das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt. Deshalb ist es typisch für den deutschen Föderalismus, dass der Bund Gesetze erlässt und Behörden der Länder für deren Vollzug zuständig sind.

Etwas anderes gilt nur dort, wo das Grundgesetz dem Bund die Verwaltungskompetenzen ausdrücklich zuweist. Zu den Bereichen, die der Bund in eigener Verwaltung und mit eigenem Verwaltungsunterbau betreiben darf, zählt Art. 87 Abs. 1 GG zum Beispiel den Auswärtigen Dienst und die Bundesfinanzverwaltung. Die Bankenaufsicht gehört aber nicht zu den Gegenständen der bundeseigenen Verwaltung. Deshalb gilt auch hier, dass grundsätzlich die Länder zuständig sind. Und tatsächlich war die Bankenaufsicht bis zum Erlass des KWG im Jahr 1962 Sache der Länder.

Der Bund ist allerdings doch nicht ganz auf die ausdrücklich im Grundgesetz erwähnten Bereiche beschränkt. Er kann zusätzliche Verwaltungskompetenzen an sich ziehen, indem er selbstständige Bundesoberbehörden oder neue Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts errichtet. Als einzige inhaltliche Voraussetzung dafür nennt Art. 87 Abs. 3 GG das Bestehen einer Gesetzgebungsbefugnis. Die liegt für die Bankenaufsicht vor. Daher war es für den Bund keine Schwierigkeit, 1962 das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen zu errichten und 2002 als dessen Nachfolger die BaFin. Das wesentliche Problem besteht allerdings darin, dass solche Bundesoberbehörden und ähnliche Einrichtungen nach geltendem Verfassungsrecht keinen Verwaltungsunterbau haben dürfen. Die Aufsicht über die deutlich mehr als 2 000 selbstständigen Kreditinstitute in Deutschland - mit ihren rund 40 000 Zweigstellen - lässt sich aber kaum allein von einer zentralen Behörde bewältigen.

Ein Kunstgriff

Die Zusammenarbeit zwischen Bundesaufsichtsamt/BaFin und Bundesbank war der Kunstgriff, mit dem der Bund sich den Bereich der Bankenaufsicht sichern konnte.

Die Bundesbank darf nämlich einen Verwaltungsunterbau haben, soweit sie auf der Basis der Spezialvorschrift des Art. 88 GG als Währungsbank tätig wird. Wegen der Wechselbeziehungen zwischen Währungspolitik und Finanzmarktstabilität stehen die Aufgaben der Bundesbank, die sie im Bereich der Bankenaufsicht wahrnimmt, ganz überwiegend in engem Zusammenhang mit ihrem Auftrag, die Währung zu sichern. Deshalb wies das Bundesverfassungsgericht 1962 Anträge von Ländern zurück, die sich gegen die im KWG vorgesehene Aufgabenverteilung wandten.1) Die Bundesbank darf also ihren Verwaltungsunterbau einsetzen und füllt auf diese Weise die Lücke, die die zentrale Bankenaufsichtsbehörde aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht selbst schließen kann.

Diese Rechtslage führt dazu, dass es ohne Grundgesetzänderung nach wie vor nicht möglich wäre, die Bankenaufsicht allein der BaFin oder einer anderen Behörde des Bundes zu übertragen. Sehr viel einfacher wäre es demgegenüber, die Aufsichtskompetenzen bei der Bundesbank zu konzentrieren.

Verfassungsänderung als sauberste Lösung

Völlig unproblematisch wäre allerdings auch diese Lösung nicht. Mit ihrem Verwaltungsunterbau darf die Bundesbank nämlich nur solche Aufgaben ausführen, die zugleich auch der Währungssicherung dienen. Bankenaufsicht und Währungssicherung sind Gebiete, die sich zwar weitgehend, aber nicht völlig überschneiden. Es dürfte bei der Aufsicht auch Bereiche geben, die rein gewerbepolizeilicher Art sind und in keinem ausreichenden Zusammenhang mit der Währungssicherung stehen. Solche Tätigkeiten gehören nicht zu den von Art. 88 GG gesicherten Zuständigkeiten der Bundesbank. Auch sie könnte diesen Bereich daher nur - genauso wie die BaFin - durch ihre Zentrale erledigen. Sollte das nicht möglich sein, dürfte die Bundesbank diese gewerbepolizeilichen Tätigkeiten nicht übernehmen. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die Bundesbank auch schon derzeit solche verfassungsrechtlich problematischen Aufgaben wahrnimmt.2)

Vor diesem Hintergrund bestünde die sauberste Lösung in einer Verfassungsänderung. Würde man in Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG nach "die Bundesfinanzverwaltung" die Worte "die Bankenaufsicht" oder "die Finanzdienstleistungsaufsicht" einfügen, wären die rechtlichen Probleme behoben. Dann könnte man politisch entscheiden, ob BaFin und Bundesbank weiterhin zusammenarbeiten sollen oder ob eine Bankenaufsicht aus einer Hand - durch wen auch immer - die bessere Wahl wäre.

Sollte der Bundesgesetzgeber die Bankenaufsicht bei der Bundesbank konzentrieren wollen, dürfte er die deutsche Zentralbank auch bei dieser Tätigkeit keiner Aufsicht durch andere Stellen des Bundes unterwerfen. Das ergibt sich aus Art. 108 des EG-Vertrags, der die Weisungsunabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und der nationalen Zentralbanken garantiert. Zwar gehört die Bankenaufsicht als solche nicht zu den Aufgaben, die der Bundesbank durch das Gemeinschaftsrecht übertragen wurden. Soweit sich aber Zentralbankaufgaben und Bankenaufsicht überschneiden, wird die Bundesbank im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit immer auch tätig, um die Währung zu sichern. Das ist die wesentliche Aufgabe der Zentralbanken nach Art. 105 Abs. 1 EG-Vertrag. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe sind Weisungen von Stellen der Mitgliedstaaten unzulässig. Anders als die BaFin darf die Bundesbank daher im Bereich der Bankenaufsicht grundsätzlich keiner Aufsicht des Bundesfinanzministeriums unterliegen.

Diese allein auf Deutschland bezogenen Überlegungen blenden die starke internationale Komponente der Bankenaufsicht aus. Es scheint derzeit allerdings nicht so, als käme es allzu schnell zur Errichtung einer globalen oder auch nur europäischen Bankenaufsichtsbehörde. Und selbst dann würden nationale Einrichtungen wohl kaum überflüssig. Deshalb wäre es die Mühe durchaus wert, die deutsche Bankenaufsicht auf ein sicheres verfassungsrechtliches Fundament zu stellen.

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