Gespräch des Tages

Bankenaufsicht - Klare Zielvorstellungen

Die europäische Politik vermittelt in der Finanzkrise anhaltend den Eindruck, als fehle ihr jede Vision. Allein der Fortbestand des Euros wird von vielen Politikern als gegeben hingenommen, und die Vermeidung eines Auseinanderbrechens der Eurozone steht offensichtlich als Maßgabe über vielen Maßnahmen und Rettungsaktionen der vergangenen Monate und Jahre. Wohin das Projekt Europa führen soll, ist jedoch selbst in den ganz entscheidenden Fragen der Schaffung einer Fiskalunion, geschweige denn einer politischen Union offen oder allenfalls vage angedeutet. Selbst in sehr langen Zeiträumen gedacht fehlen dazu klare politische Bekenntnisse.

Mit Blick auf eine zukunftsweisende Bankenaufsicht für Europa, wie sie politisch beschlossen ist, klingt die Umschreibung des Szenarios der anstehenden Projektarbeit bei der Deutschen Bundesbank erfreulich anders. Zwar räumt die zuständige Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger unmissverständlich ein, dass der verbindliche Rechtsrahmen, der eine hoffentlich strikte Trennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht festlegt, nur durch die demokratisch gewählten Parlamente und Regierungen geschaffen werden kann. Aber mit Blick auf die konkrete Aufgabe der Schaffung einer gemeinsamen europäischen Bankenaufsicht hat und artikuliert sie feste Vorstellungen. Vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten hat sie sich kürzlich erneut klar und deutlich für den festgelegten Start des Projektes Mitte des kommenden Jahres ausgesprochen, auch wenn längst noch nicht alle (Umsetzungs-)Fragen im Detail geklärt sein können.

Wichtige Bereiche der konkreten Aufbauarbeit registriert sie etwa bei der Regelung der Zusammenarbeit zwischen nationalen Aufsehern und der EZB, bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern, bei der Entwicklung von einheitlichen Regeln, Standards und Benchmarks für die Aufsichtspraxis beim Risikomanagement und nicht zuletzt hinsichtlich des zeitaufwendigen und für viele Banken zweifellos auch kostspieligen Aufbaus eines einheitlichen Meldewesens. Und dass der notwendige europäische Abwicklungsmechanismus nicht effektiv funktionieren kann, wenn die Bankenaufsicht der EZB von einer möglichen Abwicklung der gescheiterten Institute auf nationaler Ebene begleitet werden soll, steht für sie außer Frage, auch wenn dies eine entsprechende Änderung der EU-Verträge nach sich zieht. Diese Position ist bei Sabine Lautenschläger allerdings mit der unmissverständlichen Forderung verbunden, finanzielle Risiken der nationalen Banken, die unter nationaler Aufsicht entstanden sind, den Verantwortlichen zuzurechnen und keinesfalls zu vergemeinschaften. Mit sicherem Gespür für mangelnde Zukunftsvorstellungen der Politik erkennt sie freilich auch hier mögliche Probleme, nämlich hinsichtlich der Frage, ob Verluste der europäisch beaufsichtigten Banken aus künftig entstehenden Risiken allein europäisch getragen werden sollten. An dieser Stelle offenbart sich einmal mehr das Fehlen einer abgestimmten Wirtschafts- und Fiskalpolitik unter den Nationalstaaten.

Für die praktische Umsetzung, so betont die Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank immer wieder, erfordert das Projekt europäische Bankenaufsicht an vielen Stellen Übergangsfristen und eine erhebliche Bereitschaft aller Beteiligten zur Flexibilität. Ob das beispielsweise auch für das zuletzt vernehmbare Gerangel zwischen Bundesbank und BaFin um Sitz und Stimme in den relevanten Aufsichtsgremien der EZB gilt? In dieser Frage positioniert sich Sabine Lautenschläger erst einmal eindeutig für eine gemeinsame, gleichberechtigte Vertretung beider deutscher Aufsichtsinstanzen.

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