Gespräch des Tages

Britische Banken - Zehn Prozent mit einem Schlag

Vom Wettbewerb gesteuert sind die Veränderungen im britischen Bankenmarkt nicht. Wie marode die zum gigantischen Ungeheuer angewachsene Royal Bank of Scotland ist, wird erst langsam klar: Während andernorts schon wieder Geld verdient wird - wenn auch unglücklicherweise oft in jenen volatilen Geschäftsfeldern, welche die Krise erst ausgelöst hatten - benötigt die RBS, einst Musterknabe im europäischen Kreditgeschäft, weitere Staatshilfen. Dass ein Institut seine Bilanzsumme in bloß drei Jahren auf 2 400 Milliarden Pfund verdreifachen kann, ohne dass von A wie Aufsichtsrat (nonexecutive directors) über F wie Finanzaufsicht bis Z wie Zentralbank zumindest Fragen gestellt werden, bleibt unerklärlich. Insgesamt sichern die Steuerzahler derzeit problematische Wertpapiere über 282 Milliarden Pfund ab. Zudem steckt die Regierung nun weitere 25,5 Milliarden Pfund direkt in die Bank. Auf Druck der EU muss die RBS Standorte in England und Wales, ihre Natwest-Filialen in Schottland sowie Teile des Investmentbankings abstoßen.

Auch andernorts im britischen Bankengeschehen zeigen sich deutliche Umbrüche: Wenn mit der HSBC das größte Institut des Landes den Sitz des Chief Executive von London in die alte Heimat nach Hongkong verlegt, gereicht dies schon kaum zur Schlagzeile. Niemand kann glauben, dass damit nicht eine maßgebliche Verschiebung der Geschäftsschwerpunkte einhergehen wird. Der Rivale Lloyds wird zwar nicht unter den staatlichen Schutzschirm für Schrottpapiere schlüpfen. Aber auch er braucht frisches Geld.

Die Gruppe will im Zuge einer Kapitalerhöhung insgesamt 21 Milliarden Pfund einsammeln, vornehmlich bei privaten Investoren. Gleichwohl beteiligt sich die britische Regierung mit 5,7 Milliarden Pfund an den Maßnahmen, um ihren Anteil am Unternehmen bei 43 Prozent zu halten. Als Auflage trennt sich die Bankengruppe neben der Marke TSB unter anderem von ihren Cheltenham & Gloucester-Filialen. Bei RBS und Lloyds zusammen stehen damit mehr als 900 Filialen zum Verkauf - immerhin knapp die Hälfte aller Großbank-Bankstellen in Deutschland.

Und noch eine frische Brise will die EU-Kommission dem strauchelnden Bankensektor in Großbritannien zufächeln: Die Geschäftszweige von RBS und Lloyds dürfen nur an Neulinge auf dem britischen Bankenmarkt abgegeben werden. Interessenten gibt es genug: Dem Vernehmen nach haben Milliardär Richard Branson mit seiner Virgin-Gruppe und die Supermarktkette Tesco ihr Auge auf die Einheiten geworfen. Behält die BBC recht, könnten auch Namen wie der des deutschen Versicherungsriesen Allianz oder deren Wettbewerber Generali und Zurich im Gespräch sein - wenngleich dies angesichts des derzeitigen Allfinanz- Sterbens überraschen würde (siehe auch Leitartikel in diesem Heft). Damit steht der bislang von den Branchengrößen dominierte britische Bankenmarkt fast schon vor einem Neuanfang: Die "Einsteiger" könnten sich mit einem Schlag rund zehn Prozent am Privatkundengeschäft auf der Insel sichern.

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