Kreditwesen aktuell

Der deutsche Verbriefungsmarkt und die aktuelle Krise

Wer erinnert sich nicht an den Gammelfleischskandal im September 2006. In einem großen süddeutschen Betrieb hatte man über längere Zeit stinkende Fleischreste verarbeitet, deren Haltbarkeitsdatum bereits seit Jahren überschritten war. Die Aufarbeitung des Skandals ließ wochenlang weitere neue Horrormeldungen durch die Nachrichten gehen. Der Fleischabsatz brach ein. Vegetarische Gerichte hatten Hochkonjunktur. Wer überhaupt noch Fleisch zu sich nahm, kaufte beim Metzger von nebenan; dieser warb mit "Fleisch aus der Region", dem Prüfzeichen "Fleischerfachgeschäft" und dem QS-Siegel "Qualitätsfleisch". Die zuständigen Behörden und Ministerien hingegen mussten sich fragen lassen, wo die staatliche Aufsicht gewesen war und gelobten Besserung. Für den Fleischmarkt wurde hieraus einmal mehr deutlich, wie wichtig sichere Industriestandards und eine funktionierende staatliche Lebensmittelaufsicht sind. Gibt es Parallelen zum Finanzmarkt?

Baufinanzierungsportfolios: normalerweise risikoarm

Normalerweise gehören Baufinanzierungsportfolios zu den risikoärmsten überhaupt. Dies gilt auch für verbriefte Baufinanzierungsportfolios, sogenannte RMBS, insbesondere dann, wenn diese AAA geratet sind. Von daher wundert es nicht, dass verbriefte amerikanische "Subprime-Hypotheken" AAA-Bonds weltweit viele Abnehmer fanden, zumal der Preis, sprich Zinsspread, sehr gut war. Doch die Subprime-Kredite wiesen in konzentrierter Form ein gemeinsames Negativmerkmal auf: Die Kreditvergabestandards waren - für die Öffentlichkeit zunächst verborgen - extrem abgesenkt worden. Niedrige Teaserrates am Anfang Hand in Hand mit steigenden Hauspreisen, die den Schuldnern weitere Krediterhöhungen möglich machten, erlaubten die störungsfreie Tilgung. Somit kamen jene Kredite einer Wette auf weiter steigende Hauspreise gleich. Als diese 2006 zunächst stagnierten und Ende 2006 dann fielen, wurde zunehmend klar, dass viele Kreditnehmer überhaupt nicht in der Lage waren, ihre Kredite ordnungsgemäß zu bedienen.

Auf den Subprime-ABS-Märkten trat zunächst der Käuferstreik ein, der schnell in eine Verkaufswelle umschlug, die die Kurse für Subprime-ABS in mehreren Schüben nach unten trieb. Wer jetzt noch investiert war, hatte es schwer überhaupt auszusteigen. Unter besonderen Druck kamen die in Subprime investierten, kurzfristig finanzierten Investmentvehikel, sogenannte Conduits und SIVs, denen die Investoren scharenweise wegblieben und deren Sponsorenbanken gezwungen wurden, selbst einzuspringen. Fallende Kurse für Sub-prime-Bonds in Kombination mit den IFRS Mark-to-Market-Regeln beschädigten die Bankbilanzen und führten zu Verlustausweisen in bislang nicht gekannten Größen. Und wie der Gammelfleischskandal zunächst auch den anständigen Fleischern zusetzte, drohte die Subprime-Krise den gesamten Markt für strukturierte Finanzierungen in Mitleidenschaft zu ziehen.

Auch der deutsche ABS-Markt konnte sich dem Sog nicht entziehen. Dabei waren deutsche Verbriefungstransaktionen gekennzeichnet durch die hohe Qualität der zugrunde liegenden Kredite gewesen, die sich bis heute sowohl in niedrigen Ausfallraten als auch in einer hohen Ratingstabilität der Transaktionen widerspiegelt. Dazu haben nicht nur die eigenen Qualtitätstandards der Banken beigetragen, sondern auch das rechtliche und regulatorische Umfeld in Deutschland.

"Anders als in den USA"

Verbriefte Bankkredite unterliegen in Deutschland - anders als zum Beispiel in den USA - den gleichen rechtlichen Regeln (Mindestanforderungen Kredit) in der Kreditvergabe wie nichtverbriefte Kredite. Zudem regelt ein bereits zehn Jahre altes, aber sehr vorausschauendes Rundschreiben der BaFin (4/97), dass "die Auswahl der zu veräußernden Forderungen (...) innerhalb der vertraglich vereinbarten Auswahlkriterien nach dem Zufallsprinzip erfolgen" muss und dass die verbriefende Bank weiterhin verantwortlich in der Kreditbearbeitung bleiben muss.

Es gibt somit keinen Qualitätsunterschied zwischen verbrieften oder einbehaltenen Krediten und deutsche Kreditverbriefungen zeigen, die Verluste betreffend, keinerlei Auffälligkeiten. Beim überwiegenden Teil der Verbriefungen handelte es sich in Deutschland um sogenannte "Balance-Sheet"-Transaktionen, bei denen Banken Kredite aus ihrem eigenen Kundengeschäft verbrieften. Ziel dieser Transaktionen war und ist es, das Eigenkapital besser zu nutzen beziehungsweise sich Liquidität für neue Kreditvergaben zu beschaffen.

Dass die Subprime-Krise im Sommer 2007 auf den deutschen Verbriefungsmarkt überschwappte, ist somit nicht auf die verbriefenden Banken in Deutschland, sondern auf Investments deutscher Banken in amerikanische Wertpapiere zurückzuführen, deren verbriefte Kreditportfolios gerade nicht den Standards entsprachen, die in Deutschland üblich sind.

In den letzten Jahren haben sich in Deutschland die zivil-, steuer-, bilanz- und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für Kreditverkäufe und die Übertragung von Kreditrisiken im Rahmen von ABS-Transaktionen herausgebildet. Sie wurden seitdem auch in vielen Transaktionen getestet. Über 150 Milliarden Euro Kredite und Kreditrisiken wurden seit 2001 über synthetische und True-Sale-Verbriefungen an den Kapitalmarkt weitergegeben, etwa 60 Milliarden Euro Kredite und Kreditrisiken allein in den vergangenen drei Jahren über die TSI-Verbriefungsplattform. Synthetische und True-Sale-ABS-Transaktionen haben seitdem ihren festen Platz, wenn es um Eigenkapitalsteuerung und Refinanzierung von Banken in Deutschland geht.

Die aktuellen Ereignisse auf den Finanzmärkten belegen, wie wichtig das Anliegen der TSI in den vergangenen Jahren war, nämlich zum einen Qualitätsstandards für deutsche Verbriefungen zu erarbeiten und zum anderen darauf hinzuwirken, dass der Gesetzgeber den rechtlichen Rahmen bereitstellt, dass Verbriefungen in Deutschland, unter deutschem Recht, voll umfänglich abgewickelt werden können. Die Zahlen zeigen auch, dass für die Verbriefung von Bankkrediten zunehmend auch die TSI-Verbriefungsplattform genutzt wird. Sie hat in den letzten Jahren ihren Marktanteil kontinuierlich ausgeweitet. Er lag 2007 deutlich über 50 Prozent. 23 der 42 Zweckgesellschaften, die bislang von der TSI für Verbriefungstransaktionen bereitgestellt wurden, wurden alleine im letzten Jahr gegründet. Und auch für 2008 kündigen sich weitere Verbriefungstransaktionen über die TSI an.

Zertifikat als Qualitätsnachweis

Seit 2004 vergibt die TSI das Zertifikat "Certified by TSI". Hiermit werden True-Sale-Transaktionen zertifiziert, die mit einem hochwertigen Investorreporting ausgestattet sind, das regelmäßig und zeitnah mit den Offering Circulars auf der TSI-Website öffentlich zugänglich ist und die bei normalen Marktbedingungen von mindestens zwei Market Makern begleitet werden. Bislang wurden zehn Transaktionen zertifiziert, für 2008 erwartet die TSI weitere vier bis fünf Zertifizierungen. Auch dies unterstreicht die zunehmende Akzeptanz des TSI-Standards bei Originatoren und Investoren.

Nach Ausbruch der Krise haben die Bankenaufseher der führenden Industrieländern auf verschiedenen Ebenen begonnen, die Ursachen der Krise aufzuarbeiten. Auch das Thema Verbriefung wird dabei adressiert. So haben das Financial-Stability- Forum, ein Zusammenschluss von Zentralbanken und Finanzministerien der G7-Länder, sowie der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, eine Vereinigung der Bankenaufseher der führenden Industrieländer, im April 2008 ihre Berichte vorgelegt. Absehbar ist, dass hochkomplex strukturierte CDOs, die mit ursächlich für den Ausbruch der Subprime-Krise verantwortlich waren, mit höheren Eigenkapitalunterlegungen belegt werden.

Des Weiteren wird darauf hingearbeitet Moral Hazard, das heißt laxen Kreditvergabestandards und asymmetrischen Informationen bei Verbriefungen durch genauere Anforderungen an Kreditvergabe und -bearbeitung, Auswahl verbriefter Kredite sowie Schaffung von Standards bezüglich laufender Transparenz und Offenlegung wichtiger Daten über das Kreditportfolio und seiner Entwicklung zu begegnen.

Funktionierende rechtliche Rahmenbedingungen schaffen

Alle bisherigen Anstrengungen, auf dem deutschen Verbriefungsmarkt Qualität und Transparenz zu sichern, können sich daher nur bestätigt fühlen: die deutsche Aufsicht mit ihren bereits frühzeitig eingeführten Regeln für Verbriefungen sowie die Verbriefungsindustrie in Deutschland, mit den hochstandardisierten Verbriefungsplattformen Promise und Provide für synthetische Verbriefungen, der sehr standardisierten TSI-Plattform und den TSI-Standards für Transparenz.

Die deutsche Politik sollte aus der Sub-prime-Krise den Schluss ziehen, den eingeschlagenen Weg konsequent fortzusetzen und sichere, stabile und funktionierende rechtliche Rahmenbedingungen für Verbriefungen in Deutschland zu schaffen (siehe auch Kreditwesen 4-2008), denn die aktuelle Situation zeigt, dass niemand damit gedient ist, wenn ein wichtiges Kapitalmarktsegment wie die Verbriefung von Kredit- oder Leasingportfolios aufgrund fehlender (steuer-)rechtlicher Rahmenbedingungen in Deutschland in andere Jurisdiktionen wandert.

Dr. Hartmut Bechtold , Global Writers Group GmbH
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