Aufsätze

Zur Entwicklung und Zukunft des Verbriefungsmarktes in Europa

Die aktuelle Kreditkrise nahm ihren Anfang am US-amerikanischen Subprime-Markt und den entsprechenden Verbriefungsprodukten. Und obgleich US-Subprime-Verbriefungen mit hochwertigen europäischen Verbriefungen genauso wenig vergleichbar sind wie griechische Staatsanleihen mit deutschen Bundesanleihen oder griechische Covered Bonds mit deutschen Pfandbriefen, wurden zum Leidwesen europäischer Verbriefungsprodukte diese zunächst undifferenziert mit ihren US-amerikanischen Pendants in einen Topf geworfen. Erst langsam ist der europäische Verbriefungsmarkt wieder dabei, durch seine fundamentale Performance über den nunmehr fünfjährigen Krisenzyklus seine Kritiker eines Besseren zu belehren.

Der Markt nach Krisenausbruch

Dabei hat der Markt nach Krisenausbruch verschiedene Stadien durchlaufen. Konnte der europäische Verbriefungsmarkt im ersten Halbjahr 2007 mit 296,3 Milliarden Euro noch ein Wachstum von fast 70 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2006 erzielen, so blieb nach Ausbruch der Subprime-Krise das zweite Halbjahr mit 189 Milliarden Euro bereits weit hinter dem entsprechenden Vorjahreswert von 293 Milliarden Euro zurück. Insgesamt lag das Emissionsvolumen im Ausbruchsjahr der Finanzkrise mit gut 485 Milliarden Euro noch leicht über dem in 2006 erzielten Niveau von fast 469 Milliarden Euro.

Aber auch hier zeichnete sich schon ein Trend ab, der für die Folgejahre von erheblicher Bedeutung sein sollte, nämlich die Unterscheidung zwischen "produziertem" und tatsächlich abgesetztem Emissionsmaterial. Mithin war fortan das reine Gesamtvolumen der am Primärmarkt emittierten Transaktionen kein adäquater Gradmesser mehr für die Vitalität des europäischen Verbriefungsmarktes. So griffen europäische Banken angesichts ihrer Schwierigkeiten bei der Refinanzierung auf Asset Backed Securities (ABS) als Collateral für Repos bei der EZB beziehungsweise den nationalen Zentralbanken (NZBs) zurück.

Durch die "Repo-Produktion" wurde daher 2008 beim Neuemissionsvolumen ein Alltime-high von fast 650 Milliarden Euro erzielt, was einen Zuwachs von 37 Prozent gegenüber 2007 darstellte. Tatsächlich am Primärmarkt abgesetzt wurden davon aber schätzungsweise nur drei bis fünf Prozent. Aufgrund der besonderen Verwendung der Verbriefungen als EZB-Sicherheit brauchte auf etwaige Investorenwünsche auch nur wenig Rücksicht genommen werden, was sich unter anderem in marktfernen Coupons, fast einer Verdopplung der durchschnittlichen Transaktionsgröße sowie einem deutlichen Anstieg des Marktanteils der Residential Mortgage Backed Securities (RMBS) niederschlug. Die ABS wurden einfach und mit Blick auf die EZB-Fähigkeit strukturiert und verfügten daher oft auch nur über ein Rating, teilweise nur im (damals noch für EZB-Repogeschäfte ausreichenden) A-Niveau.

Jähe Zäsur durch Eurokrise

Erstmals konnten in 2009 in der zweiten Jahreshälfte wieder einige, teilweise auch großvolumige Transaktionen öffentlich vermarktet werden. Diese Emissionen wiesen im Vergleich zu früheren Transaktionen in der Regel Unterschiede in der Transaktionsstruktur und zusätzliche Sicherungselemente auf. Damit sprang die Wiederbelebung des Marktes von Großbritannien auf Kontinentaleuropa über. Zumeist konnten diese Transaktionen aufgrund einer hohen Nachfrage im Volumen aufgestockt und zu einem Preis deutlich unterhalb des ursprünglichen Spreadtalks platziert werden. Die zusätzlich integrierten Sicherungselemente bestanden beispielsweise aus Garantien staatlicher Finanzagenturen oder einer Put-Option gegenüber dem Originator, um die ABS-Anleihen nach Ablauf der erwarteten Laufzeit diesem anzudienen. Das Risiko einer Laufzeitverlängerung der Transaktionen wurde damit reduziert. Die Ausgestaltung dieser Transaktionen unterstrich bereits das neue Investoreninteresse an einfachen Verbriefungsstrukturen, die mit den teilweise komplexen Produkten vor der Finanzkrise nicht vergleichbar sind.

Der Ausbruch der Eurokrise nach der Offenlegung des Desasters der griechischen Staatsverschuldung durch die damalige Regierung Papandreou im zweiten Quartal 2010 bereitete den bis dato wieder robust angelaufenen ABS-Primärmarktaktivitäten ein jähes Ende. Wenngleich die Reaktion des Verbriefungsmarktes im Vergleich zu denen für Staats- oder Bankanleihen mit deutlicher Verzögerung und in abgeschwächter Form erfolgte, konnten sich ABS der allgemeinen Marktschwäche auch nicht nachhaltig entziehen. "Hartgesottene" ABS-Investoren zeichneten dennoch weiterhin Neuemissionen - wenn diese nicht öffentlich vermarktet wurden, dann wenigstens im Wege des "Private Placements".

So konnten in 2010 erstmals wieder durchgängig Transaktionen über das gesamte Jahr hinweg platziert werden. Mit rund 79 Milliarden Euro konnten seit Beginn der Finanzkrise damit 2010 wieder in nennenswertem Umfang ABS vermarktet werden. In Relation zum Gesamtemissionsvolumen von knapp 363 Milliarden Euro entsprach dies jedoch nur einer Quote von etwa 22 Prozent, womit im Umkehrschluss die hohe Einbehaltsquote für EZB-Repogeschäfte einen immer noch nicht funktionsfähigen Primärmarkt indizierte. Favoriten der Investoren waren neben niederländischen und britischen Prime-RMBS abermals deutsche Auto-ABS. Die "Monokultur" dieser Assetklassen herrschte zunächst bis Mitte des Jahres 2010 vor. Dann erweiterte sich in der zweiten Jahreshälfte das ABS-Anlagespektrum unter anderem um britische Kreditkarten, die wieder ihren Weg zu den Investoren fanden.

Rückbesinnung auf gedeckte Verbriefungsanleihen

Letztes Jahr konnte das Emissionsvolumen trotz Neuauflage der Eurokrise insgesamt auf 375 Milliarden Euro um rund drei Prozent gegenüber 2010 gesteigert werden, und auch das Platzierungsvolumen markierte mit etwa 97 Milliarden Euro in 2011 einen neuen Höchststand seit Beginn der Finanzkrise. Mit lediglich etwa 26 Prozent blieb die Vermarktungsquote jedoch weit hinter den Erwartungen zurück, und von einem "funktionierenden" Primärmarkt konnte wieder nur in den vier Assetklassen Auto-ABS, niederländische sowie britische Prime-RMBS und seit 2011 immerhin auch bei britischen Kreditkarten-ABS die Rede sein.

Im ersten Halbjahr 2012 erzielte der europäische Verbriefungsmarkt ein Neuemissionsvolumen von rund 108 Milliarden Euro und damit zirka 88 Milliarden Euro weniger beziehungsweise nur 55 Prozent des entsprechenden Vergleichswertes von 2011 in Höhe von 196 Milliarden Euro.

Wenngleich aber bei Verbriefungen die Volumenentwicklung deutlich schwächer ausfiel als im Vorjahr, konnte eine überdurchschnittliche Vermarktungsquote von öffentlich vermarkteten und privat platzierten Emissionen erzielt werden. Während die Platzierungsquote für den europäischen Verbriefungsmarkt im ersten Halbjahr 2011 noch bei mageren 26,9 Prozent lag, kletterte sie für das erste Halbjahr dieses Jahres auf beachtliche 40 Prozent. Im Mai erreichte sie mit rund 55 Prozent sogar den höchsten Wert des Jahres, und es konnte erstmals mehr Material abgesetzt werden, als einbehalten wurde. Dies zeigt, dass sich die Investoren in diesen unsicheren Zeiten zunehmend wieder auf gedeckte Verbriefungsanleihen besinnen.

In Abbildung 1 sind die Emissionsvolumi na verschiedener Kapitalmarktinstrumente, die von europäischen Banken im Verlauf der Krise zu ihrer Refinanzierung begeben wurden, einander gegenübergestellt. Auffallend ist zunächst das geschilderte, frappierende "Auseinanderklaffen" zwischen dem Gesamtemissionsvolumen ("ABS brutto") und dem abgesetzten Volumen ("ABS netto") europäischer Verbriefungen in den ersten Krisenjahren. Aber auch das abgesetzte Senior-Debt-Volumen hat sich heute im Vergleich zu 2007 auf lediglich etwas mehr als die Hälfte zurückgebildet. Der Volumenzuwachs beim regulatorisch begünstigten Covered Bond von voraussichtlich 40 bis 50 Milliarden Euro zum Jahresende 2012 gegenüber 2007, kann den Rückgang der beiden anderen Refinanzierungsinstrumente nicht kompensieren. Es verbleibt eine Diskrepanz von schätzungsweise 250 bis 300 Milliarden Euro.

Entwicklung nach Assetklassen

Vergleicht man die Verteilung des europäischen Verbriefungsmarktes nach Assetklassen in 2007 mit der aktuellen Marktsituation, so fallen deutliche Struk turunterschiede auf. So konnten klassische ABS-Verbriefungen ihren Marktanteil von zusammen noch sieben Prozent in 2007 während der Krise deutlich ausbauen. Dies ist vor allem der erfolgreichen Emission von Auto-ABS zu verdanken, für die auch im Sekundärmarkt reges Anlegerinteresse geweckt werden konnte. Aber auch Kreditkarten-ABS tragen seit letztem Jahr hierzu bei. Mit fast zwölf Prozent erzielen auch Whole-Business-Securitisations dank ihrer hohen Vermarktungsquote (in der Regel 100 Prozent) eine prominente Marktposition. RMBS bleiben mit jeweils über 50 Prozent Anteil klarer Marktführer; jedoch hat sich hier innerhalb des Segments eine deutliche Verschiebung (zulasten von Peripherie-RMBS hin zu NL- und UK-Prime-RMBS) ergeben. Zu den Verlierern zählen unter anderem Commercial Mortgage Backed Securities (CMBS). Diese fielen aufgrund der vielen negativen Schlagzeilen in der Gunst der Anleger deutlich zurück. Hatte ihr Marktanteil zu Beginn der Krise noch bis zu 15 Prozent betragen, fiel er kontinuierlich auf Marginalgröße zurück. Eine ähnliche Entwicklung durchlebten auch britische Non-Conforming-RMBS sowie verschiedene Collateralized-Debt-Obligation-(CDO-)Segmente.

Entwicklung nach Ländern

Vergleicht man die strukturellen Unterschiede in der Marktaufteilung nach Ländern von 2007 mit der heutigen, so lassen sich der britische und der deutsche Verbriefungsmarkt als relative "Krisengewinner" identifizieren. So nahm Deutschland mit nur vier Prozent Anteil zu Beginn der Krise lediglich einen der hinteren Plätze im Emissionsranking ein. Da fast sämtliche deutsche Transaktionen erfreulicherweise öffentlich vermarktet oder privat platziert werden konnten, liegt der deutsche Marktanteil am platzierten Volumen heute bei sechs Prozent. Dieser Anteil war in den letzten Jahren zum Teil noch deutlich höher, und deutschen Emissionen kam als "door-opener" eine Schlüsselrolle für den gesamten europäischen Verbriefungsmarkt zu. Zu verdanken ist dies insbesondere dem hohen Anteil Deutschlands bei der Emission der marktgängigen Auto-ABS-Emissionen. Auch im ersten Halbjahr 2012 überwiegt mit fünf der sechs Neuemissionen abermals das Segment der Auto-ABS, die sechste Emission war eine Mittelstandsverbriefung der Commerzbank.

Der britische Markt indes zählte immer schon zu den führenden Märkten in Europa, konnte jedoch erstaunlicherweise im "Hauptkrisenjahr" 2008 von Italien kurzzeitig verdrängt werden. Mit einem Marktanteil von etwa zwei Dritteln beim Absatzvolumen steht Großbritannien in 2012 jedoch unangefochten an der Spitze in Europa.

Im ersten Halbjahr 2012 betrug das absolute Volumen an platziertem Material rund 43 Milliarden Euro. Vor allem Fondsgesellschaften standen mit einem Anteil von 50 Prozent verstärkt auf der Käuferseite, gefolgt von Banken mit 40 Prozent. Der Anteil der Versicherungen unter den ABS-Investoren liegt nur noch bei rund vier Prozent (nach etwa zehn Prozent zu Beginn der Krise), was schon als Vorgeschmack auf Solvency II gewertet werden kann. Geografisch stammt die Nachfrage mit 44 Prozent hauptsächlich aus Großbritannien. Ein Großteil des britischen Vermarktungserfolges ist auch US-Investoren geschuldet, die zahlreiche in US-Dollar denominierte Tranchen britischer Verbriefungen im Volumen von umgerechnet rund 9,7 Milliarden Euro (entsprechend rund 30 Prozent des gesamten britischen Neuemissionsvolumens) im ersten Halbjahr erwarben.

Das große Interesse von US-Investoren an europäischen ABS ist kaum verwunderlich, bedenkt man, dass die Verluste europäischer Verbriefungen nach der letzten Migrationsstudie von S&P per März 2012 noch nicht einmal Dreizehntel ihrer US-Pendants betrugen. Die relative Bedeutung deutscher Investoren bei der Vermarktung ist im Vergleich zum Vorjahr um zwei Prozentpunkte gestiegen. Vor dem Hintergrund der Peripherieproblematik ist der Anteil von Spanien und Italien am europäischen Investorenkreis nach unseren Informationen nahezu bedeutungslos.

Spreadentwicklung: vom Himmel zur Hölle und zurück

Der Zusammenbruch des US-Subprime-Marktes wurde zum Auslöser der Finanzkrise 2007 und beendete die Zeit niedriger Risikospreads über alle Assetklassen hinweg. Doch besonders stark waren die Ausschläge bei Verbriefungen, die nach der Insolvenz von Lehman im Herbst 2008 gegen Ende des ersten Quartals 2009 Höchststände erreichten. Die zunehmende Erkenntnis, dass die hohen Kursabschläge angesichts der fundamentalen Performance vieler Transaktionen weit übertrieben ausgefallen waren, leitete zu Beginn des zweiten Quartals 2009 eine Spreadrallye ein. ABS fanden unter Relative-Value-Aspekten im Vergleich zu Corporate Bonds oder Covered Bonds wieder spürbares Anlegerinteresse, welches sowohl den Primärmarkt als auch die Sekundärmärkte mangels ausreichenden Materials belebte. Aber auch neue Investorengruppen in Form von "Distressed Debt Funds" oder Hedgefonds engagierten sich verstärkt in Verbriefungen. Darüber hinaus sorgten einige Originatoren für Nachfrage durch öffentliche Übernahmeofferten ("Tender Offers") für ihre älteren Transaktionen, fanden aber zu diesen Konditionen meist nur wenige Verkaufswillige.

Zu Beginn der Spreadrallye profitierten zunächst Assetklassen mit eher niedrigen Risiken, wie deutsche Auto-ABS sowie niederländische oder britische, aber auch italienische RMBS. Spanische RMBS und Consumer-ABS prägten das Mittelfeld, während die "kritischeren" Assetklassen, wie spanische High-LTV-RMBS, britische NC-RMBS und CMBS das Schlusslicht darstellten und längere Zeit auf hohem Niveau verharrten. Erst in der zweiten Hälfte der etwa einjährigen Spreadrallye konnten auch riskantere Assetklassen profitieren. Bis Ende Dezember 2009 hatten sich die Spreads über alle Assetklassen - außer CMBS - um bis zu 76 Prozent ihres Ausgangsniveaus abgebaut. Mit dieser Performance schlug das Jahr 2009 vermutlich alle Erwartungen aus 2008 und bescherte Investoren deutliche Kursgewinne, die die herben Wertberichtigungen aus den Vorjahren der Krise zumindest teilweise kompensieren konnten. Die im April 2009 einsetzende Spreadrallye endete für alle Assetklassen im Frühjahr 2010 mit dem Ausbruch der Eurokrise, so auch für Verbriefungen. Das Wiederaufleben der Krise in 2011 wirkte sich abermals negativ auf die Spreads der Südländer aus, wohingegen marktgängige Verbriefungen aus den europäischen Kernländern von einer "Flucht in Qualität" seitens der Investoren in Form von weiteren Spreadeinengungen profitierten - ein Trend, der auch 2012 anhielt.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass spätestens seit Frühjahr 2010 die wirtschaftlichen Probleme der Südländer und die Angst vor dem Auseinanderbrechen der Euro-Zone die Spreadentwicklung aller Anlageklassen in Europa treiben. Verbriefungen aus den stabilen Kernländern - Niederlande und Deutschland, aber auch UK - sind unter diesen Bedingungen von Investoren gesucht.

Subprime im Kopf, aber Qualität im Depot

2008/2009 waren Jahre der Hysterie. Alle Verluste von Banken und Finanzinstitutionen wurden undifferenziert Verbriefungen angelastet, obgleich die Zahlen selbst am Höhepunkt der Krise dies nie belegten. Auch wurde selten unterschieden zwischen fundamentalen Verlusten und temporären Kursverlusten. Doch unter Fachleuten reifte bereits 2010 die Erkenntnis, dass die fundamentale Performance europäischer Verbriefungen im deutlichen Widerspruch zu deren Image und zu ihrer strengen regulatorischen Reglementierung stand. Ebenso bestand Einigkeit, dass Verbriefungen eine bedeutende Rolle für die Realwirtschaft, für die Absatzfinanzierung der Autoindustrie sowie die SME-Finanzierung haben. Auch mehrten sich 2010 die kritischen Hinweise hinsichtlich der Behandlung von Verbriefungen unter Basel III beziehungsweise Solvency II und insbesondere ihrer bislang kaum beachteten, sich gegenseitig verstärkenden Interdependenzen.

Wie viele andere Analysen auch zeigt die Ende Juni 2012 von S&P veröffentlichte neueste Migrationsstudie über den europäischen Verbriefungsmarkt eine durchweg solide Performance über den fast fünfjährigen Krisenzyklus. So sind seit Mitte 2007 kumuliert nur 1,02 Prozent der von S&P gerateten ABS-Tranchen ausgefallen. Die kumulierte Downgrade-Rate beträgt 29,3 Prozent. Die Ursachen der Herabstufungen sind weniger in einer schwachen Poolperformance zu finden, sondern vielmehr "technischer" Natur, das heißt auf Änderungen der Ratingkriterien für Banken und die Herabstufung vieler europäischer Länderratings (vor allem der Peripheriestaaten) im Rahmen der EWS-Krise zurückzuführen (Stichwort "Country Ceiling").

Die gute Performance des europäischen Verbriefungsmarktes steht in scharfem Gegensatz zu dem US-amerikanischen Markt. Dieser ist geprägt von einer wesentlich schlechteren Performance - mit einer Downgrade-Rate von 50,9 Prozent respektive einer kumulierten Ausfallrate von 13,8 Prozent - und hat somit einen wesentlichen Anteil am allgemein schlechten Image von Verbriefungen weltweit. Wirft man einen Blick auf die Entwicklung in den einzelnen Assetklassen im Vergleich, so erwiesen sich "konsumentennahe" Transaktionen wie RMBS, Consumer-ABS und Auto-ABS als weitaus stabiler. So liegt deren kumulierte Downgrade-Rate mit 22,3 Prozent und deren kumulierte Ausfallrate mit 0,03 Prozent weit unter den Werten der Transaktionen aus dem Unternehmensbereich (CMBS, Corporate Securitizations und Structured Credits) mit kumulierten Raten von 45,7 Prozent beziehungsweise 3,30 Prozent.

Vom "True Sale" zur Nutzung von ABS als EZB-Collateral

Mit Ausbruch der Krise kam der Interbankenmarkt unter Druck, die Refinanzierung von Banken wurde schwieriger. Damit stieg die Bedeutung der Bankenfinanzierung über die EZB und der Bereitstellung von ABS-Anleihen als Collateral im Rahmen von Repogeschäften der Banken mit der EZB. Für die Zulassung von ABS als marktfähige Sicherheit im Eurosystem gelten zum Teil eigenständige Anforderungen. So sind ausschließlich "True Sale"-Transaktionen (letztlich mit dem Ziel der Insolvenzferne vom Originator) zugelassen. Der True Sale der Vermögenswerte im Pool an das Special Purpose Vehicle (SPV) muss zudem nach der Rechtsordnung eines EU-Mitgliedstaates erfolgt sein. Synthetische Transaktionen, die lediglich auf einen Risikotransfer abstellen, wurden 2010 ausgeschlossen. Ferner können nur erstrangige ABS-Tranchen hinterlegt werden. Mehrschichtige Verbriefungsstrukturen ("double layer") wurden 2009 ausgeschlossen.

Darüber hinaus wurden in 2009 für ABS spezifische "Financial-Close-Link-Regeln" eingeführt. Demnach dürfen Vertragsparteien, die innerhalb der Transaktionsstruktur ein Währungsabsicherungsgeschäft vornehmen ("Currency Hedge Provider"), die betreffende Verbriefung nicht als Sicherheit einreichen. Dies gilt auch für den Fall einer Liquiditätsbereitstellung von mehr als 20 Prozent des Nominalvolumens der Transaktion. Für Verbriefungen, die unter die Sonderregelung der EZB vom 8. Dezember 2011 fallen, gilt zudem auch ein Ausschluss von Zinsswap-Kontrahenten als Geschäftspartner für Repo-Geschäfte in den betreffenden Papieren mit der EZB.

Für ABS gilt ein vergleichsweise hoher, pauschaler Bewertungsabschlag, da sie als einzige Assets in Liquitätsklasse V mit 16 Prozent Haircut erfasst sind. Weitere Abschläge sind möglich. Die Bonitätsbeurteilung für ABS-Anleihen muss nach Einführung der "Second-best-Regel" im Gegensatz zu der anderer Schuldtitel mindestens durch zwei Ratingagenturen in Form von "Pre-Sale-Reports" oder "New-Issue-Reports" bei Emission erfolgen. Zudem ist die erforderliche Ratingschwelle mit AAA-Niveau deutlich höher als für andere Sicherheiten. Für RMBS und Collateralized Loan Obligations (CLOs) für kleine und mittlere Unternehmen (SME), die bestimmte Anforderungen erfüllen, hat die EZB gemäß Mitteilung vom 8. Dezember 2011 eine Erleichterung der Repo-Kriterien verkündet. Das erforderliche Mindestrating soll für diese Verbriefungen auf "Single A"-Niveau zum Emissionszeitpunkt herabgesetzt werden, welches jedoch auch während der Laufzeit - wie bisher und für alle anderen Verbriefungen auch - nicht unterschritten werden darf. Neben dem Emissionsrating müssen die betreffenden Ratingagenturen während der Laufzeit einer Verbriefung regelmäßig - mindestens quartalsweise - auch einen Performancereport zu der jeweiligen Transaktion veröffentlichen. Die Mindestratinganforderungen für Verbriefungen im Zeitverlauf sind in der Tabelle zusammengestellt.

Banken als Profiteure

Profiteure der im Dezember 2011 angepassten Kriterien für die Collateral-Hinterlegung waren die Banken aus den europäischen Peripherie-Staaten Portugal und Irland, da diese bei den Agenturen nicht mehr ein Emissions-Rating ihrer ABS-Anleihen von AAA respektive Aaa erzielen konnten ("country ceiling") und somit deren ABS-Anleihen - zumindest nach offiziellem Kriterien-Katalog - nicht mehr als Collateral bei der EZB hätten hinterlegt werden können. Schließlich profitierten von obiger Lockerung auch italienische Banken, da die Republik Italien im Nachgang auf BBB+ herabgestuft wurde und die Agenturen infolge des Rating-Caps auch italienischen ABS-Anleihen unabhängig von ihrer Performance "automatisch" die Bestnote AAA aberkannten.

Eine weitere Lockerung der Repo-Kriterien wird in einer Mitteilung vom 20. Juni 2012 verkündet. Die nun zusätzlich akzeptierten ABS müssen weitere Anforderungen erfüllen, die in einer am 28. Juni 2012 in Kraft tretenden Verordnung konkretisiert wurden (analog zu den Spezifikationen der Lockerung vom Dezember 2011). Der erste Teil der angekündigten Lockerung vom 20. Juni bezüglich der zugelassenen Wertpapiere stellt eine analoge Erweiterung der Lockerung vom 8. Dezember 2011 um die neu aufgeführten Assetklassen dar. Hingegen bedeutet die im zweiten Abschnitt aufgeführte Lockerung ein deutliches Absenken der Eingangsschwelle von A- auf BBB-, wenn auch um den Preis eines stark erhöhten Haircuts (vergleiche die Tabelle).

Resümierend lässt sich feststellen, dass die EZB mit ihren Lockerungen bei den Anforderungen an Wertpapiere für Repo-Zwecke in Bezug auf die voranschreitende Eurokrise "nachjustiert", um auch Verbriefungen aus Peripherieländern noch notenbankfähig zu machen und den betroffenen Banken diesen Refinanzierungskanal frei zu halten. Meldungen zufolge plant die EZB weitere Erleichterungen, insbesondere bezüglich des pauschalen und hohen Haircuts für ABS. Mit 351 Milliarden Euro eingereichten Bonds per Ende 2011 stellen ABS nach EZB-Angaben die zweitgrößte Assetklasse als Collateral dar.

Bereitstellung von Detaildaten

Ein neues, besonderes Zulassungskriterium ist die verbindliche Forderung seitens der EZB nach der Bereitstellung sogenannter "Loan-Level-Daten" (LLD) für die Erteilung der Notenbankfähigkeit von ABS. Als eines der primären Ziele der LLD-Initiative (LLDI) führt die EZB unter anderem die Wiederbelebung des europäischen Verbriefungsmarktes an. Letztlich sollen durch mehr Transparenz aufgrund von mehr Informationen (LLD) das Vertrauen und damit auch das Interesse von Investoren an Verbriefungen gestärkt werden. Der Nutzen besteht für Investoren in deutlich verfeinerten Filter- und Auswahlmöglichkeiten aufgrund des höheren Detaillierungsgrades der ABS-Informationen. Dies erlaubt den Investoren eine bessere Titelselektion und zielgenauere Mittelallokation, was der Hintergrund ihrer LLD-Forderung gewesen sein dürfte. Problematisch ist der Mehrwert der LLD in Relation zum damit verbundenen Aufwand vor allem bei hoch granularen Portfolios zu sehen, wie sie bei RMBS oder Auto-ABS typischerweise vorliegen, da hierbei die Einzelkreditdaten im Hinblick auf die künftig zu erwartende Pool-Performance eher irrelevant sind. Hierfür reichen Stratifikationsdaten des Kreditportfolios üblicherweise aus.

Die Begeisterung der Originatoren hinsichtlich des LLDI-Projekts hielt sich zunächst verständlicherweise in Grenzen, bedeutet dies für sie doch weitgehend nur zusätzliche Belastungen - pekuniär als auch hinsichtlich des damit verbundenen Ressourcenbedarfs (EDV, Personal et cetera). Inzwischen haben sich aber die großen Banken im europäischen Währungsraum zu einer European-Data-Warehouse-Gesellschaft zusammengeschlossen, die den Prozess operativ begleitet und umsetzt. Die TSI ist einer ihrer Gesellschafter.

Zum Ende dieses Jahres ist die Bereitstellung von Detaildaten auf Einzelkreditbasis zunächst für alle RMBS verbindlich. 2013 werden nachfolgend CMBS sowie CLOs hinzukommen. Anschließend wird sich dieses Vorgehen im darauffolgenden Jahr auch auf weitere ABS-Assetklassen ausweiten. Sicherlich werden, wenn die Investoren eine derartige Transparenz zu schätzen gelernt haben, über kurz oder lang auch andere Assetklassen wie Covered Bonds davon erfasst werden, wie dies die Bank of England beispielsweise schon seit Längerem praktiziert.

Viele Regulierungen für ABS, wie sie nach der Finanzkrise eingeführt wurden, haben dazu beigetragen, Verbriefungen zu einer der sichersten Anlageklassen zu machen. Insbesondere die Due-Diligence-Verpflichtungen für Investoren im Rahmen der CRD II (Art. 122a) haben erheblich die Transparenz und Qualität von Anlageentscheidungen erhöht. Andere Regulierungen, wie sie im Rahmen von CRD IV und Solvency II noch bevorstehen, sind hingegen wesentlich kritischer zu sehen, da sie die Gefahr einer Verdrängung von ABS zugunsten des Covered Bonds beinhalten und damit Diversifikation abbauen und neue Risiken für die Finanzmarktstabilität heraufbeschwören.

Diese neuen Risiken ergeben sich aus der Wechselwirkung hoher Covered-Bond-Finanzierungen von Banken mit deren ungedeckten Anleihen sowie Spareinlagen. Bei Verschlechterung des Banken- und/oder Sovereign-Ratings steigen die Überdeckungsanforderungen der Ratingagenturen. Aktiva wird dann den ungedeckten Gläubigern und Einlagesicherungssystemen im Falle der Insolvenz der Bank entzogen. Die Folge ist, dass ungedeckte Gläubiger sich zurückziehen werden und wesentliche Risiken bei der Gemeinschaft, das heißt den Einlagesicherungssystemen und dem Staat, verbleiben. Von daher bleibt zu hoffen, dass insbesondere die Behandlung von ABS-Bonds in der Liquidity Coverage Ratio der CRD IV klarer geregelt wird sowie die Unterlegungen mit Eigenkapital im Standardansatz der Solvency II anderen gedeckten Anleihen angenähert werden.

Aktuelle Marktsituation, Trends und Ausblick

Aufgrund der anhaltenden Turbulenzen im Kontext der Eurokrise haben einige Investoren angesichts ihrer Blessuren bei europäischen Banken- und Staatsanleihen inzwischen Verbriefungen als "sicheren Hafen" entdeckt, andere Investorengruppen würden gerne nachziehen, dürfen aber aufgrund ihrer geänderten Anlage kriterien keine Verbriefungen mehr kaufen. Angesichts des zu Beginn der Krise aufgekommenen generellen "Subprime Images" ist dies zunächst eine erstaunliche Kehrtwende. Diese überrascht Verbriefungsexperten mit Blick auf die solide fundamentale Poolperformance und die vergleichsweise niedrigen Ausfallraten, vor allem der marktgängigen Assetklassen, jedoch keineswegs. Teilweise sind frühere ABS-Investoren, wie beispielsweise Geldmarktfonds, angesichts der niedrigen Renditen anderer Assetklassen im aktuellen Zinsumfeld wieder an den ABS-Markt zurückgekehrt. Aber auch neue Investorengruppen, wie Hedgefonds, Opportunity Funds und andere beleben die Nachfrage. Ferner kaufen US-amerikanische Investoren verstärkt europäische ABS, primär in US-Dollar denominierte Tranchen britischer Verbriefungen. Auch der im ersten Halbjahr 2012 auffallende Trend zur Emission festverzins licher ABS-Bonds, als "natural hedge" zur Um gehung der bankspezifischen Swap-Counterparty-Problematik, scheint dem Verbriefungsmarkt neue Investorenkreise zu erschließen. Jedenfalls deutet die starke Überzeichnung der Transaktionen auf reges Investoreninteresse an festverzinsten Verbriefungen hin. Aufgrund der hohen Nachfrage sind die aktuellen Spreads in den hochqualitativen Assetklassen teilweise schon wieder auf Vor-Krisenniveau angelangt.

Aktuell profitiert der ABS-Markt von den Problemen in anderen Bondsegmenten, hier vor allem bei Staatsanleihen, aber auch ungedeckten Bankanleihen. Doch der Primärmarkt leidet unter den Unsicherheiten kommender Regulierungen vor allem in Form der CRD IV und Solvency II. Aber noch mehr kommt in den Zahlen auch zum Tragen, dass die europäischen, vor allem die südeuropäischen Banken sich in einem Deleveraging-Prozess befinden, der zu einem geringeren Refinanzierungsbedarf führt. Auch aus fundamentaler Sicht dürften aufgrund der anhaltenden Eurokrise Verbriefungen aus den europäischen Peripherie-Staaten weiter unter Druck stehen. Hinzu kommt noch die Befürchtung potenzieller Investoren, dass sie im Zuge des Zerfalls der Eurozone für ihre südeuropäischen ABS-Anleihen über Nacht Cash-Flows in einer anderen Währung erhalten und sich damit einem nur schwer zu kalkulierbaren Währungsrisiko aussetzen würden.

Eine nachhaltige Wiederbelebung des europäischen Verbriefungsmarktes hängt somit von drei Bedingungen ab: angemessene regulatorische Behandlung von Verbriefungen im Rahmen der CRD IV und Solvency II sowie ihrer aufsichtsrechtlichen Anwendung, Sicherheit hinsichtlich des Fortbestandes des Europäischen Währungssystems und des Euro sowie Sicherheit hinsichtlich der wirtschaftlichen Erholung Südeuropas.

Dr. Hartmut Bechtold , Global Writers Group GmbH
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