Gespräch des Tages

Euro - Drohende Anzeichen von Untraktierbarkeit

Die Mitte Dezember von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet gegenüber den nationalen Chefs der Zentralbanken der Eurozone ausgesprochene Bitte um eine annähernde Verdopplung des EZB-Kapitals von 5,8 auf 10,8 Milliarden Euro - der umgehend entsprochen wurde - hat einen ominösen Hintergrund. Es ist die sich immer stärker durchsetzende Einsicht, dass Griechenland, Irland und Portugal, trotz der Rettungspakete für die ersten beiden Länder und trotz des Europäischen Stabilisierungsfonds, der eigentlich dazu geschaffen wurde, um weitere Rettungspakete entbehrlich zu machen und Länder wie Portugal (und Spanien und Italien) zu schützen, eine Restrukturierung ihrer Staatsschulden nicht abwehren können.

Die EZB hat bereits Staatsanleihen peripherer EU-Länder in einem Umfang von 72 Milliarden Euro angekauft, um Spekulationen abzuwehren und den Markt zu beruhigen. Aber das ist nicht gelungen. Denn die Märkte wollen jetzt wissen, in welchem Umfang Anleihegläubiger gezwungen werden sollen, einen Beitrag zu leisten, also ein Opfer zu bringen im Wege von teilweisen Forderungsverzichten, Laufzeitverlängerungen oder Zinssenkungen. Der Markt weigert sich einfach zu akzeptieren, dass ein solches Restrukturierungsregime sich nur schrittweise zwischen heute und 2013 konkretisieren soll.

Deutschland und andere EU-Länder wie die Niederlande, Finnland und Schweden insistieren darauf, dass die notwendigen Anpassungsmaßnahmen schwergewichtig von denjenigen Ländern vorgenommen werden müssten, die gegen die EU-Stabilitätskriterien verstoßen hätten. Gleichzeitig hat Deutschland aber zuvor dem Druck in Richtung eines vollständigen Gläubigerschutzes, also insbesondere der Bankengläubiger, bei den Rettungspaketen für Griechenland und Irland nachgegeben. Dieser kam von der politischen Peripherie Europas, aber noch dringlicher von den europäischen Banken und übrigen institutionellen Anlegern wie Versicherungsgesellschaften und Pensionsfonds. Angela Merkel ist angesichts zunehmenden politischen Drucks aus Deutschland einerseits und immer unabweisbareren Staatsumschuldungen andererseits mit einem wenig beneidenswerten Dilemma konfrontiert.

Die EZB wäre technisch insolvent, wenn sie zu Wertberichtigungen von mehr als 15 Prozent ihrer gegenwärtigen Staatsanleihebestände gezwungen wäre mit einer Exposure vor allem gegenüber den schwächeren EU-Staatsadressen. Andererseits könnte eine Fortsetzung bislang praktizierter Routinen wie weitere Liquiditätszufuhren, Rettungspakete und Offenmarktkäufe von EU-Staatsanleihen durch die EZB noch heftigere politische Gegenreaktionen bei anstehenden Wahlen in gleich welchem europäischen Land auslösen und - was noch gefährlicher ist - nicht mehr vom Markt getragen werden: Deutschlands Bonität reicht einfach nicht für ein gesamteuropäisches Rettungspaket. In skeptischer Reaktion auf die Möglichkeit der bevorstehenden Emission von sogenannten Euro Bonds, wie sie vom Luxemburger Ministerpräsident Juncker vorgeschlagen wurden, die gemeinschaftlich von allen Eurozone-Mitgliedsländern begeben und garantiert werden würden, stiegen die Renditen der 10-jährigen Bundesanleihen während der letzten Wochen bereits um mehr als 27 Prozent auf über 3,05 Prozent.

Aus diesem Dilemma wird es keinen leichten Ausweg mehr geben, keine Patentlösung. Die weitere Verzögerung rigoroser Maßnahmen wird die bereits eingetretenen Schäden nur steigen lassen. Angela Merkels Fehler war nicht, Bail-ins bei zukünftigen Staatsumschuldungen zu verlangen, sondern sich nicht bereits bei dem ersten Paket zur Rettung von Griechenland stärker für eine substanzielle Einbeziehung der Anleihegläubiger eingesetzt zu haben. Michael Altenburg

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