Aufsätze

Finanzkrise und Untreue: keine Strafbarkeit bei Kenntnis und Billigung des Geschäftsmodells durch die Aufsicht

Die strafrechtliche Aufarbeitung der Finanzkrise hat begonnen.1)2) Im Zentrum steht das "Jedermanns-Delikt"3) der Agent-Gesellschaft dieser Zeit, die Untreue: Bei sogenannten Wertpapiergeschäften mit verbrieften Krediten wurden hohe Risiken eingegangen, mit fremdem Geld, niemals mit eigenem Geld, die sich verwirklicht haben. In der strafrechtlichen Debatte wird bisher völlig vernachlässigt, dass das Kreditwesen umfassender staatlicher Aufsicht unterliegt. Daraus ergibt sich jedoch, so die hier vertretene Auffassung, die Straflosigkeit der für die Finanzkrise verantwortlichen Geschäfte.

Kredite mit und ohne regulatorisches Eigenkapital

Die Finanzkrise mag vielfältige Ursachen haben, im Zentrum der Probleme deutscher Banken stand jedoch folgendes Geschäft4):

Die betroffenen Banken, teilweise über Zweckgesellschaften, aber bei Haftung der Banken, betrieben bei wirtschaftlicher Betrachtung ein besonderes Kreditgeschäft. Für das unüblich Vielfache5) ihres Eigenkapitals kauften sie sogenannte Wertpapiere, in denen Kreditforderungen verbrieft worden waren6), überwiegend Subprime Kredite amerikanischer Hauskäufer. Die Finanzierung dieser langlaufenden Wertpapiere erfolgte dabei regelmäßig über kurzfristige Kredite. Die Papiere besaßen zwar AAA-Ratings, beinhalteten jedoch die typischen Kreditrisiken, das Kreditausfallrisiko und das Fristigkeitsrisiko.7)

Strafrechtlich maßgeblich ist die bankenaufsichtsrechtliche Rechtslage zum Zeitpunkt der Tat. Das Engagement der Banken in dem sogenannten Wertpapiergeschäft begann im Jahre 2003, zur Finanzkrise kam es 2007/2008. In diesem Zeitraum galt die Basler Eigenkapitalempfehlung von 1988 (Basel I), während als Basel II Änderungen diskutiert und schließlich als Solvabilitätsverordnung mit Wirkung zum 1. Januar 2007 beziehungsweise 1. Januar 2008 umgesetzt wurden. Nach Basel I mussten die Kreditinstitute "im Interesse der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern, insbesondere zur Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte, angemessene Eigenmittel haben." Risiken waren zu quantifizieren und entsprechend mit Eigenmitteln zu unterlegen, §§ 10, 10a KWG und sogenannter Grundsatz 1. Dieser Grundsatz galt erstmals nicht nur für Kreditrisiken8), sondern auch für Marktpreisrisiken und somit für Positionen im Anlagebuch wie im Handelsbuch, für Kredite wie für Wertpapiere.

Im - originären - Kreditgeschäft bestand damit eine Pflicht zur Unterlegung der ausgereichten Kredite mit regulatorischem Eigenkapital als Instrument der Absicherung gegen die typischen Kreditrisiken. Im - derivativen - Kreditgeschäft, wenn rechtlich als Wertpapiergeschäft eingeordnet, bestand jedenfalls nach Auffassung der deutschen Finanzdienstleistungsaufsicht keine Pflicht zur Unterlegung mit regulatorischem Eigenkapital zur Absicherung gegen die typischen Kreditrisiken. Vielmehr bestand lediglich eine Pflicht zur Absicherung gegen die Marktpreisrisiken.

Eine geradezu wunderbare Wandlung

Vergleichsweise höhere Kreditrisiken wurden durch Verbriefung in vergleichsweise niedrigere Marktpreisrisiken umgewandelt, ein wesentlicher Grund für die wirtschaftliche Attraktivität der Verbriefungen. Kreditverbriefungen ermöglichten so eine geradezu wunderbare Wandlung von mit regulatorischem Eigenkapital ausreichend zu unterlegendem Kreditgeschäft in ein vermeintliches Wertpapiergeschäft ohne, wie die Finanzkrise später zeigte, ausreichendes regulatorisches Eigenkapital.9)

Dieses Geschäftsmodell war der deutschen Finanzdienstleistungsaufsicht allgemein, in vielen Fällen nach aufsichtsrechtlicher Prüfung der Banken10) darüber hinaus positiv in allen Einzelheiten bekannt und blieb im Allgemeinen und im Einzelnen unbeanstandet.11)Der umfassenden staatlichen Aufsicht über das gesamte Kreditwesen blieb die Eingehung der Geschäfte nach Art und Umfang nicht verborgen, wie heute manchmal der Eindruck erweckt wird. Sie sah lediglich, wie manch andere auch, die Folgen dieser Geschäfte nicht voraus.

Über Jahre warf dieses Geschäftsmodell Gewinne ab, teilweise die wesentlichen Gewinne, vor allem der betroffenen Landesbanken. In der Finanzkrise realisierten sich jedoch die typischen Kreditrisiken. Einige wenige Kredite - dies ist wegen der das gesamte Weltfinanzsystem gefährdenden Folgen besonders bemerkenswert wurden anfänglich notleidend.

Dies schlug auf die sogenannten Wertpapiere durch. Da kein ausreichendes Eigenkapital vorgehalten wurde12), drohte auch bei geringem Kreditausfall bereits Überschuldung und Insolvenz.

Zudem realisierte sich regelmäßig das Fristigkeitsproblem. Die kurzfristigen Kredite zur Finanzierung der langlaufenden Wertpapiere wurden fällig und mussten refinanziert werden. Die sogenannten Wertpapiere konnten nicht mehr veräußert werden, wurden nicht - mehr - als Kreditsicherheiten akzeptiert, es entstand eine typische Kreditklemme mit drohender Zahlungsunfähigkeit.

Durch die Realisierung typischer Risiken des Kreditgeschäfts bei fehlender Vorsorge wurde jedenfalls in Deutschland die Finanzkrise verursacht. Die Finanzkrise ist das Ergebnis kaufmännischer Fehlentscheidungen, eine von Menschenhand gemachte Krise, nicht eine Naturkatastrophe.13)

Pflichten und Pflichtverletzungen der Bankvorstände

Die Untreue verlangt in ihren beiden Tatbeständen14) eine Vermögensbetreuungspflicht und verweist dazu auf außerstrafrechtliche Pflichten.15) Es wird von der Zivilrechtsakzessorietät des § 266 StGB16) gesprochen. Die umfassende staatliche Aufsicht über das gesamte Kreditwesen führt jedoch auch zu einer Verwaltungsrechtsakzessorietät.

Es gelten zum einen die gesellschaftsrechtlichen und dienstvertraglichen Pflichten, privatrechtliche Pflichten aus Gesetz, Satzung und Anstellungsvertrag17), darunter insbesondere § 93 AktG. Daneben stehen die spezifisch kreditwesenrechtlichen Pflichten, öffentlich-rechtliche Pflichten aus KWG als Gesetz, aus Rechtsverordnungen, Allgemeinverfügungen und Verwaltungsakten der Finanzdienstleistungsaufsicht, hier insbesondere etwa das Rundschreiben 4/97 zur Veräußerung von Kundenforderungen im Rahmen von Asset-Backed-Securities-Transaktionen durch deutsche Kreditinstitute.18) Nach § 93 Abs. 1 AktG haben die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden; eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Nach § 116 AktG gilt § 93 AktG für die Mitglieder des Aufsichtsrats entsprechend. § 93 AktG soll seinem ganzen Inhalt nach zwingend sein.19)

Betreibt die Aktiengesellschaft Bankgeschäfte, so gehen die kreditwesenrechtlichen Vorschriften den gesellschafts- und dienstvertraglichen Pflichten vor. Entgegenstehende privatrechtliche Regelungen sind nach § 134 BGB unwirksam. Soweit allerdings privatrechtliche Vorschriften zusätzliche oder strengere Anforderungen stellen, ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich, um ihnen Rechtswirksamkeit im Verhältnis zwischen Vorstand und Gesellschaft zu versagen.

Die kreditwesenrechtlichen Pflichten stehen nicht zur Disposition der Privatrechtssubjekte. Andererseits stehen die privatrechtlichen Pflichten, soweit nicht im Widerspruch zu kreditwesenrechtlichen Pflichten, nicht zur Disposition von Gesetzgeber oder Finanzdienstleistungsaufsicht.

Bei dem Geschäftsmodell derivativen Kreditgeschäfts über sogenannte Wertpapiere lag nach Auffassung der Finanzdienstleistungsaufsicht keine Verletzung der kreditwesenrechtlichen Pflichten vor. Diese Sicht war aufsichtsrechtlich maßgeblich. Kein Rechtsunterworfener muss vor dem Recht klüger sein als die zuständige Behörde, solange nicht offensichtlich Rechtswidrigkeit vorliegt oder Gerichte rechtskräftig gegenteilig erkannt haben.

Zur Strafbarkeit als Untreue

Objektiver Tatbestand: Bei derivativem Kreditgeschäft über sogenannte Wertpapiere, das durch Art und Umfang die Existenz einer Bank gefährdet20), liegt objektiv die Verletzung einer gesellschaftsrechtlichen Vermögensbetreuungspflicht vor. Nach OLG Düsseldorf - Verbriefungsgeschäfte der IKB Deutschen Industriebank AG -21) ist "... der hinreichende Verdacht begründet, dass der Vorstand seine Pflichten grob verletzt hat, weil er angesichts der Komplexität und Intransparenz des Verbriefungssektors entweder nicht auf ausreichender Informationsgrundlage gehandelt hat oder bewusst übergroße Risiken ... eingegangen ist. 7. Es entspricht nicht der Sorgfalt eines gewissenhaften Bankvorstandes einer mittelständischen Bank, sich im Bereich ausländischer, weitgehend unbekannter und letztlich unkontrollierbarer Wertpapiere in dem hier vorliegenden Umfang zu engagieren." Die Billigung dieser Geschäfte durch die Finanzdienstleistungsaufsicht ändert daran nichts. Die Finanzdienstleistungsaufsicht kann nicht von privatrechtlichen Pflichten dispensieren.

Subjektiver Tatbestand: Es genügt bedingter Vorsatz, Das-für-möglich-halten einer Pflichtverletzung, einer schädigungsgleichen Vermögensgefährdung und der Kausalität zwischen diesen Merkmalen, sowie deren billigende Inkaufnahme. Im weiten Vorsatzverständnis der Rechtsprechung besteht bereits bei Kenntnis der Umstände direkter Vorsatz. Von einer derartigen Kenntnis muss - nach KWG vor Bestellung auf ihre zur Leitung des Instituts erforderliche fachliche Eignung geprüften - Vorständen von Kreditinstituten ausgegangen werden. Dass die Geschäfte von der Aufsicht geduldet wurden, ist für den Vorsatz unerheblich.

Vermögensinteressen der Gesellschaft im Blick

Dieses Ergebnis überzeugt zudem angesichts vieler Bankvorstände, die von diesem Geschäftsmodell nach eigenständiger Prüfung Abstand genommen hatten: Deren Verhalten zeigt, dass der Normbefehl, die Vermögensinteressen der Gesellschaft zu wahren, trotz Duldung oder Billigung dieser Geschäfte durch die Finanzdienstleistungsaufsicht weiterhin Wirkung entfaltete.

Rechtswidrigkeit: Eine Rechtfertigung der Verletzung einer privatrechtlichen Vermögensbetreuungspflicht durch die Finanzdienstleistungsaufsicht scheidet ebenfalls aus, da ihr die Befugnis zur Disposition über privatrechtliche Pflichten fehlt.

Schuld: Nach § 17 StGB stellt sich die Frage eines möglichen Verbotsirrtums. Hätten die Vorstände bei Nutzung aller möglichen und gebotenen Quellen nicht erkennen können, dass sie nach Art und Umfang der Geschäfte die Vermögensinteressen ihrer Kreditinstitute verletzen, obwohl keine Einwände der Finanzdienstleistungsaufsicht bestanden?

Es sind nur Argumente ersichtlich, die gegen einen Verbotsirrtum sprechen. Staatliche Aufsicht, hier über das gesamte Kreditwesen, hebt nach herrschender Meinung die Eigenverantwortung der Beaufsichtigten jedenfalls gegenüber Dritten nicht auf. Die Verbriefungsgeschäfte wurden in einer Zeit getätigt, als unter dem Stichwort Basel II eine breite und kontroverse Fachdiskussion über die regulatorische Absicherung gegen die typischen Kreditrisiken geführt wurde.

Schließlich konzentrieren sich die kritischen Geschäfte auf bestimmte Kreditinstitute: Weder Kreditinstitute, in denen die Geschäftsführung persönlich haftete, noch Kreditinstitute, in denen die Geschäftsleitung an langfristigem Erfolg orientiert war, sei es wegen der Laufzeit der Anstellungsverträge, sei es wegen des am langfristigen Erfolg orientierten Vergütungssystems, sei es schließlich wegen der direkten persönlichen Verantwortlichkeit gegenüber den Anteilseignern, haben diese Geschäfte getätigt.22)

Programm der deutschen Politik

Die Finanzalchemie des Wandels originären Kreditgeschäfts mit regulatorischem Eigenkapital in derivatives Kreditgeschäft durch Verbriefung ohne regulatorisches Eigenkapital war parteiübergreifend Programm der deutschen Politik spätestens seit 2003 mit der True-Sales-Initiative der Staatsbank KfW23) und nach Koalitionsvertrag der Großen Koalition 2005 mit dem "Ausbau des Verbriefungsmarktes". Die Finanzdienstleistungsaufsicht erhob keine Einwendungen gegen dieses Geschäftsmodell.

Dieses Verhalten staatlicher Stellen weist einmal Ähnlichkeiten zur Anstiftung wie bei den Lockspitzelfällen auf. In diesen Fällen wird unter bestimmten Umständen ein unmittelbar aus der Verfassung abgeleitetes dauerhaftes Strafverfolgungshindernis angenommen.24)25)26)

Die Verneinung der Bestrafung der hier untersuchten Geschäfte lässt sich mit einem argumentum a forteriori begründen. Im Lockspitzelfall ist dem Täter nicht bekannt, dass der Anstifter auf Seiten des Staates steht; der Täter wird letztlich vom Staat selbst zur Begehung der Straftat verleitet und der Staat kann daher einen Strafanspruch wegen der Tat nicht geltend machen. Bei den hier untersuchten Kreditgeschäften kannte der Täter die allgemeine oder besondere Billigung dieser Geschäfte durch die zuständigen staatlichen Stellen, die Finanzdienstleistungsaufsicht und die Finanzmarktpolitik. Wenn diese staatlichen Stellen diese Geschäfte gestatten, kann der Staat erst recht nicht die Eingehung dieser Geschäfte unter staatliche Strafe stellen.

Einander widersprechende Normbefehle - Wegfall des staatlichen Strafanspruchs

Der Staat hat einander widersprechende Normbefehle aufgestellt, einerseits ein strafrechtliches Verbot des hier untersuchten Geschäftsmodells, andererseits eine finanzmarktaufsichtsrechtliche Billigung, wenn nicht sogar in vielen Einzelfällen ausdrückliche Genehmigung.

Als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist ein Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung anerkannt; die Rechtsordnung darf keine sich widersprechenden Normbefehle enthalten.27) Widersprüchliches Verhalten führt zur Unwirksamkeit der Rechtshandlung.28) Hier kann die Rechtsfolge nur sein, dass der staatliche Strafanspruch entfällt.29)

Der staatliche Strafanspruch beruht auf dem Recht des Staates, Strafen anzudrohen und zu verhängen, ius puniendi, Art. 74 Nr. 1 GG.30) Grundsätzlich steht der staatliche Strafanspruch zur Disposition des Staates. Daher kann der staatliche Strafanspruch auch durch staatliches Verhalten, hier widersprechende Normbefehle, verwirkt werden: "Es kann nicht sein, dass strafrechtlich geahndet wird, was verwaltungsrechtlich erlaubt ist."31) "Unbestritten ist deshalb, dass das Strafrecht materiell und formell (verwaltungs-)rechtmäßiges Verhalten nicht mit Strafe belegen kann."32) Der Wegfall des staatlichen Strafanspruchs lässt zivilrechtliche Schadensersatzansprüche wegen Verletzung zivilrechtlicher Pflichten unberührt, da der Staat über das private Vermögen keine Dispositionsbefugnis33) besitzt.34)

Die strafrechtliche Aufarbeitung der Finanzkrise führt zum "Jedermanns-Delikt" der Agent-Gesellschaft, der Untreue nach § 266 StGB.

Kern der Finanzkrise in Deutschland ist ein als sogenanntes Wertpapiergeschäft bezeichnetes derivatives Kreditgeschäft, bei dem sich die typischen kreditgeschäftlichen Risiken verwirklicht haben: Mit kurzfristiger Finanzierung und ohne Unterlegung mit hinreichendem regulatorischem Eigenkapital wurden Verbriefungen langfristiger Kredite aus fremden Märkten und in letztlich unbegrenzter Höhe erworben. Als sich die Kreditrisiken durch anfangs kleinere Kreditausfälle, dann auch durch Refinanzierungsprobleme wegen des Fristigkeitsproblems verwirklichten, fehlte das Eigenkapital.

Die deutsche Finanzdienstleistungsaufsicht hat dieses Geschäft entgegen der heute verbreiteten Darstellung nicht nur gebilligt und geduldet, sondern mit Unterstützung der deutschen Politik gefördert. Bei der Finanzkrise handelt es sich daher um das Ergebnis kaufmännischer Fehlentscheidungen, um eine von Menschenhand gemachte Krise, nicht um eine Naturkatastrophe.35)

Die Verantwortlichen in den betroffenen Kreditinstituten hielten sich im Rahmen der kreditwesenrechtlichen Pflichten, wie sie durch die zuständige Aufsichtsbehörde ausgelegt und angewandt wurden, sie verletzten jedoch ihre privatrechtlichen Vermögensbetreuungspflichten aus ihrer Stellung als Organ und aus ihren Anstellungsverträgen. Die Billigung der Geschäfte durch die Aufsichtsbehörde konnte sie nicht von der Beachtung der privatrechtlichen Vermögensbetreuungspflichten dispensieren, da die Aufsichtsbehörde über diese privatrechtlichen Pflichten keine Dispositionsbefugnis besitzt.

Das Geschäftsmodell derivativen Kreditgeschäfts ohne Unterlegung mit regulatorischem Eigenkapital über sogenannte Wertpapiere erfüllt daher den objektiven Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB. Die Billigung der Geschäfte durch die Finanzdienstleistungsaufsicht lässt auch den subjektiven Tatbestand unberührt und stellt auch keinen Rechtfertigungsgrund dar. Ein Verbotsirrtum ist ebenfalls abzulehnen: Die verantwortlichen Personen in den betroffenen Kreditinstituten hätten, wie viele ihrer Kollegen, die von diesen hoch riskanten Geschäften Abstand genommen haben, wissen können, dass ihr Handeln nicht rechtmäßig sein kann.

Angesichts der Billigung der Geschäfte durch die Finanzdienstleistungsaufsicht scheidet dennoch eine Bestrafung der verantwortlichen Personen wegen Untreue aus.

Nach der hier vertretenen Auffassung ist der staatliche Strafanspruch weggefallen wegen widersprüchlichen Verhaltens des Staates: Strafrechtliche Missbilligung der Geschäfte und kreditwesenrechtliche Billigung der Geschäfte lassen sich nicht anders als durch Wegfall des staatlichen Strafanspruchs lösen. Billigung oder Duldung bei umfassender Aufsicht bestimmten Verhaltens durch den Staat hat für den staatlichen Strafanspruch materiellrechtliche Rechtsfolgen, das Erlöschen des Strafanspruchs.

Mit der herrschenden Meinung zu den Lockspitzelfällen könnte mit einem argumentum a forteriori auch ein dauerhaftes verfassungsunmittelbares Strafverfolgungshindernis angenommen werden: Wenn die zuständige staatliche Stelle diese Geschäfte einerseits gestattet, wenn nicht gar fördert, kann der Staat erst recht nicht andererseits die Eingehung dieser Geschäfte unter staatliche Strafe stellen.

Die Straflosigkeit dieser Geschäfte erscheint auch sachgerecht: Für das damalige hoch riskante derivative Kreditgeschäft tragen die Vorstände der Kreditinstitute letztlich nicht mehr Verantwortung als die Finanzdienstleistungsaufsicht und die Finanzmarktpolitik. Fehler einer staatlichen Wirtschaftsaufsicht lassen die zivilrechtliche Haftung unberührt, heben jedoch die strafrechtliche Haftung auf. Wo der Staat über seine Aufsicht die Verantwortung für die Richtigkeit übernimmt, entlastet er, soweit er die Dispositionsbefugnis besitzt wie beim staatlichen Strafanspruch, die handelnden Personen. Die deutsche Finanzdienstleistungsaufsicht hatte Regeln zur Verbriefung von Kreditforderungen aufgestellt, bei deren Beachtung die Existenz der Unternehmen gefährdende Geschäfte getätigt werden konnten. Diese Regeln waren falsch.

Wenn der hier entwickelten Auffassung nicht gefolgt wird, stellt sich die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortung auch der Finanzdienstleistungsaufsicht und Finanzmarktpolitik. Es geht dann zwingend um Beteiligung, sei es um Mittäterschaft durch Unterlassen bei Vorliegen einer Garantenstellung oder um Anstiftung und Beihilfe. Wenn es eine auch strafrechtliche Verantwortung für die Finanzkrise gibt, dann greift sie nicht nur für Vorstände und Aufsichtsräte, sondern auch für Bankenaufseher und Finanzmarktpolitiker.

Fußnoten

1) Siehe bereits Forkel, Rechtsfragen zur Krise an den Finanzmärkten: Zur Systematik möglicher Schadensersatzansprüche, BKR 2008, 183-189.

2) Etwa Brüning/Samson, Bankenkrise und strafrechtliche Haftung wegen Untreue, ZIP 2009, 1089-1094; Schröder, Untreue durch Investitionen in ABS-Anleihen, NJW 2010, 1169-1175; Murmann, Untreue (§ 266 StGB) und Risikogeschäfte, JURA 8/2010, 561-567; Becker/Walla/Endert, Wer bestimmt das Risiko? - Zur Untreuestrafbarkeit durch riskante Wertpapiergeschäfte der Banken-AG -, WM 19/2010, 875, 881; Ransiek, Asset Backed Securities und Strafrecht, WM 19/2010, 869-874.

3) Forkel, Ein einig von Kriminellen - der moderne Staat kriminalisiert seine Bürger, ZRP 2/2010, 57-58.

4) Heute von vielen auch erkannt, siehe etwa Standpunkt: Axel Wiesener Staatsaufsicht und "toxische" Wertpapiere: "Die Bankenkrise in Deutschland kann somit von innen, aus dem Bereich der BaFin; sie war nicht in erster Linie Folge einer internationalen Bankenkrise.", FAZ Nr. 15, 19. Januar 2011, Seite 10.

5) Zur Funktion regulatorischer Eigenkapitalanforderungen, Geldschöpfung durch Kreditvergabe zu begrenzen, und der Auflösung dieser Begrenzungsfunktion durch Zulassung derivativen Kreditgeschäfts, sogenannten Wertpapiergeschäfts, ohne regulatorisches Eigenkapital mit der Folge letztlich in der Höhe unbegrenzter Kreditvergabe siehe bereits Forkel, Verbriefung von Kreditbeständen: Kreditwesenrechtliche Untersuchung des Grundmodells, Finanz-Betrieb 2006, 526-529; auch Forkel, Fn 1184 - "Es (das Kreditinstitut) kann potenziell Kredite in unbegrenzter Höhe vergeben."

6) Zu den rechtstechnischen Fragen ausführlicher etwa Schröder, Fn 4, Ransiek, Fn 4, 869f.

7) Wie Ransiek, Fn 4, 869, 870 zutreffend ausführt, wurden aus der Sicht der veräußernden Bank die Kreditrisiken ausgelagert. Dass der Erwerber der sogenannten Wertpapiere allerdings die Kreditrisiken übernahm, wurde ignoriert.

8) Deutsche Bundesbank Monatsbericht Mai 1998, Seite 67, Der neue Grundsatz I.

9) Dazu ausführlich bereits 2003 mit Veröffentlichung 2006 Forkel, Fn 5.

10) Nach Prof. Dr. Rainer Durth, Goethe-Universität Frankfurt/KfW, Vorlesungsskript Wintersemester 2008/2009: Bankenregulierung: Basel II und MaRisk Folie 337, 338: In 90 Prozent der Banken gab es Aufsichtsgespräche, in 70 Prozent der Banken gab es Sonderprüfungen.

11)Brüning/Samson, Fn 2, liegt die - nicht begründete - gegenteilige Annahme zugrunde.

12) So schon 2007 The Economist december 22nd 2007 p. 10 "... and they had not put capital aside for the job".

13) Brüning/Samson, Fn 2, 1089 2. Absatz; siehe auch Beaucamp. Zwischenruf: Wissenmanagement als Maßstab für Verantwortung und Haftung von Managern, ZRP 8/2009, 245, der von Verdrängungstaktik spricht.

14) H. M., siehe für alle Becker/Walla/Endert, Fn 2, 875, 876 mNw dort Fn 12.

15) Allgemeine Meinung, siehe Brüning/Samson, Bankenkrise und strafrechtliche Haftung wegen Untreue, ZIP 2009, 1089, 1090 am Ende.

16)Murmann, Fn 2, 561, 563.

17) Überblick bei Fleischer, Aktuelle Entwicklungen der Managerhaftung, NJW 2009, 2337-2343.

18) Rundschreiben BaKred vom 19. März 1997: Rundschreiben 4/97 Veräußerung von Kundenforderungen im Rahmen von Asset-Backed-Securities-Transaktionen durch deutsche Kreditinstitute, abgedruckt in WM 1997 Seiten 1820ff.; zu erhalten auch über www.bafin.de.

19) Krieger/Sailer in Karsten Schmidt-Lutter, AktG, §93 Rn 3 mNw.

20) Sowohl auch Schröder, Fn 2, 1169, 1172: "Existenzgefährdung begründet Pflichtwidrigkeit"; bei Ransiek, Fn 2, 869, 875 heißt es: "Insbesondere dann, wenn Geschäfte getätigt wurden, die das Risiko künftiger Illiquidität in sich bargen, liegt bei entsprechendem Vorsatz § 266 StGB nahe."

21) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Dezember 2009 - 6 W 45/09 Leitsatz 6 und 7, abgedruckt unter anderem BeckRS 2010, 00532, bestätigt vom BGH, NZG 2010, 347.

22) Dazu ist eine empirische Abhandlung des Verfassers in Arbeit.

23)Dazu näher Forkel, Fn 5.

24)Vgl. BVerfGE 51, 324 <343ff.>.

25) Vgl. BVerfGE aaO, S. 346; zur unmittelbaren Ableitung strafverfahrensrechtlicher Verfolgungshindernisse aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip für die speziell gelagerte Frage möglicher Strafbarkeit und Verfolgbarkeit früherer Mitarbeiter und Agenten des MfS BVerfGE 92, 277 <325ff.>, mit abweichender Meinung der Richter Klein, Kirchhof und Winter, Seiten 341ff.

26) Jüngst EGMR (Große Kammer), Urteil vom 5. Februar 2008 (Ramanauskas/Litauen), NJW 49/2009, 3563-3569.

27) Nw u Meinungsstand bei MD-Grzeszick Lfg. 48, November 2006, Art. 20 Rn 56; vgl. BVerfgGE 98, 83, 97; 106, 118.

28) Die Formulierung "Gelingt es auch auf diesem Wege nicht, den Widerspruch zu beseitigen, dann müssen die gegensätzlichen Erklärungen als unbeachtlich angesehen werden; "von Weth in Musielak, ZPO, 7. Auflage 2009 § 84 Rn 4 bringt diesen allgemein gültigen Rechtsgrundsatz zum Ausdruck.

29) Siehe auch Wolfslast, Staatlicher Strafanspruch und Verwirkung, 1995; Rüping, Die Mitverantwortung des Staates als Strafverfolgungsverbot, 1984.

30) Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil Band I Grundlagen: Der Aufbau der Verbrechenslehre 4. Aufl. 2006, § 2 A Seite 13.

31)Lackner/Kühl, vor § 324 Rn 3 mwNw.

32) Ransiek in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB2. Aufl. Vor § 324 Rn 46.

33) Dass behördliche Erlaubnisse nur insoweit rechtsgestaltend wirken können, wie die betroffenen Güter zur Disposition der Behörde stehen, siehe für alle Jacobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1993, 16. Abschn IV. Rn 28, Seite 462.

34) Zur Subsidiarität des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil Band I Grundlagen: Der Aufbau der Verbrechenslehre 4. Aufl. 2006, § 2 K Seiten 45ff.

35) Brüning/Samson, Bankenkrise und strafrechtliche Haftung wegen Untreue, ZIP 2009, 1089, 1089 2. Absatz.

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