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Kapitalunterlegung von Adressrisiken: Gegenüberstellung ökonomischer und regulatorischer Ansätze

Seit der Implementierung von Basel II orientieren sich die für alle Institute obligatorischen regulatorischen Eigenmittelanforderungen für Adressrisiken stärker an der Bonität der Kreditnehmer. Zur Analyse der ökonomischen Kapitalanforderungen setzen viele Institute zusätzlich interne Adressrisikomodelle ein.

Die Kapitalanforderungen aus ökonomischer und regulatorischer Sicht weichen teilweise deutlich voneinander ab. In der Konsequenz ergeben sich für ein Kreditgeschäft oftmals aus ökonomischer und regulatorischer Sicht unterschiedliche Kapitalanforderungen, die sich im Rahmen der Vorkalkulation in divergierenden Verzinsungsansprüchen an das Eigenkapital niederschlagen. Die Wahl der passenden Steuerungsperspektive kann somit zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor für eine Bank werden. Um dennoch konsistente Steuerungsimpulse und ein risikoadäquates Pricing von Krediten für die Gesamtbank ableiten zu können, müssen die jeweiligen Ergebnisse nachvollziehbar und miteinander vergleichbar sein. Im vorliegenden Artikel werden die wesentlichen Unterschiede der beiden Perspektiven anhand detaillierter Parameteranalysen herausgearbeitet und Implikationen für die Steuerung einer Bank abgeleitet.

Ökonomische Methodik Risikodeckungsmasse

Kreditrisiken müssen mit Kapital unterlegt werden, um mögliche Verluste durch Forderungsausfälle aufzufangen. In der ökonomischen Sicht können Kreditinstitute die Kapitalbestandteile der Risikodeckungsmasse (RDM) relativ frei wählen. Diese wiederum dient dem Schutz der Gläubiger mit einem am Zielrating orientierten Konfidenzniveau für einen möglichen Ausfall.1) Der Ermittlung der RDM liegen unterschiedliche Annahmen zugrunde. In die ökonomische RDM werden aktive latente Steuern, Goodwill, Eigenbonitätseffekte und stille Lasten in der Regel nicht einbezogen.2)

Parameter: Zur Quantifizierung der ökonomischen Kapitalanforderungen werden in der Gesamtbanksteuerung Kreditportfoliomodelle eingesetzt. Die verbreiteten Modelle Credit-Metrics™, Credit-Risk+™ sowie Credit-Portfolio-View™ basieren auf dem Value-at-Risk-Konzept (VaR). Als verteilungsbasiertes Risikomaß gibt der VaR die maximale Verlusthöhe an, die mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit (Konfidenzniveau) in einem bestimmten Zeitraum (Haltedauer) nicht überschritten wird.

Zur Berechnung des VaR werden folgende Parameter benötigt:

- EAD (Exposure at Default - Forderungshöhe zum Ausfallzeitpunkt),

- PD (Probability of Default - Ausfallwahrscheinlichkeit),

- LGD (Loss Given Default - Verlustquote zum Ausfallzeitpunkt) und

- M (Maturity - Restlaufzeit).

Zusätzlich erforderlich sind die Volatilitäten und Korrelationen zwischen den Parametern, das Konfidenzniveau und die Haltedauer. Die Schätzung und Festlegung dieser Modellparameter erfolgt eigenverantwortlich durch das jeweilige Institut auf Basis historischer Inputdaten.

EL und UL: Von wesentlicher Bedeutung in der ökonomischen Perspektive ist die Unterscheidung zwischen dem EL (Expected Loss - Erwarteter Verlust) und dem UL (Unexpected Loss - Unerwarteter Verlust). Der EL sollte beim Pricing von Krediten in die Kalkulation der Standardrisikokosten einfließen und wird auf folgende Weise berechnet:

EL = EAD x PD x LGD

Unerwartete Verluste entstehen, wenn die Ausfallraten und Verlustquoten höher ausfallen als erwartet. Zur Sicherung der Solvenz des Kreditinstituts muss der UL daher mit ökonomischem Kapital aus der RDM unterlegt werden. Der UL kann anhand von Streuungsmaßen (zum Beispiel Standardabweichung) oder durch Downside-Risikomaße (zum Beispiel Value at Risk) bestimmt werden.3) Mit Hilfe der Standardabweichung des Verlusts kann der UL durch folgende Formel berechnet werden:4)

UL = EAD x LGD x(Wurzel aus)PD(1-PD)

Korrelation zwischen PD und LGD: Bei der Parameterschätzung ist die Korrelation zwischen PD und LGD von großer Bedeutung. So steigt beispielsweise in einer wirtschaftlichen Rezessionsphase nicht nur die PD aufgrund sinkender Bonitäten der Kreditnehmer, sondern es erhöhen sich zusätzlich auch die LGDs.5)

Die Gegenüberstellung der ökonomischen Kapitalanforderungen beispielsweise für Unternehmenskredite bei korrelierter (Korrelationsannahme 0,69)6) und unkorrelierter PD/LGD zeigt zunächst einen erheblichen Anstieg der Anforderungen bei sinkender Bonität. Außerdem bewirkt die zusätzliche Berücksichtigung der Zyklizität bei der LGD eine deutliche Erhöhung der Kapitalanforderung im Vergleich zur konstanten LGD von 45 Prozent.

Regulatorische Ansätze

Im Gegensatz zur RDM werden die regulatorischen Kapitalbestandteile (Eigenmittel) von der Bankenaufsicht in § 10 KWG exakt definiert. Bereits hierdurch ergeben sich oftmals erhebliche Abweichungen bei der Höhe des zur Verfügung stehenden Kapitals. Die regulatorischen Kapitalanforderungen können grundsätzlich anhand folgender beiden Ansätze ermittelt werden: Dem Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) oder dem auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRBA). In beiden Ansätzen müssen Adressrisikopositionen zunächst einer bestimmten Forderungsklasse zugeordnet werden. Im KSA stellt dabei der Buchwert zuzüglich der freien Vorsorgereserven nach § [340]f HGB die Bemessungsgrundlage für bilanzielle Geschäfte dar, während im IRBA der Buchwert zuzüglich Wertberichtigungen verwendet wird. Der Positionswert ergibt sich dann als Produkt aus der Bemessungsgrundlage und einem Konversionsfaktor (CCF).

RWA: Die risikogewichteten Aktiva (RWA), die bisher mit acht Prozent Eigenmitteln zu unterlegen waren, werden schließlich als Produkt aus Positionswert und zugehörigem Risikogewicht ermittelt. Gemäß der Anforderungen der europäischen Bankenaufsicht müssen Kreditinstitute ab Ende Juni 2012 eine harte Kernkapitalquote von neun Prozent aufweisen. Hierdurch erhöhen sich die Kapitalanforderungen aus regulatorischer Sicht deutlich.

Im KSA leitet sich das Risikogewicht aus externen Ratings ab. Wie in der ökonomischen Methodik müssen im IRBA die Parameter EAD, PD, LGD und M zur Ermittlung des Risikogewichts festgelegt werden.7)

Basisansatz oder fortgeschrittener Ansatz?

Entsprechend Solvabilitätsverordnung (SolvV) können Kreditinstitute im IRBA zwischen folgenden beiden speziellen Ansätzen wählen: Dem Basisansatz (B-IRBA) und dem fortgeschrittenen Ansatz (F-IRBA). Während im B-IRBA nur die PD von den Kreditinstituten selbst geschätzt werden darf und die übrigen Parameter aufsichtsrechtlich vorgegeben sind, dürfen im fortgeschrittenen Ansatz auch LGD, CCF und M durch das Institut selbst festgelegt werden. Die Kapitalanforderung K im IRBA ergibt sich gemäß SolvV-Formel.

Durch Multiplikation von K mit 12,5 und einem Skalierungsfaktor von 1,06, der ein zu starkes Absinken der Eigenmittelanforderung verhindern soll, lassen sich nun die RWA ermitteln:

RWA = K x 12,5 x 1,06

Eigenmittelanforderungen: Bei einer Gegenüberstellung der Eigenmittelanforderungen für die drei Forderungsklassen Unternehmen/Staaten/Banken, KMU und sonstiges Mengengeschäft wird zunächst die Risikosensitivität des B-IRBA ersichtlich: Mit zunehmender PD steigt auch die Eigenmittelanforderung. Bei Forderungen gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen mit einem Umsatz unter fünf Millionen Euro (KMU) und bei sonstigen IRBA-Positionen des Mengengeschäfts wird eine geringere Korrelation angenommen. Die entsprechend geringere Eigenmittelanforderung soll die höhere Diversifikation von Krediten an KMUs und im Mengengeschäft berücksichtigen.

Neben dem Parameter PD sind auch LGD und M (Laufzeit) für die Höhe der Eigenmittelanforderung relevant. Im Basis-IRBA ist die LGD für vorrangige Forderungen pauschal mit 45 Prozent und M mit 2,5 Jahren anzusetzen. In Abbildung 1 wird die Sensitivität der Eigenmittelanforderung in Abhängigkeit der LGD im fortgeschrittenen Ansatz skizziert. Die verwendete Formel bewirkt, dass die Eigenmittelanforderung linear in Abhängigkeit von M und LGD steigt. Die Steigung der Geraden hängt von der PD ab. Je höher die durchschnittliche PD eines Kreditportfolios ist, desto sensitiver reagiert die regulatorische Kapitalanforderung auf Veränderungen bei LGD und Laufzeit. In diesem Bereich ergeben sich somit auch die stärksten Implikationen auf das Pricing von Krediten.

Die Zielsetzungen der Sichtweisen sind stark unterschiedlich. Während für die Bankenaufsicht der Gläubigerschutz und die Stabilität des Finanzsystems im Vordergrund stehen, zielt die ökonomische Sicht auf ein adäquates Risiko-Rendite-Verhältnis im Rahmen der Gesamtbanksteuerung ab. Die Aufsicht stellt an die Methodik ökonomischer Modelle eher qualitative Anforderungen.8) In den aufsichtsrechtlichen Modellen dagegen werden alle Parameter direkt oder indirekt vorgegeben. Für beide Perspektiven gilt, dass Kreditinstituten im Vergleich zum Marktpreisrisiko im Bereich Adressrisiken eine deutlich geringere Datenmenge zur Parameterschätzung zur Verfügung steht.9) Tabelle 1 fasst die methodischen Unterschiede zusammen.

Analyse der Parameter

Exposure at Default (EAD): Im Hinblick auf die Forderungshöhe zum Ausfallzeitpunkt (EAD) lassen sich zwei wesentliche Unterschiede feststellen: Der Kreditkonversionsfaktor und die Bemessungsgrundlage beziehungsweise das Exposure.

Kreditkonversionsfaktor (CCF): Abhängig vom Typ der Adressrisikoposition wird der CCF im KSA und Basis-IRBA aufsichtsrechtlich vorgegeben. Eine nicht jederzeit kündbare Kreditlinie wird beispielsweise pauschal mit einem CCF von 75 Prozent (Basis-IRBA) beziehungsweise 50 Prozent (KSA) gewichtet.

Demgegenüber geht man bei der Ermittlung des CCF unter ökonomischen Gesichtspunkten von dem zum Teil empirisch zu beobachtenden Sachverhalt aus, dass die durchschnittliche Inanspruchnahme für den noch offenen Betrag vom internen Rating abhängig ist. Je schlechter die Bonität, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass offene Kreditlinien gezogen werden. Eine bonitätsabhängige Schätzung ermöglicht dabei ein individuelleres Pricing von Kreditlinien.

Bemessungsgrundlage/Exposure: Wie bereits dargelegt, erfolgt die Berechnung der aufsichtsrechtlichen EAD auf Basis der Bemessungsgrundlage. Diese ergibt sich gemäß SolvV aus dem um Abzugs- oder Zurechnungskomponenten korrigierten Buchwert (Nominalwert). Zur Ermittlung der ökonomischen EAD wird dagegen der Barwert der Forderung herangezogen. Sofern das Marktzinsniveau in etwa dem vereinbarten Kreditzins entspricht, liegen Bemessungsgrundlage und Barwert einer Forderung nahe beieinander. Bei Schwankungen der Marktzinsen können die beiden Werte, insbesondere bei längerfristigen Zinsbindungen, vorübergehend jedoch deutlich voneinander abweichen. Zudem kann sich im Verlauf eines Kreditverhältnisses die Bonität des Kreditnehmers ändern. Sind Zins- und Tilgungszahlungen für die Laufzeit fest vereinbart, haben bei langfristigen Kreditverhältnissen bereits geringe Veränderungen der Bonität oder des Zinsniveaus einen hohen Einfluss auf den Barwert.

Von der Sichtweise abhängig

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die unterschiedlichen Vorgehensweisen zur Bestimmung der EAD den Abgleich zwischen regulatorischer und ökonomischer Sicht in der Praxis erheblich erschweren. Differierende EAD-Werte können beispielsweise beim Management aus fachlicher Sicht zu Irritationen führen, da mit der EAD häufig ein bestimmtes "Geschäftsvolumen" assoziiert wird. Dieses ist somit jedoch klar von der Sichtweise abhängig.

Probability of Default (PD): Die Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) stellt den zentralen Parameterfür das Adressrisiko dar. Sie wird allerdings bereits in den aufsichtsrechtlichen Ansätzen unterschiedlich behandelt. Während sie im KSA durch das externe Rating implizit im Risikogewicht berücksichtigt wird, ist im Basis-IRBA das Risikogewicht funktional von der auf Basis interner Ratingverfahren ermittelten PD abhängig. Somit stimmt die IRBA-PD mit der in ökonomischen Kreditrisikomodellen unterstellten PD grundsätzlich überein.

Die Gegenüberstellung in Abbildung 2 verdeutlicht jedoch, dass aufgrund methodischer Unterschiede die resultierenden Kapitalanforderungen auch bei gleicher PD abweichen. Da der Korrelationsparameter abhängig von der PD sinkt, wird der Anstieg der regulatorischen Kapitalanforderung gedämpft. Empirisch ist allerdings zu beobachten, dass LGD und PD positiv korreliert sind.10) Dieser Tatsache trägt wiederum die ökonomische Sicht Rechnung.

PD-induzierte Unterschiede ergeben sich auch bei einem Vergleich der Kapitalunterlegung gemäß KSA und ökonomischer Sicht, insbesondere wenn externe Ratings entweder nicht vorliegen oder von internen Ratings deutlich abweichen. Für die im KSA erfassten Unternehmen ist häufig kein externes Rating verfügbar. Die meisten Kredite an Unternehmen erhalten damit ein pauschales Risikogewicht von 100 Prozent, die des Mengengeschäfts von 75 Prozent und unbesicherte Forderungen erhalten ein Risikogewicht in Abhängigkeit von ihrer Forderungsklasse. Bei Vorliegen externer Ratings ist die Tendenz zu beobachten, dass die Kapitalunterlegung gemäß KSA bei zunehmend schlechteren Bonitäten geringer ist als in der ökonomischen Sicht.

Laufzeit und Sicherheiten

Laufzeit: Beim KSA wird die Laufzeit nicht berücksichtigt. Im B-IRBA fließt die Restlaufzeit unabhängig von der tatsächlichen Restlaufzeit pauschal mit 2,5 Jahren in das Risikogewicht ein.

In der ökonomischen Sichtweise wird die Restlaufzeit zum Teil explizit modelliert. Beispielsweise werden durch Ratingmigrationen mögliche Bonitätsverschlechterungen berücksichtigt. Hierdurch übersteige bei länger laufenden Kreditgeschäften auch mit Kontrahenten sehr guter Bonitätdie ökonomischendie regulatorischen Kapitalanforderungendeutlich.

Trotz Laufzeiteffekt bleibt festzuhalten, dass bei guten Bonitäten tendenziell aus ökonomischer Sicht (und gemäß IRBA) mit einer geringeren Kapitalunterlegung von Adressrisiken zu rechnen ist als im KSA.

Loss Given Default (LGD) und Sicherheiten: Neben der PD hat der Parameter LGD verbunden mit der Berücksichtigung von Sicherheiten wesentlichen Einfluss auf die Höhe der Kapitalanforderung. Ein vollständig besicherter Kredit mit hoher PD erfordert tendenziell eine niedrigere Kapitalunterlegung und Risikospanne als ein unbesicherter Kredit mit niedriger PD. Zur Veranschaulichung der Ansätze wird folgender Immobilienkredit verwendet:

Kreditbetrag: 100 TEuro

Erstrangige Besicherung durch gewerbliche Immobilie: 80 TEuro (Marktwert)

Annahme externes Rating S&P: BBB-Bonitätsstufe 3 gemäß SolvV

Sicherheitenanrechnung im KSA: Im KSA wird das originäre Risikogewicht der Forderung durch das Risikogewicht der Sicherheit ersetzt. Der besicherte Teil der Forderung wird der entsprechenden Forderungsklasse zugeordnet (hier: "durch Immobilien besicherte Positionen"). Dafür wird die Kreditsicherheit mit dem Minimum aus 50 Prozent des Marktwerts (MW) und des Realwertes (RW) bewertet. Der RW entspricht 60 Prozent des Beleihungswerts (BW). Als Beleihungswert ist wiederum der Wert anzusehen, der im Normalfall aus einer Sicherheitenverwertung erzielbar ist (Marktwert) abzüglich eines Abschlags (hier: 20 Prozent) (siehe Formel A).

Im Beispiel ist folglich der Realwert die Bemessungsgrundlage für den besicherten Teil der Forderung, da dieser geringer ist als 50 Prozent des Marktwertes. Die gesamte Eigenmittelanforderung setzt sich aus dem Risikogewicht der Kreditsicherheit (hier: 50 Prozent) und dem vom externen Rating abhängigen Risikogewicht der unbesicherten Forderungsklasse zusammen. Aufgrund des externen Ratings von BBBbeträgt das Risikogewicht des unbesicherten Forderungsteils 100 Prozent. Die Formel zur Berechnung der Kapitalanforderung (K) lautet: (siehe Formel B)

Sicherheitenanrechnung im IRBA: Im IRBA ist die Behandlung von Kreditsicherheiten komplexer als im KSA. Hier verringern Kreditderivate und Personensicherheiten die ermittelte PD (PD-Substitution). Weitere Sicherheiten, wie finanzielle Sicherheiten oder Immobilien, reduzieren die aufsichtsrechtlich vorgegebene LGD von 45 Prozent für unbesicherte vorrangige Forderungen. Damit eine grundpfandrechtliche Kreditsicherheit im IRBA anerkannt wird, muss der besicherte Forderungsteil einen Überdeckungsgrad (TBMG = Teilbemessungsgrundlage) von 140 Prozent aufweisen11). Zusätzlich muss zur Übersicherung eine Mindestabdeckung von 30 Prozent aus dem Verhältnis von Sicherheitenwert und Gesamtwert der Forderung eingehalten werden. Andernfalls gilt die gesamte Forderung als unbesichert12) (siehe Formel C).

Für eine Forderung können grundsätzlich mehrere Sicherheitenkategorien berücksichtigt werden. Zur Bestimmung der Verlustquote nach Anrechnung der Sicherheiten (LGD*) muss für jede Sicherheitenkategorie die entsprechende aufsichtsrechtliche Verlustquote ermittelt werden. Die LGD* berechnet sich aus der Summe der gewichteten LGDs für jede Sicherheitenkategorie und der gewichteten LGD für den unbesicherten Teil der Forderung. Die LGD für den besicherten Teil beträgt 35 Prozent. Für vorrangige unbesicherte Kredite beträgt die LGD 45 Prozent (siehe Formel D).

Aufgrund der Zuordnung zur Forderungsklasse Unternehmen, einer aus dem externen Rating abgeleiteten PD von 0,39 Prozent und einer LGD* von 39,29 Prozent ergibt sich das entsprechende Risikogewicht zu 57,3 Prozent (siehe Formel E). Dies entspricht einer Reduktion der Kapitalanforderung im B-IRBA um 29,1 Prozent.

Sicherheitenanrechnung aus ökonomischer Sicht

In der ökonomischen Sichtweise wird häufig der ermittelte Sicherheitenwert vollständig vom Bruttoexposure abgezogen. Der Realwert der Kreditsicherheit in Höhe von 38,40 TEuro erhält kein Risikogewicht, da bereits bei der Bewertung der Immobilie ein Abschlag von 20 Prozent berücksichtigt wurde. Dies entspricht einer LGD von 0 Prozent. Die PD beträgt 0,39 Prozent und die mit der PD korrelierte LGD für den unbesicherten Teil beträgt 42,41 Prozent (siehe Formel F).

Aufgrund des Abzugs der Kreditsicherheit ergibt sich eine um 75 Prozent (KSA) beziehungsweise 64 Prozent (IRBA) geringere Kapitalanforderung der Ökonomik im Vergleich zu den aufsichtsrechtlichen Ansätzen. Durch die Zuordnung zum Realkreditbereich im KSA und den Übersicherungsgrad im IRBA erhält die Forderung eine Verlustquote, die die Eigenmittelanforderungen im Vergleich zur Ökonomik erhöht.

Der vollreduzierende Abzug der Sicherheit vom Exposure erfolgt in der Regel nach Berücksichtigung bankinterner Anforderungen an Sicherheitsabschläge.

Empirische Beobachtungen zeigen, dass die aufsichtsrechtlich vorgegebene LGD im Basis-IRBA von 45 Prozent für vorrangige Forderungen die LGDs aufgrund einer breiten Streuung nur stark eingeschränkt abbildet. Eine Untersuchung der LGDs von Bankkrediten aus dem Jahr 2005 hat ergeben, dass die LGD mit zirka 25 Prozent im Untersuchungszeitraum deutlich geringer ausfällt.13) Zusätzlich ist zu beachten, dass sich die Kapitalersparnis einer niedrigeren LGD mit zunehmender durchschnittlicher PD des Kreditportfolios noch erhöht.

Größere Risiko- und Kapitalspanne beim Pricing von Krediten

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass aufgrund der stark unterschiedlichen Behandlung von Sicherheiten sehr deutliche Unterschiede in den Kapitalanforderungen zu beobachten sind. Da ökonomisch geschätzte LGDs tendenziell geringer ausfallen, kann sich die aufwändige aufsichtsrechtliche Genehmigung des fortgeschrittenen IRBA für Kreditinstitute durch eine deutliche Reduktion der RWA auszahlen. Die deutlich konservativere Berücksichtigung von Kreditsicherheitenin den regulatorischen Ansätzen schlägt sich in einer größeren Risiko- und Kapitalspanne beim Pricing von Krediten nieder.

Ausfallkorrelation: Die Ausfallkorrelation ist für die Risikobetrachtung bedeutsam, da einzelne Kreditnehmer nicht perfekt korreliert sind und sich damit aufgrund des Diversifikationseffekts der Unexpected Loss beziehungsweise CVaR des Portfolios reduziert. Regulatorische Sicht: Im KSA basiert das

Risikogewicht auf externen Ratings. Die Konjunkturabhängigkeit von Unternehmen ist ein Bestandteil dieser Bonitätseinstufungen. Beispielsweise werden in den Branchen Automobil oder Flugverkehr höhere Konjunkturabhängigkeiten berücksichtigt. Die Abhängigkeit vom systematischen Faktor, dem alle Kreditnehmer gleichsam ausgesetzt sind, wird somit indirekt im KSA berücksichtigt.

Im Basis-IRBA wird der Gleichlauf der Parameter gegenüber dem systematischen Faktor durch den Korrelationskoeffizienten einbezogen. Für die Forderungsklassen Zentralregierungen, Kreditinstitute und Unternehmen schwankt die Korrelation abhängig von der PD zwischen 0,12 und 0,24. Dabei gilt: Je niedriger die PD ist, desto größer ist der Korrelationsparameter. Dadurch wird Unternehmen mit einer besseren Bonität eine größere Abhängigkeit vom systematischen Faktor unterstellt. Somit wird der Anstieg der Eigenmittelanforderung bei höherer PD bei sonst unveränderten Parametern abgeschwächt.

Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit einem Umsatz < 50 Millionen Euro wird der Korrelationsparameter gemäß SolvV durch den Größenfaktor S um maximal 0,04 reduziert. Dadurch kann die Eigenmittelanforderung im Vergleich zu großen Unternehmen bei sonst identischen Parametern um bis zu 20 Prozent sinken.14) Es ist allerdings anzumerken, dass empirische Ergebnisse den Korrelationsabschlag für KMUs und die niedrigere Korrelation bei höherer PD nur bedingt unterstützen.15)

Korrelationen zwischen den Risikofaktoren

Ökonomische Sicht: Ausfallkorrelationen werden bereits indirekt bei der Erstellung eines Ratings berücksichtigt. Beispielsweise ist für das Ausfallrisiko von Kreditinstituten eine potentielle Unterstützung durch Dritte (zum Beispiel Staat) relevant. Sinkt die Bonität eines Staates erhöht dies die PD des Kreditinstituts. Da die aus dem Rating ermittelte PD außer in die ökonomische Berechnung auch in den Basis-IRBA einfließt, wird auch dort indirekt die Ausfallkorrelation einbezogen.

Neben Korrelationen zum systematischen Faktor werden in der ökonomischen Sicht auch Korrelationen zwischen den Risikofaktoren berücksichtigt. Da die Korrelation ein wesentlicher Risikotreiber ist, kann eine Forderung vergleichbarer Kreditnehmer mit sonst identischen Geschäftsdaten und-volumina bei unterschiedlicher Korrelation einen stark divergierenden CVaR-Beitrag haben. So kann die Korrelation aufgrund unterschiedlicher Branchen abweichen. Um stark schwankende ökonomische Kapitalanforderungen und unterschiedliche Risikospannen aufgrund hoher Volatilität der Korrelationen zu verhindern, werden die Werte in der Bankpraxis zum Teil auf bestimmte Wertebereiche begrenzt.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die unterschiedliche Ermittlung der Korrelationen in der Praxis den Abgleich zwischen regulatorischer und ökonomischer Sicht deutlich erschwert. In der Finanzkrise änderten sich die Marktbedingungen schnell und die in den Modellen angenommenen Korrelationen und Volatilitäten erwiesen sich als falsch. Durch dieses Schätzrisiko kann ein erhebliches Modellrisiko entstehen.

Verzerrung der Kapitalanforderungen

Im vorliegenden Artikel wurden zentrale Unterschiede der regulatorischen und ökonomischen Ermittlung von Kapitalanforderungen für Adressrisiken dargelegt. Methodische Unterschiede sowie insbesondere die individuellen Parameter PD, LGD und Korrelation sind dabei wesentliche Treiber für die zum Teil erheblich voneinander abweichenden Kapitalanforderungen (Tabelle 2). Die Entscheidung für die ökonomische oder die regulatorische Methodik ist in der Gesamtbanksteuerung aus mehreren Aspekten relevant. Die Wahl des KSA oder IRBA für die Kapitalunterlegung und in der Konsequenz auch für das Pricing von Krediten im Rahmen der Vorkalkulation kann zu einer starken Verzerrung der Kapitalanforderungen auf Einzelgeschäfts- beziehungsweise Kundenebene führen.

Gegenüber der aufsichtsrechtlich definierten Methodik erweist sich die Ökonomik als deutlich risikosensitiver. Dadurch ermöglicht sie zum einen ein indviduelleres Pricing von Krediten und wirkt gleichzeitig dem Problem der adversen Selektion entgegen, bei der Kreditnehmern mit schlechter Bonität zu gute und Kreditnehmern mit vergleichsweise besserer Bonität zu schlechte Konditionen geboten werden.

Gleichwohl kommt den zu schätzenden Parametern sowohl bei der ökonomischen Methodik als auch im IRBA eine hohe, wenn nicht sogar entscheidende, Rolle zu. Nur wenn die Modellparameter möglichst realistisch geschätzt werden können, zahlt sich der Einsatz der Modelle aus und gewährleistet zugleich die Stabilität des Finanzsystems.

Beurteilung der Risikotragfähigkeit

Auch im Hinblick auf die Beurteilung der Risikotragfähigkeit besitzt die Wahl der Methodik eine große Tragweite. Da Kapitalanforderungen und Höhe der Eigenmittel beziehungsweise RDM bereits im Normalfall zwischen den Sichtweisen deutlich abweichen, ist auch in Stressszenarien mit divergierenden Werten zu rechnen. Aus den unterschiedlichen Ergebnissen müssen jedoch steuerungsrelevante Handlungsoptionen abgeleitet werden, was durch die jeweils zu bestimmenden Eintrittswahrscheinlichkeiten für die Szenarien noch zusätzlich erschwert wird. Die fundierte Abstimmung beider Welten und die Wahl der geeigneten Steuerungsperspektive können somit entscheidende Wettbewerbsvorteile für ein Kreditinstitut mit sich bringen.

Literatur

Bundesministerium der Finanzen (2006): Solvabilitätsverordnung - Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen, 14.12.2006. Frye, J. (2000): Depressing Recoveries, in: Policy Studies - Emerging Issues Series, Supervision and Regulation Department, Federal Reserve Bank of Chicago, Oktober 2000.

Grunert, J. (2005): Empirische Evidenz zur Prognose der Ausfallwahrscheinlichkeit und der Recovery Rate von Bankkrediten an deutsche Unternehmen, Universität Mannheim: Dissertation, 2005.

Hartmann-Wendels, T./Pfingsten, A./Weber, M. (2010): Bankbetriebslehre, 5. Aufl., Heidelberg/ Dordrecht/London/New-York: Springer, 2010.

Lopez, J. A. (2002): The Empirical Relationship between Average Asset Correlation, Firm Probability of Default and Asset Size, Federal Reserve Bank of San Francisco, 2002.

Mitschele, A. (2009): Intelligente Methoden im Integrierten Risikomanagement, Karlsruhe: KIT Scientific Publishing, 2009.

Moody's (2009): Corporate Default and Recovery Rates, 1920-2008, Moody's Global Credit Policy, 2009. Oehler, A./Unser, M. (2002): Finanzwirtschaftliches Risikomanagement, Berlin: Springer, 2. Auflage, 2002.

Wiesemann, B. (2011): Aufsichtsrechtliche Beurteilung von Risikotragfähigkeitskonzepten, BaFin Journal, Mitteilungen der Finanzdienstleistungsaufsicht. Vetter, M./Cremers, H. (2008): Das IRB-Modell des Kreditrisikos im Vergleich zum Modell einer logarithmisch normalverteilten Verlustfunktion; Frankfurt School - Working Paper Series; No. 102.

Fußnoten

1) Vgl. Wiesemann, B. (2011), S. 19

2) Vgl. Wiesemann, B. (2011), S. 20

3) Vgl. Oehler/Unser (2002), S. 341.

4) Vgl. Vetter, M./Cremers, H. (2008), S. 20

5) Vgl. Frye, J. (2000), S. 12

6) Vgl. Moody's (2009), S. 10

7)Vgl. Variablendeklaration (siehe oben)

8) Vgl. MaRisk AT 4.1. Tz. 2

9) Vgl. Mitschele, A. (2009), S. 15

10) Vgl. Moody's (2009), S. 10

11)Vgl. §94 Abs. 7 S. 2 Nr. 2 SolvV

12) Vgl. §95 Abs. 8 SolvV

13) Vgl. Grunert, J. (2005), S. 92

14) Vgl. Hartmann-Wendels, T./Pfingsten, A./Weber, M. (2010), S. 623

15) Vgl. Lopez, J. A. (2002), S. 2

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