Gespräch des Tages

Kartenzahlungsverkehr - Interchange: Ein Zwischenstadium?

Als Mastercard am 12. Juni die Entscheidung bekannt gab, mit Wirkung vom 21. Juni 2008 das Interbankenentgelt für grenzüberschreitende Zahlungen mit Kredit- und Debitkarten der Marken Mastercard und Maestro abzuschaffen, löste dies eine schwer zu verstehende Aufregung aus - schwer zu verstehen deshalb, weil diese Entwicklung abzusehen war. Am 19. Dezember 2007 hatte die EU-Kommission entschieden, dass eben dieses Interbankenentgelt wettbewerbswidrig sei. Sie hatte der Kartenorganisation deshalb eine Sechs-Monats-Frist gesetzt, innerhalb derer die beanstandeten Gebühren abzuschaffen seien. Anderenfalls drohte für jeden Tag ein Zwangsgeld in Höhe von 3,5 Prozent des täglichen Gesamtumsatzes von Mastercard im vorausgegangenen Jahr. Einziger Lichtblick: Gänzlich rechtswidrig ist die Interchange - das Entgelt, das die Bank eines Karten akzeptierenden Handels- oder Dienstleistungsunternehmen an die jeweils die Karte emittierende Bank abzuführen hat und das über die Händlerbank auf die Kartenakzeptanten abgewälzt wird - nach Einschätzung der Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes nicht. Es muss aber nachgewiesen werden, dass die Gebühr zum technischen und wirtschaftlichen Fortschritt beiträgt und den Verbrauchern zugute kommt.

Ein solcher Nachweis ist freilich schwer zu erbringen - zumal die Kommission mit dem Umreißen der Voraussetzungen, unter denen sie das Interbankenentgelt mit dem EU-Wettbewerbsrecht für vereinbar hält, mehr als vage blieb. Optimisten hofften zwar, dass es dennoch gelingen würde, innerhalb der Sechs-Monats-Frist eine Einigung mit der Kommission zu erzielen, die zwar auf eine drastische Senkung, aber eben nicht auf die ersatzlose Streichung des Entgelts hinausliefe. Entsprechende Bemühungen seitens Mastercard blieben trotz mehrerer Anläufe mit Vorschlägen zur "substanziellen Senkung" erfolglos. In Waterloo hatte man deshalb kaum eine andere Wahl, als die Gebühren abzuschaffen. Für die Banken heißt das: Werden die von ihnen ausgegebenen Karten im Inland oder außerhalb Europas eingesetzt, bleibt alles beim Alten. Für Transaktionen im europäischen Ausland dagegen enthalten sie für Autorisierung und Abgabe der Zahlungsgarantie bis auf weiteres kein Entgelt mehr. Gute Aussichten für den Handel, er erwartet nun entsprechende Preissenkungen. Nicht ganz so schlimm wird es für Mastercard, denn nach eigenen Angaben betrifft die Änderung weniger als fünf Prozent des gesamten Umsatz volumens mit europäischen Debit- oder Kreditkarten.

Das letzte Wort ist in der Interchange-Frage jedoch noch nicht gesprochen. Nach übereinstimmenden Erklärungen der Kommission und Mastercard wird der Dialog fortgesetzt - ebenso wie mit Visa. Denn nach dem Auslaufen der 2002 ausgehandelten Freistellung der Visa-Cross-Border-Interchange zum Jahresende 2007 hat die Kommission wie erwartet am 26. März dieses Jahres die Eröffnung einer Antitrust-Untersuchung gegen Visa bekannt gegeben. Während das Verfahren läuft, gelten die bisherigen, auf 0,7 Prozent gesenkten Sätze weiter. Generell sind beide Kartenorganisationen zuversichtlich, sich mit der Kommission auf ein Gebührenmodell "oberhalb Null" einigen zu können, obwohl die europäische Handelskommission Euro Commerce allein letzteres als akzeptabel einstuft.

Wirkliche Rechtssicherheit dürfte aber erst die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bringen. Hier ist seit dem 1. März 2008 eine Mastercard-Klage anhängig. Wann ein Urteil gefällt wird, ist völlig offen. Erst danach werden sich vermutlich die nationalen Wettbewerbsbehörden äußern. Bereits Anfang 2006 hatte der Hauptverband des deutschen Einzelhandels beim Bundeskartellamt eine Beschwerde eingereicht. Da es bei Beschwerden keine Verpflichtung der Behörde gibt, sich überhaupt mit dem Thema zu befassen, geschweige denn einen bindenden Zeitrahmen, wird damit gerechnet, dass die deutschen Wettbewerbshüter abwarten, bis in Brüssel Klarheit über die europäische Rechtslage herrscht.

Bis es soweit ist, werden sich die Kartenemittenten Strategien zur Kompensation der Ertragsausfälle einfallen lassen müssen. Zum einen bieten sich hier höhere Jahresgebühren an, die sich freilich wenn überhaupt - nur in Verbindung mit neuen Zusatzservices werden durchsetzen lassen. Neue Bedeutung gewinnt deshalb daneben der Paradigmenwechsel von der Positionierung als Auslandszahlungsmittel hin zum Zahlmedium für den Alltag. Dann könnte ein stärkerer Inlandsumsatz dazu beitragen, Ertragsausfälle aus dem grenzüberschreitenden Geschäft aufzufangen. Im Debitgeschäft wird es künftig ohnehin eine stärkere Differenzierung geben. Hier bastelt die europäische Kreditwirtschaft unter dem Namen "Euro Alliance of Payment Systems" (EAPS) an der Vernetzung der nationalen Debitsysteme, um sich von den internationalen Marken mit ihrer "Europaanfälligkeit" unabhängiger zu machen. Der Kartellvorwurf trifft EAPS nicht - im Gegenteil. Als Gegenmodell zu Visa und Mastercard, das nicht auf multilateralen, sondern bilateralen Vereinbarungen beruht, darf sich die Euro Alliance des politischen Wohlwollens sicher sein. Ganz ohne Co-Branding mit einer internationalen Marke wird die "Girocard", so der Markenname für electronic cash im europäischen Ausland, zwar kaum auskommen, will man die bisher weltweite Akzeptanz der Debitkarte nicht einschränken. Mit wachsendem Ausbau des Netzwerks wird dann aber der EU-gefährdete Ertragsanteil immer geringer.

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