Schwerpunkt Finanzstabilität

Konsequenzen nach der Finanzkrise

Die Wirtschaftsleistung Deutschlands ist im Jahr 2009 um fünf Prozent abgestürzt. Das ist der tiefste Einbruch in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Krise ist die Folge einer grundlegenden Fehlentwicklung an den internationalen Finanzmärkten, die von Menschen bewirkt und von Menschen zu verantworten ist. Es ist also Zeit für eine Zwischenbilanz und vor allem eine Gelegenheit, die Finanzkrise in größere Zusammenhänge einzuordnen. Im Folgenden soll der Rahmen daher etwas weiter gespannt werden: Von der Grundidee der Sozialen Marktwirtschaft bis hin zu den Schlussfolgerungen, die aus der Finanzkrise zu ziehen sind. Dies soll in drei Schritten erfolgen:

Erstens werden die Grundidee der Sozialen Marktwirtschaft und die Einstellung der Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik gegenüber dieser Wirtschaftsordnung beleuchtet. Zweitens soll es darum gehen, was sich in den letzten Jahren im Wirtschaftssystem verändert hat. Es ist nämlich anzunehmen, dass die Finanzkrise eine fast zwangsläufige Folge politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen der letzten Jahre ist. Und drittens sollen einige Hinweise gegeben werden, wie auf diese neuen Herausforderungen wirtschafts- und finanzpolitisch reagiert werden sollte.

Grundidee der Sozialen Marktwirtschaft

Vorweg scheint wichtig, das Wirtschaftssystem und die dort herrschenden Regeln zu beschreiben. Denn dies ermöglicht, später klarer aufzeigen zu können, wo und wie in den letzten Jahren gegen grundlegende Regeln verstoßen worden ist. Die Soziale Marktwirtschaft gehört zum Werte-Fundament der Bundesrepublik Deutschland. Sie hat nach dem Zweiten Weltkrieg einen beispiellosen Wiederaufbau, die Entwicklung zu einer der stärksten Wirtschaftsnationen der Welt und die insgesamt sehr erfolgreiche Integration der früheren DDR in ein freiheitliches Wirtschaftssystem möglich gemacht.

Alles in allem ist die Soziale Marktwirtschaft eine Erfolgsgeschichte. Sie müsste deshalb gerade in der Folge der Finanzkrise erneut zum Leitbild von Staat und Wirtschaft werden. Sie könnte Antworten auf viele der sich neu stellenden Fragen für das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft geben. Und sie könnte ein deutscher Exportschlager werden - nicht nur nach Europa, wo sie im Lissabon-Vertrag bereits verankert ist, sondern auch deutlich darüber hinaus.

Die Soziale Marktwirtschaft basiert darauf, dass jeder Marktteilnehmer prinzipiell ungehindert seinen Wettbewerbsinteressen nachgehen kann. Der Staat hat den Ordnungsrahmen zu garantieren. Insbesondere soll er Wettbewerb sichern und private Marktmacht verhindern. Einer der intellektuellen Vordenker, Alfred Müller-Armack, sah in der Sozialen Marktwirtschaft eine alternative Form zur rein liberalen Marktwirtschaft einerseits und zur Lenkungswirtschaft andererseits - der viel beschworene dritte Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Er verstand darunter eine sozial gesteuerte Marktwirtschaft. Deren Sinn sei es, das Prinzip der Freiheit mit dem Prinzip des sozialen Ausgleichs zu verbinden.

Um diesen Ausgleich sicher- oder herzustellen, befürwortete er Interventionen des Staates in den Markt. Für ihn war dabei allerdings wichtig, dass diese Eingriffe marktkonform stattfinden, das heißt ohne die Marktkräfte oder gar den Wettbewerb zu behindern. Insgesamt ist es bis weit in die neunziger Jahre hinein sehr gut gelungen, individuelle Freiheit und soziale Verantwortung zum Ausgleich zu bringen. Danach kam es in der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger offensichtlich zu einem Bruch. Im Jahr 2000 hatten nach Angaben des Instituts für Demoskopie Allensbach noch rund 50 Prozent der Deutschen eine gute und weniger als 20 Prozent keine gute Meinung von der Sozialen Marktwirtschaft.

Stimmungsumschwung

2004 war erstmals eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger kritisch gegenüber der Sozialen Marktwirtschaft eingestellt. Gerade als sich das Bild 2008 wieder zu bessern begann, wurde unsere Wirtschaftsordnung mit der Finanzkrise wieder großen Belastungen ausgesetzt. Das blieb nicht ohne Auswirkungen: Zuletzt hatten nur noch 31 Prozent der Deutschen eine gute Meinung zur Sozialen Marktwirtschaft, in Ostdeutschland sogar nur 19 Prozent.

Inzwischen ist die große Mehrheit der Überzeugung, dass es in Deutschland um die soziale Gerechtigkeit nicht gut bestellt ist: 67 Prozent halten die Einkommens- und Vermögensstruktur für ungerecht. Und gar 75 Prozent sagen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse in unserem Land insgesamt nicht gerecht sind. Wir würden es uns allerdings zu einfach machen, wenn wir alles nur der aktuellen Krise zuschrieben. Die Zahlen zeigen doch, dass die Abwendung von der Sozialen Marktwirtschaft viel früher begonnen hat - auch wenn zwischenzeitlich wie beispielsweise 2008 immer einmal wieder leichte Verbesserungen zu beobachten waren. Deshalb muss den Ursachen viel grundlegender nachgegangen werden. Es kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass mit Abklingen der aktuellen Krise frühere Zustimmungsniveaus wieder zurückkehren.

Wirtschaftspolitische Veränderungen der letzten Jahre

Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts glaubten manche, mit dem Untergang des Sozialismus habe die Marktwirtschaft einen historischen Sieg davongetragen. Damit entfiel aber auch der historische Gegensatz von Markt- und Planwirtschaft. Die Folge war: Die Soziale Marktwirtschaft wurde nicht mehr als dritter, vermittelnder Weg wahrgenommen. Das fiel zusammen mit der Hochphase der Globalisierung mit immer freieren Kapital- und schließlich auch Güterverkehren. Allenthalben wurde geglaubt, darauf müsse die Wirtschaft mit großen, weltweit tätigen Konzernen reagieren. Die Konsequenz waren deshalb Mega-Fusionen, bei denen zuweilen das Erreichen einer bestimmten Größe das vordringliche Ziel zu sein schien.

Konkret vollzog sich die Verschiebung des Wertebildes auf drei Ebenen. Die erste Ebene waren Gesetzgeber und Regierungen. Sie haben schon seit Ende des Zweiten Weltkriegs schrittweise die zuvor starke Regulierung der Finanzmärkte gelockert, verstärkt seit den achtziger Jahren. Wirtschafts- und Rechnungslegungsstandards wurden nach und nach harmonisiert und zuvor verschlossene Teilmärkte liberalisiert. Nationale Regierungen wurden durch verstärkten internationalen Wettbewerb immer mehr unter Druck gesetzt, Regulierungen zu lockern. Das allgemeine Bewusstsein war, der Staat müsse sich immer weiter zugunsten der Wirtschaft zurückziehen, um mehr Effizienz und mehr Wohlstand zu ermöglichen.

In Europa versuchten Nationalstaaten ganz bewusst, durch niedrigere Regulierungsstandards die Finanzindustrie anzulocken. Irland ist ein solches Beispiel. Großbritannien setzte wirtschaftspolitisch auch voll auf die Finanzindustrie. Dabei wurden sogar traditionelle Industrien vernachlässigt. Zu Beginn der Finanzkrise betrug der Anteil der Finanzwirtschaft in Großbritannien 6,4 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfungen. In Deutschland waren es zu diesem Zeitpunkt 4,6 Prozent.

Der Unterschied mag nicht dramatisch klingen. Dazwischen liegen aber immerhin rund 40 Prozent - und vor allem eine andere politische Wahrnehmung. In Großbritannien war die Finanzwirtschaft das, was hierzulande die Autoindustrie war und ist. Mit diesem Wettlauf kamen supranationale gemeinsame Regeln nicht mit. Teilweise widersetzten sich einzelne Staaten sogar. In Heiligendamm 2007 etwa haben sich Großbritannien und die USA beim G8-Gipfel sogar geweigert, über Vorschläge einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte überhaupt ernsthaft zu diskutieren. Kraft ihrer Größe und volkswirtschaftlichen wie politischen Potenz waren fast nur die USA in der Lage, Standards zu bestimmen.

Das waren Standards, die der freien Entfaltung von Individuen, aber auch von Unternehmen prinzipiell ein höheres Gewicht einräumten als dies jemals im Konzept der Sozialen Marktwirtschaft vorgesehen war. Kontinentaleuropäische Staaten, etwa Deutschland und Frankreich, die derartige Entwicklungen nicht so ohne Weiteres mitmachen wollten, mussten sich als "Old Europe" bezeichnen lassen - das war keineswegs nur historisch gemeint.

Deregulierungswelle

Auch in Deutschland nahm die Deregulierungswelle in den achtziger und neunziger Jahren an Fahrt auf. Die Tätigkeit von Hedgefonds wurde erleichtert, Kreditverbriefungen wurden gefördert und es wurde ermöglicht, dass sich vor allem Banken und Versicherungen unter steuerfreier Realisierung stiller Reserven aus Veräußerungen von Beteiligungen zurückziehen konnten. Damit wurden auch die großen deutschen Industrieunternehmen sehr weitgehend für institutionelle Investoren erschlossen. Das war auch das Ziel. Man wollte internationales Kapital anlocken und stellte ihm hierfür deutsche Unternehmen als Investitionsobjekte zur Verfügung.

Die dann folgenden, stark fremdkapitalgetriebenen Übernahmefinanzierungen ließen die Verschuldungen in den betroffenen Unternehmen deutlich ansteigen und führten zu Blasenbildungen. Gleichzeitig hielt damit eine in dieser Größenordnung bis dato nicht gekannte Form der Honorierung für das Management Einzug.

Kurzfristigkeit im Denken und Handeln

Damit zur zweiten Ebene: den Verantwortlichen in den Unternehmen. Allen ist noch gut erinnerlich die Lehre vom Shareholder Value. Darunter wurde eine ständige Steigerung des Aktienwerts verstanden. Als Schwungrad dienten möglichst hohe Eigenkapitalrenditen. Wo diese sich nicht einstellten, mussten kurzfristig wirksame Börsenstories her, die diesen Mangel kompensierten. Oder man gestaltete die Eigenkapitalrenditen durch Verminderung des Eigenkapitals optisch ansprechend. Zu denken ist dabei an bedeutende Programme zum Aktienrückkauf, zum Beispiel der Deutschen Bank. Ein weiteres Mittel zur Steigerung von Eigenkapitalrenditen sind Finanzierungen unter möglichst wenig Eigenkapitaleinsatz, also mit einem hohen Fremdkapitalhebel, so elegant mit einem hohen "Leveragefaktor" umschrieben, dass keiner nachzufragen wagte, was das denn sei.

Auch manches große deutsche Unternehmen war davon nicht frei, wie man heute weiß. Es ist jedenfalls bemerkenswert, wenn ein deutscher Automobilhersteller zeitweise mehr Gewinn als Umsatz machte. Nun hat die Ausrichtung von Unternehmen an der Börse sichtbaren Wertsteigerungen natürlich einen generellen Trend zur Kurzfristigkeit. Wo Börsenkurse in Echtzeit abgelesen werden können, geraten Manager fast zwangsläufig in den Druck, immer schneller neue Erfolgsmeldungen zu produzieren. Es entsteht ein Teufelskreislauf: Schnelle Kurssteigerungen verlangen kurzfristige Erfolge. Kurzfristige Erfolge brauchen kurzfristig wirksame Maßnahmen. Kurzfristig angelegte Maßnahmen sind aber der Feind einer langfristig wirksamen

Unternehmensstrategie. Das macht auch verständlich, weshalb Vergütungssysteme wie die Boni auf immer kurzfristigere Erfolge ausgelegt wurden, allerdings mit der Besonderheit, dass virtuelle Wertsteigerungen des Unternehmens nicht selten in realer Währung abgegolten wurden.

Die dritte Ebene ist die sogenannte Finanzindustrie selbst, sogenannt deshalb, weil dieser Begriff suggerieren soll, dass hier etwas, wie in der Industrie, produziert wird. Wird es aber nicht. Es wird in der Finanzwirtschaft nichts produziert, sondern nur umgeschichtet.

Mit den neuen Informationstechniken können Kreditinstitute heute praktisch in Echtzeit an allen Finanzmärkten der Welt präsent sein. Sie haben damit ein nahezu unbegrenztes Wertschöpfungs- und Geschäftspotenzial. Bei fast allen anderen Unternehmen unterliegt das Wachstum natürlichen Grenzen - die durch Mitarbeiterkapazitäten, Produktionsmöglichkeiten oder durch Know-how gezogen sind. Allein die Finanzwirtschaft kennt eine solche Begrenzung heute praktisch nicht - weder örtlich noch in der Größenordnung. Ihr Rohstoff ist Kapital. Das dürfte der einzige Rohstoff sein, der sich durch ständigen Gebrauch mehren lässt, aber nicht: vermehren lässt.

Tatsächlich handelt es sich ja auch nur um ein Tauschmittel. Geld stellt lediglich einen Gegenwert für eine reale Ware oder Leistung, sei es auch sehr abstrakt eine volkswirtschaftliche, dar. Diese wird aber durch einen vermehrten Einsatz des Tauschmittels nicht vermehrt.

Eigenkapital begrenzt nicht mehr

Der Finanzwirtschaft ist es aber erlaubt worden, die Menge der Tauschmittel durch ständig neue Derivate immer mehr zu erweitern. Da ist eine Blase entstanden, die mit dem tatsächlichen Austauschen von Waren und Dienstleistungen rein gar nichts mehr zu tun hatte. An sich soll in der Finanzwirtschaft das Eigenkapital die Rolle als begrenzenden Faktor darstellen. Teile der Finanzwirtschaft haben aber Mittel und Wege gefunden, sich auch von dieser Begrenzung zu lösen. Der einfachste Weg war, Risiken nicht in die eigene Bilanz zu nehmen, sondern auszulagern in Tochtergesellschaften, die bekannten Zweckgesellschaften. Es bedurfte nur einer Tochter, die man nicht konsolidieren musste, und man war das Problem los: nichts in der Bilanz, keine Kapitalunterlegung, keine Aufsicht. Man konnte ihr sogar noch zu guten Konditionen Kredite geben, damit sie ihre Geschäfte finanzieren konnte. Auf diese Form haben zahlreiche Banken in Deutschland gesetzt - öffentlich-rechtliche wie private.

Ein anderer Weg der Lösung von der Kapitalbegrenzung ist die Konzentration auf Handelsaktivitäten. Wer nur durchleitet und fast nichts in die Bücher nimmt, braucht wenig Eigenkapital. Die Herausforderung ist dann nur, das Schwungrad ständig am Laufen zu halten - je schneller, desto besser. Oder man gibt Kredite möglichst schnell an andere Investoren weiter, die diesen Begrenzungen nicht unterliegen - Private-Equity oder Hedgefonds etwa oder auch andere Kreditinstitute, die derartiges gutgläubig kaufen. Das Instrument dafür heißt Kreditverbriefung. Es basiert darauf, dass Kredit und Risiko getrennt werden. Die Kredite vergibt der eine, das Risiko nimmt der andere. Wenn es nur zwei wären, wäre der Sachverhalt überschaubar und das Risiko vermutlich transparent. Das Problem bestand aber darin, dass solche Risiken getrennt von den eigentlichen Krediten immer weitergegeben und mit immer mehr anderen Risiken gemischt wurden. So lange, bis niemand mehr die Werthaltigkeit der ursprünglichen Kreditforderung beurteilen konnte.

Jetzt beginnt der fatale Kreislauf: Das kreditgebende Finanzinstitut hat einen wirtschaftlichen Anreiz zur Verbriefung, weil es dann vergebene Kredite nicht mehr mit Eigenkapital unterlegen muss. Es kann sich permanent neue Kreditspielräume verschaffen, wenn es ihm gelingt, die aus den Krediten resultierenden Risiken möglichst schnell an andere zu verkaufen. Nun setzt allerdings auch dies Kreditvergaben voraus. Und diese wiederum sind abhängig vom Kreditbedarf eines realen Unternehmens oder einer Person.

Damit ist doch noch eine gewisse Abhängigkeit von den Wachstumsmöglichkeiten der Realwirtschaft gegeben. Auch hier hat die Finanzwirtschaft eine Möglichkeit gefunden, sich den Begrenzungen zu entziehen - durch virtuelle Finanzprodukte. Diese virtuellen Finanzprodukte, in Wertpapieren verbriefte Ausfallversicherungen auf dieses und jenes, schienen das seit Urzeiten gesuchte Perpetuum mobile zu sein. Die Finanzwirtschaft hat so unbegrenzte Wachstumsmöglichkeiten. Sie können unbegrenzt erfunden und in den Verkehr gebracht werden.

Man kann das alles nett beschreiben, durch Mathematiker berechnen oder durch Vorstände großer Banken als Zukunft preisen lassen: Im Ergebnis sind dies Wetten, nichts anderes. Das hat mit Bank nichts mehr zu tun, das ist Casino in Nadelstreifen! Das Problem besteht darin, dass ein Investor praktisch keinerlei eigene Beurteilungsmöglichkeit der Werthaltigkeit solcher Produkte mehr hat. Er muss sich auf das Urteil Dritter verlassen. Und das waren vor allem Ratingagenturen, die mit mathematischen Verfahren Einschätzungen vorgenommen haben, die sich später nicht als richtig erwiesen haben. Das waren aber auch die Banken, die solche Produkte kreiert haben.

Casino in Nadelstreifen

Es packt deshalb einen heute manchmal der Zorn, wenn man hört, dass große Banken, deutsche wie internationale, darauf verweisen, sie hätten die Finanzkrise gut überstanden, schließlich hätten sie solche Produkte ja nicht gekauft. Gekauft vielleicht nicht, aber verkauft! Ist das weniger schlimm? Die Gesellschaft hat sich in den vergangenen Monaten angewöhnt, diejenigen öffentlich zu kritisieren, die wegen solcher Papiere Abschreibungen zu verkraften haben. Diese Kritik ist nötig und richtig.

Diejenigen, die dieses System etabliert und daran kräftig verdient haben, erfahren aber keine Kritik. Jedenfalls ist es zumindest befremdlich, jenen heute auch noch für hohe Gewinne zu huldigen. Nicht weniger schlimm ist, dass diesen Managern bisher nicht die Möglichkeiten regulatorisch entzogen wurden, Ähnliches wieder zu tun. Durch derartige Finanzprodukte ist die Finanzwirtschaft in den vergangenen Jahren sehr dynamisch gewachsen. Sie ist viel stärker gewachsen als die Realwirtschaft. Das hätte zu denken geben müssen, denn das kann auf Dauer nicht sein.

Um diese aufgebauten Kapazitäten auszulasten, müssen immer neue innovative Produkte erfunden werden, die mit der Realwirtschaft nichts zu tun haben. Das ist das berühmte "Monster", von dem der Bundespräsident gesprochen hat. Die Alternative dazu wäre nur eine massive Verringerung der weltweiten Finanzindustrie. Nur: Wer fängt damit an? Wird man dafür belohnt? Oder verliert nicht derjenige, der zuerst damit beginnt?

Rettungsmaßnahmen

Jetzt ist die damit aufgebaute Blase geplatzt. Aus einer Subprime-Krise in den USA ist eine weltweite Liquiditätskrise geworden, weil jeder sein Geld festhielt. Daraus hat sich eine allgemeine Vertrauenskrise entwickelt, die noch immer nicht überwunden werden konnte. Der Sachverständigenrat schätzt, dass die Finanzkrise weltweit Verluste von rund 2,8 Billionen Euro auslösen wird. Das ist etwa so viel wie die jährliche Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik Deutschland. Etwa die Hälfte davon, so der Sachverständigenrat, sei bisher in den Bilanzen verarbeitet worden.

Das hört sich so schön klinisch rein an, Tatsache ist jedoch, dass es sich hier um Kapital und Rendite von Anlegern handelt, die nun weg sind. Weltweit haben sich deshalb vor allem die Industriestaaten gezwungen gesehen, ihre Finanzindustrie mit erheblichen öffentlichen Mitteln zu stützen. Dazu gab es keine Alternative, wollte man nicht durch das Verstopfen des Blutkreislaufes den gesamten Organismus Volkswirtschaft von Kapital abschneiden.

In Deutschland hat der Bund Ende letzten Jahres 480 Milliarden Euro zur Stützung des deutschen Bankensystems zur Verfügung gestellt - 80 Milliarden Euro als Eigenkapitalhilfen, 400 Milliarden Euro als Bürgschaften. Nun denken bei Staatshilfen in der Regel alle sofort an die Landesbanken. Die wenigsten wissen, dass der Bund in der Finanzkrise allein in die Commerzbank mehr Kapital einbezahlt hat als alle Bundesländer zusammen als Eigentümer in ihre Landesbanken. Überhaupt haben manche ein Interesse daran, Probleme dieser Art mit der öffentlichen Rechtsform oder der Art der Eigentümer in Verbindung zu bringen.

Das soll keine Entschuldigung für das zweifellose Fehlverhalten einiger Landesbanken sein. Aber es soll doch die Relationen zurecht rücken. Tatsächlich ist das Gemeinsame bei den betroffenen Kreditinstituten, dass es sich um international tätige Bankkonzerne handelt, die nicht in erster Linie auf reale Kunden gesetzt haben. Demgegenüber zeigen sich die dezentralen und eher mittelständisch organisierten Sparkassen und Genossenschaftsbanken in der Krise eher als Horte der Stabilität.

Was kann aus diesen Entwicklungen für die Zukunft gelernt werden? Fünf Punkte dazu: Erstens muss es um wirksame Regulierung gehen. Notwendig ist ein starker Staat, der regulierend eingreift und Aufsicht über die Marktteilnehmer führt. Fast gar nicht reguliert sind heute etwa institutionelle Investoren, soweit sie keine Banken sind, und einige Finanzplätze. Und auch die Ratingagenturen sind Marktteilnehmer mit großer Marktmacht, ohne dass sie wirklich reguliert und beaufsichtigt wären. Notwendig wäre ein Verbot für Ratingagenturen, Finanzinstitute bei ihren Geschäften zu beraten und anschließend die Institute oder ihre Produkte zu raten. Denn das ist ein massiver Interessenkonflikt. Bei Finanzinstituten müssen in Zukunft alle Risiken in der Bilanz abgebildet werden. Und zu richtiger Corporate Governance gehört, dass dann den Organen alle Risiken zur Kenntnis und gegebenenfalls zur Entscheidung vorgelegt werden müssen.

Notwendigkeit eines starken Staates

Die Finanzinstitute, die sorglos über Kreditverbriefungen ihre eingegangenen Risiken weitergeben, sollten über einen Selbstbehalt - mindestens zehn Prozent, besser wären 20 Prozent - auch zukünftig im Risikoobligo bleiben; das würde zu mehr Sorgfalt führen. Dieses Prinzip ist dem deutschen Rechtskreis nicht unbekannt, wie ein Blick in das Wechsel- oder Scheckgesetz und auf die dort geregelte Haftung des Indossanten schnell zeigt. Eine falsche Schlussfolgerung wäre es aber, die Finanzwirtschaft pauschal mit neuen Regeln zu überziehen, ohne nach Risiko oder Systemrelevanz zu unterscheiden. Regulierungen treffen die falschen Kreditinstitute, wenn man pauschal Eigenkapitalanforderungen erhöht, von denen vor allem Banken mit viel bilanzwirksamem Kreditgeschäft getroffen werden, Sicherungssysteme zusammenlegen möchte, wo dann Sparkassen und Genossenschaftsbanken für spekulative Geschäfte von Großbanken haften würden oder wenn man allgemeine Bankenabgaben einführt, von denen wiederum bilanzstarke Kreditinstitute betroffen wären.

Derzeit verläuft die Diskussion hier noch recht unstrukturiert, die Ziele sind unklar: Will man die bisherigen staatlichen Aufwendungen für die Stützung der Banken wieder eintreiben? Will man vorbeugend einen Fonds aufbauen, der in Zukunft für Stützungsmaßnahmen zur Verfügung steht? Oder will man ordnungspolitisch die Verursacher der Finanzkrise treffen? Hier wäre zweifellos eine Abgabe hilfreich, die auf Aktivitäten abzielt, die sich sehr weit von der Finanzierung und Unterstützung der Realwirtschaft entfernt haben. Im Kern muss es gerade in diesem Marktsegment darum gehen, eine Verkleinerung der Finanzwirtschaft zu erreichen.

Unklare Ziele

Angesetzt werden muss dort, wo Risiken liegen, die im Zweifel ganz andere Wirtschaftsbranchen oder gar ganze Volkswirtschaften in den Abgrund reißen können. Denn dieses Problem ist noch gestiegen. Seit Anfang 2007 sind bei 353 europäischen Kreditinstituten die Bilanzsummen gewachsen. Und 15 europäische Banken haben heute eine Bilanzsumme, die größer ist als die jährliche Wirtschaftsleistung ihrer Heimatländer, vor drei Jahren waren es nur zehn. Ein Beispiel dafür ist die französische Großbank BNP Paribas. Ihre Bilanzsumme ist um 17 Prozent größer als die gesamte französische Wirtschaftsleistung. Der Staat und seine Steuerbürger können nicht zulassen, durch große Banken im Krisenfall mit Hinweis auf deren Systemrelevanz, sprich Größe, erpresst und zu Hilfestellungen gezwungen zu werden. Es ist sehr bemerkenswert, dass in letzter Zeit vor allem diejenigen, die bisher immer das Private betont haben und den Staat aus allem heraushalten wollten, nun am lautesten nach dem Staat rufen. Und dass sie sich hinstellen und erklären, die Einlagen seien bei ihnen besonders sicher, weil ja letztlich der Staat haftet. Das ist Gewährträgerhaftung im neuen Gewand.

Zweitens ist das Thema Haftung wichtig. In den letzten Jahren verlautete aus der privaten Wirtschaft häufig, dass eine gute Corporate Governance notwendig sei und dies vor allem Fragen der Verantwortung umfasse. Auch Großbanken haben sich in dieser Diskussion hervorgetan. Nun ist aber zu beobachten, dass bei von der Krise betroffenen Instituten allein öffentlichrechtliche Eigner antreten und nachschießen. Derartiges ist bei privaten Aktionären in Not geratener börsennotierter Banken nicht zu erkennen. Der Grund dafür ist, dass Aktionäre einer AG nur in Höhe des eingebrachten Kapitals haften und nicht zum Nachschuss verpflichtet sind.

Das heißt aber doch: Bei börsennotierten Großbanken-AGs kann im Krisenfall nicht auf die Aktionäre und ihre Bereitschaft zur Haftung gesetzt werden. Der Staat ist also letztlich schneller gefragt als bei öffent-lich-rechtlichen Kreditinstituten. Wer hätte dies vor einigen Jahren vermutet, als um die Staatshaftung für Sparkassen und Landesbanken gestritten und diese schließlich abgeschafft wurde? Nun sagt mancher, es sei doch kein Unterschied, ob die öffentliche Hand als Eigentümer oder als letzte Instanz, als Staat, handelt.

Das ist ein großer Unterschied: Zum einen zeigt sich dann nur noch die öffentliche Hand wirklich als verantwortlicher Eigentümer im Bankenbereich. Das ist bemerkenswert, weil doch bisher die Privaten unternehmerische Verantwortung besonders für sich in Anspruch genommen haben. Der zweite Unterschied sind die Sparkassen. Sie sind nämlich die einzigen Aktionäre oder Träger von Banken, die ohne Zugriff auf Steuermittel zusätzliche Mittel aufbringen oder eben auf Eigentumsrechte verzichten müssen. Dies sollte einen Augenblick des Nachdenkens wert sein. Es dürfte das Weltbild von manchen in Unordnung bringen.

Nun ist noch ein dritter Punkt anzusprechen, nämlich die künftige wirtschaftliche Stabilität. Dies ist hier vor allem auf die Geldwertstabilität zu beziehen. Bedingt durch die Hilfestellungen für Banken ist derzeit zu viel Liquidität im Markt und es entstand ein zu großer Kapitalbedarf der öffentlichen Hand. Daraus ergeben sich erhebliche Stabilitätsgefahren für die Zukunft. Schrittweise werden schon wieder Finanzprodukte kreiert und verkauft, die nicht überschaubare Risiken beinhalten. Und es ist erkennbar, dass Investoren solche Anlageformen aus Renditegründen wieder suchen.

Erhebliche Stabilitätsgefahren

Das ist übrigens auch bei privaten Sparern zu beobachten, die angesichts des niedrigen Zinsniveaus wieder risikofreudiger werden. Wen wundert das auch, sie tragen ja Null Risiko. Schließlich hat doch die Bundesregierung versprochen, alle Spareinlagen sind sicher. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich schrittweise bereits wieder eine neue Blase bilden könnte. Ein zentrales Thema für die nationalen Regierungen und die internationalen Abstimmungen sollten deshalb Ausstiegsstrategien aus Konjunkturprogrammen und Bankenrettungspaketen der Staaten und Liquiditätsprogrammen der Notenbanken sein. Die Europäische Zentralbank hat bereits behutsam damit begonnen. Zwar ist derzeit die konjunkturelle Lage für die Umsetzung solcher Strategien noch zu fragil. Die Weltwirtschaft braucht aber einen klaren Weg hinaus aus Liquiditätshilfen und Niedrigzinsen der Notenbanken ebenso wie aus den exzessiven Staatsdefiziten. Schon heute ist absehbar, dass die Versuchung groß sein wird, die Schuldenberge aus Konjunktur- und Bankenrettungspaketen - zumindest teilweise - "weg zu inflationieren".

Regierungen und Notenbanken sollten im Sinne der Geldwertstabilität und damit im Sinne der Sparerinnen und Sparer dieser Versuchung widerstehen. Das würde nur neue Instabilitäten und einen neuerlichen Vertrauensverlust für die Finanzmärkte bedeuten. Es gibt deshalb keine Alternative zu einer strikten Haushaltsdisziplin der Regierungen einerseits und konsequenten Stabilitätspolitik der Notenbanken andererseits. Die Regierungen - auch die in Deutschland - stehen deshalb vor der schwierigen Aufgabe, Wachstumskräfte zu unterstützen und gleichzeitig substanzielle Einsparungen vorzunehmen.

Das führt zum sehr wichtigen vierten Punkt, nämlich der Frage der künftigen Tätigkeit des Staates in der Wirtschaft. Die Finanzkrise sollte Anlass sein, die Tätigkeit der öffentlichen Hand in der Wirtschaft neu zu bewerten. Ich habe jahrelang in meiner früheren Position als DSGV-Präsident für mehr Augenmaß bei der Privatisierungspolitik plädiert. Meine Position war und ist, dass ein Rückzug der öffentlichen Hand aus dem Wettbewerb dort seine Berechtigung hatte, wo es darum ging, Wettbewerb herzustellen. Der Telekommunikationsbereich ist hier zu nennen. Dass bessere Leistungen und geringere Preise allerdings nicht eine selbstverständliche Folge von Privatisierungen sind, hat sich etwa bei der Energieversorgung gezeigt. Dort sind Oligopole entstanden, die allerdings jetzt nicht mehr steuer- oder beeinflussbar sind und schon gar nicht demokratisch kontrolliert.

Solidarität und soziale Sicherung

Eine ganz ähnliche Entwicklung wäre für die Kreditwirtschaft absehbar gewesen, hätte man etwa Sparkassen privaten Investoren zugänglich gemacht. In der Folge der Finanzkrise erleben wir nunmehr einen bemerkenswerten Paradigmenwechsel. Plötzlich wird für möglichst viel Staat in der Wirtschaft geworben - und zwar auch von Institutionen und Personen, die bisher immer für das Gegenteil eingetreten sind. Jetzt geht es allerdings darum, eine Übertreibung in die andere Richtung zu vermeiden. So wie früher komplette Privatisierungen zu verhindern waren, sollte jetzt vermieden werden, dass der Staat einen zu großen Einfluss in der Finanzwirtschaft bekommt und dadurch langfristig der Wettbewerbsmechanismus außer Kraft gesetzt oder zumindest stark beschädigt wird.

Ziel von Staatsbeteiligungen bei Banken sollte nicht sein, direkten Einfluss auf die Geschäftspolitik auszuüben. Es ist aber im Interesse der Steuerzahler, durch angemessene Beteiligung künftige Geschäftserfolge als Gegenleistung für die Eigenkapitalhilfe abzuschöpfen. Insgesamt werden sich alle darauf einstellen müssen, dass der Staat betraglich und zeitlich länger engagiert sein wird als dies manche heute vermuten und bezwecken. Denn es ist beispielsweise im Falle der Commerzbank nicht ersichtlich, wie das Institut angesichts einer Marktkapitalisierung von unter vier Milliarden Euro und 18,2 Milliarden Euro Staatshilfen durch gesellschaftsrechtliche und stille Beteiligungen kurzfristig so an Wert gewinnen könnte, dass der Staat angemessen ausgezahlt werden und sich zurückziehen könnte.

Ein fünfter Punkt, der nur mittelbar mit der Finanzkrise zu tun hat, sich aber in der Folge umso dringlicher stellt, ist die Frage nach Solidarität und sozialer Sicherung. Hier liegen die größten Herausforderungen für die Zukunft. Die Soziale Marktwirtschaft verfolgt das Leitbild des freien Spiels der Marktkräfte. Das setzt aber voraus, dass jeder Marktteilnehmer die Möglichkeit hat, selbstbestimmt und fair an diesem Wettbewerb teilnehmen zu können.

Das ist für viele heute nicht gewährleistet. Ein zunehmender Teil der Bevölkerung - Deutsche und Migranten - haben nicht die Chancen, den Wettbewerb der Zukunft für sich wahrnehmen zu können. Sie müssen zu einem selbstbestimmten Leben befähigt werden. Der Schlüsselfaktor dafür ist Bildung. Hierüber wird viel geredet und wenig getan. Man darf sich nicht damit abfinden, dass schon Kinder im Kindergarten oder in der Grundschule als für die Gesellschaft verloren eingestuft werden. Dies kann man sich weder gesellschaftspolitisch noch ökonomisch leisten. Und mit einiger Sorge ist festzustellen, dass zunehmend die Mitte unserer Gesellschaft schmaler wird. Das fördert soziale Spannungen und die Mittelschicht wird als sozialer Bindungsbereich und als Aufstiegsperspektive von unten schwächer. Es wird deshalb wieder über Vermögensförderung von Geringverdienern nachgedacht werden müssen. Dafür müssen aber finanzielle Spielräume vorhanden bleiben, anderenfalls wäre gerade diese Bevölkerungsgruppe in besonderer Weise Verlierer der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Alles Gesagte kann gut in dem Begriff Nachhaltigkeit zusammengefasst werden. Die Wirtschaft, vor allem die Finanzwirtschaft, muss wieder lernen, so zu agieren, dass die Grundsubstanz des Unternehmens und der Volkswirtschaft insgesamt nicht angetastet, sondern möglichst sogar vermehrt wird. Das schließt aus, Risiken einzugehen, die die eigene Existenz und die der eigenen Kunden infrage stellen. Es erfordert, immer so viel zu erwirtschaften, dass das Unternehmen aus sich selbst heraus lebensfähig ist. Beides steht in einem Spannungsverhältnis. Denn zu hohe Renditeansprüche sind nicht zu realisieren, ohne Grundsubstanz einzusetzen und damit infrage zu stellen. In der Zukunft werden daher ganz grundlegende unternehmensethische Fragen beantwortet werden müssen.

Nachhaltigkeit

Da der internationale Finanzmarkt solche ethischen Grenzen nicht kennt oder zumindest nicht akzeptiert, muss notfalls der Nationalstaat hier Regeln setzen. Es sollte insoweit nach einem umgekehrten Subsidiaritätsprinzip vorgegangen werden: in einer globalen Finanzwirtschaft sollten Regeln auch möglichst global gelten. Ist das nicht erreichbar, sollten sich die wichtigsten Staaten zusammentun, wie etwa die G20. Schafft man das auch nicht, sollte jedenfalls die EU einheitliche Standards setzen und durchsetzen. Erst dann, sollte auch dies nicht funktionieren, ist der Nationalstaat gefordert. Aber das ist für die eigene Volkswirtschaft immer noch besser als keine Regeln oder zu wenig davon wie bisher.

Es gibt die Chance, etwas grundlegend zu ändern. Aber ob das gelingt, ist noch nicht sicher. Es ist leider noch Skepsis angebracht, ob wirklich die notwendigen Schlussfolgerungen für eine nachhaltige Wirtschaft aus dieser Finanzkrise gezogen werden. Nachdem früher die Finanzwirtschaft der Realwirtschaft gegenüber wie selbstverständlich eine dienende Funktion hatte, war vor allem in den letzten zehn Jahren zu erleben, wie die Finanzwirtschaft sich einen eigenen Kosmos aufgebaut hat. Jetzt besteht die Gefahr darin, dass die Finanzwirtschaft ihre hochentwickelten Produkte zunehmend auf die Realwirtschaft überträgt und für spekulative Zwecke ausnutzt. Einige der Marktentwicklungen der letzten Monate auf Kapital- und Gütermärkten sprechen dafür, dass grundlegende Preisentwicklungen nach dem Maßstab realen Angebots und realer Nachfrage damit schnell außer Kraft gesetzt werden können. Darin steckt die Gefahr einer neuen spekulativen Instabilität, aber auch erhebliche Risiken für die globalen Gleichgewichte. Zu leicht können sich finanzstarke Akteure Vorteile zulasten von Branchen oder ganzen Volkswirtschaften verschaffen. Dies beherrschbar zu gestalten, dürfte eine der wichtigsten Herausforderungen des nächsten Jahrzehnts sein.

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