Aufsätze

Mahnung zur Orientierung an Nachhaltigkeit

Es ist ein Vorgang von historischer Dimension, dass in den führenden Industrienationen die Regierungen quasi über Nacht Rettungspakete schnüren müssen, um die Finanzwirtschaft in ihren Ländern vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Wie konnte es so weit kommen? Heute ist klar: Die aktuelle Krise konnte nur entstehen, weil Grundregeln nachhaltigen Wirtschaftens nicht oder nur unzureichend beachtet wurden. Die Folgen sind gravierend: Das Vertrauen zwischen den Banken ist schwer erschüttert, und manche Institute haben enorme Schwierigkeiten, sich zu refinanzieren, sodass der Staat ihnen beispringen muss. Bis das volle Vertrauen der Marktteilnehmer wiederhergestellt ist, wird es noch einige Zeit dauern.

Auswirkungen auf die Realwirtschaft

Diese Situation geht nicht spurlos an der Realwirtschaft vorbei - trotz der Rettungsmaßnahmen vieler Regierungen. Die Aussichten für die konjunkturelle Entwicklung haben sich massiv eingetrübt - in Deutschland, Europa oder den USA. In Deutschland haben die Finanzkrise und die schwächere Konjunktur für die Unternehmen zwar zu einer - im Vergleich zu anderen europäischen Ländern moderaten - Verschärfung der Finanzierungssituation geführt, von einer flächendeckenden Kreditklemme kann bislang jedoch nicht die Rede sein. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass das Finanzierungsklima schwieriger werden wird.

Bereits vor der Krise an den Finanzmärkten hatten insbesondere kleinere Unternehmen und Existenzgründer zum Teil erhebliche Probleme, Kredite zu bekommen. Nach der Unternehmensbefragung der KfW im Frühjahr 2008 berichteten 37 Prozent der Unternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als einer Million Euro - sie machen immerhin 86 Prozent aller mittelständischen Unternehmen aus - davon, dass die Kreditaufnahme gegenüber dem Vorjahr schwieriger geworden sei. Im Vergleich zu größeren Unternehmen (Jahresumsatz von 50 Millionen Euro oder mehr) ist dieser Anteil etwa 3,5-mal so hoch. Bei Anträgen von Investitionskrediten hören diese kleineren Unternehmen etwa vier Mal häufiger ein "Nein" von ihrer Bank als die größeren Unternehmen. Auch Unternehmen, die innovative Projekte finanzieren möchten, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, keinen Kredit zu bekommen als Unternehmen, die nicht innovativ sind. Eine zurückhaltendes Finanzierungsangebot oder gar eine Ablehnung trifft Unternehmen empfindlich. Investitionen werden unterlassen oder verschoben, Aufträge storniert, erwartete Umsätze treten nicht ein. Zur Absatzkrise kommt die Vertrauenskrise. Die, die investieren könnten, tun es nicht, weil die Unsicherheit und damit das Risiko zu groß ist.

Die Verschärfung des konjunkturellen Abschwungs durch die Finanzmarktkrise kann aus mehreren Gründen gravierende Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft haben: Der Mittelstand leistet in Deutschland einen wichtigen Beitrag zur Investitions- und Innovationstätigkeit sowie zur Beschäftigung. Mittelständische Unternehmen tätigen reichlich 50 Prozent der Unternehmensinvestitionen und beschäftigen zirka zwei Drittel aller Erwerbstätigen.

Diese wichtige Rolle als Wachstums- und Beschäftigungsmotor können sie nur ausfüllen, wenn ihre Finanzierung reibungslos läuft. Gerät dieser Motor ins Stocken, dürfte sich dies bald auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen - mit entsprechenden Auswirkungen auf Einkommen, Konsum und öffentliche Haushalte. In der Folge würden dann auch zum Beispiel klimaschutzrelevante Investitionen von Unternehmen und Privatpersonen wie energetische Modernisierung von Altbauten negativ tangiert, die Erreichung der Ziele zur Reduzierung der CO2-Emissionen gefährdet.

Steuerungsdefizite

Die Entwicklungen der vergangenen Monate haben eines nochmals deutlich gemacht: Der Markt allein kann mit diesen Steuerungsdefiziten nicht fertig werden. Trotz der kontroversen Diskussionen der vergangenen Monate über die KfW wird gerade in der Krise deutlich, dass eine strukturpolitische Institution wie die KfW notwendig ist, um Fehlsteuerungen entgegenzuwirken oder zu korrigieren. Die Bank hat ein erprobtes nachhaltiges Geschäftsmodell. Dank der Staatsgarantie kann sie sich am Kapitalmarkt besonders günstig refinanzieren. Diese Mittel bringt sie über ihre Finanzierungen wieder in den Wirtschaftsprozess ein, um von der Politik bestimmte Ziele und Aufgaben zu verfolgen. Sie steht mit ihren Finanzierungsangeboten auch dann bereit, wenn andere Institutionen sich zurückhalten. Ihrer Tätigkeit liegt ein gesetzlicher Förderauftrag zugrunde, etwa in den Bereichen Mittelstand, Umweltschutz, Wohnungswirtschaft, Infrastruktur, Bildungsförderung oder Entwicklungszusammenarbeit. Ihr Förderauftrag ist durch die sogenannte EU-Verständigung anerkannt und bestätigt.

Die KfW erfüllt ihre Aufgabe auch in turbulenten Zeiten. So sind ihre Kreditzusagen insgesamt in den ersten neun Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahr nicht gefallen, sondern gestiegen. In vielen Bereichen kann die Bank ihre Finanzierungsangebote durch Einsatz von Haushaltsmitteln oder aus eigenen Erträgen über ihren Refinanzierungsvorteil hinaus noch günstiger gestalten. Zu diesen Erträgen leistet die voll im Wettbewerb stehende KfW Ipex-Bank einen wesentlichen Beitrag. Ohne sie müssten verstärkt Mittel aus dem Bundeshaushalt eingesetzt oder die Förderung eingeschränkt werden. Angesichts der Belastungen aus der Finanzmarktkrise und der Notwendigkeit dem sich abzeichnenden Abschwung gegenzusteuern, sind beide Szenarien wenig realistisch. Gerade in der Krise muss die KfW Handlungsfähigkeit behalten.

Förderprogramme überprüfen

Die KfW ist aber nicht in erster Linie für die Bewältigung von Krisen konzipiert, sondern um den notwendigen Strukturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft zu unterstützen, die damit verbundenen Friktionen zu mildern sowie generell um Steuerungsdefiziten im gesamtwirtschaftlichen Interesse entgegenzuwirken. Eine Leitlinie der KfW ist die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Mit den Mitteln und Möglichkeiten einer Förderbank unterstützt sie die Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Lebens- und Wirtschaftsbedingungen.

Die derzeitigen Probleme an den Finanzmärkten sind nicht nur deshalb so gravierend, weil sie die Konjunkturaussichten belasten. Vielmehr besteht die Gefahr, dass die Lösung der langfristigen strukturellen Herausforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland aus dem Blickfeld gerät beziehungsweise die dafür notwendigen Ressourcen deutlich geschwächt werden. Diese Herausforderungen sind: Klimawandel sowie Ressourcenverknappung, Globalisierung sowie technikgetriebener Strukturwandel und die demografische Entwicklung. Vor diesem Hintergrund wird es für die KfW darum gehen, ihre Förderprogramme daraufhin zu überprüfen, ob und wie sie noch besser einen Lösungsbeitrag für die Bewältigung dieser Herausforderungen leisten können. Hierzu gehört die Weiterentwicklung von Förderprogrammen, aber auch die Notwendigkeit bestimmte Programme oder Programmvarianten zu konzentrieren oder gegebenenfalls einzustellen, ferner generell Programme zu vereinfachen, Überschneidungen zu beseitigen und sie klarer zu strukturieren.

Investitionen in Aus- und Weiterbildung

Beispiel Bildung: Deutschland hat im internationalen Vergleich eine geringe Studienanfängerquote. Gleichzeitig ist der Anteil der Niedrigqualifizierten hoch. Mehr als ein Viertel der 25- bis 30-Jährigen hat keinen beruflichen Bildungsabschluss. Vor dem Hintergrund des künftig zunehmenden Bedarfs an Fachkräften sowie des langfristig abnehmenden Erwerbspersonenpotenzials wird dieses Thema immer mehr zu einer Frage der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Erhöhte Investitionen in Aus- und Weiterbildung sind daher ein Gebot für die nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Deutschland.

Beispiel Wohnungsbau: Vor dem Hintergrund einer veränderten Bevölkerungszusammensetzung reicht es nicht mehr aus, den Wohnungsbestand in der Substanz zu erhalten. Gefragt ist vielmehr, ihn zugleich qualitativ zu verändern, das heißt ihn (neben den hier nicht thematisierten energetischen Sanierungsmaßnahmen) generationengerecht umzubauen. Dies erfordert zum Beispiel Umbaumaßnahmen für alters- oder familiengerechte Strukturen zu unterstützen - Maßnahmen, die zu innovativen Wohnkonzepten für Alt und Jung führen, wie etwa ein Mehrgenerationenhaus, in dem generationenübergreifende Wohnbedürfnisse erfüllt werden können. Dies ist ein wichtiges Element für die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der wiederum ein zentraler Faktor für eine nachhaltige Entwicklung ist.

Beispiel Kommunen: Die Modernisierung der Infrastruktur ist für die Zukunft einer hocheffizienten Volkswirtschaft wie Deutschland sehr wichtig. Die Kommunen stehen zudem in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vor massiven strukturpolitischen Aufgaben. Der demografische Wandel erfordert eine Neu- beziehungsweise Umorientierung der Stadtentwicklungsplanung, die wesentlich stärker als bisher den Fokus auf eine integrierte Stadtentwicklung legen muss, um den zukünftigen Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft gerecht zu werden.

Beispiel Forschung und Entwicklung sowie ihre beschleunigte Umsetzung in marktfähige Neuerungen: Innovationen kommt aufgrund des globalisierten Strukturwandels aber auch der demografischen Entwicklung für Deutschland höchste Priorität zu. Allerdings hat sich die Innovationsperformance der deutschen Volkswirtschaft in den letzten Jahren verschlechtert. Nur wenn die Innovationsfähigkeit gestärkt wird, kann Deutschland seinen derzeitigen technologischen Spitzenplatz - und damit seine Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Bei alternder Bevölkerung ist dies von zentraler Bedeutung, da das hohe deutsche Wohlstandsniveau bei rückläufigem Erwerbspersonenanteil nur durch eine Steigerung der Produktivität erhalten oder ausgebaut werden kann.

Anreize im Ordnungsrahmen

Die nachhaltige Sicherung der Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft erfordert Investitionen und Maßnahmen in den Feldern Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaftlicher Zusammenhalt. Es hat sich gezeigt, dass sich selbst überlassene Märkte hierfür allein nicht ausreichend sind, sondern dass entsprechende Anreize sowie ein entsprechender staatlicher Rahmen mit angemessenen, möglichst marktkonformen Regulierungen und Instrumenten - eine ökologische und soziale Wettbewerbsordnung - erforderlich sind.

Die KfW ist eine Institution in diesem Ordnungsrahmen, über ihre Finanzierungsangebote setzt sie solche Anreize. Sie wird auch weiterhin ihre besondere von der Politik gewollte Aufgabe und Rolle wahrnehmen und mit ihren Programmen und Aktivitäten dazu beitragen, dass zum Beispiel für den Mittelstand, beim Umwelt- und Klimaschutz, im Wohnungsbau oder im Bildungsbereich Finanzierungsbedingungen existieren, die gesamtwirtschaftlich und gesellschaftlich vorteilhafte Entwicklungen unterstützen.

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