Aufsätze

Neues Erbrecht: Was bringt die Europäische Erbrechtsverordnung?

Die Rechtslage innerhalb der Europäischen Union befindet sich im Bereich Vorsorge und Nachlass in einem tiefgreifenden Umbruchprozess. Fragen der Vermögensnachfolge werden nicht mehr ausschließlich auf der Basis nationalen Rechts geklärt, sondern unterliegen zunehmend europäischem Recht. Jüngstes Beispiel ist die im März 2012 verabschiedete EU-Erbrechtsverordnung, die im Sommer 2015 in Kraft treten wird und einige Erleichterungen verspricht.

Derzeitige Rechtslage

Die verstärkte, grenzüberschreitende Mobilität im Zuge der Globalisierung betrifft immer häufiger auch das Erbrecht. Deutsche Erblasser hinterlassen zunehmend auch Vermögen im Ausland (zum Beispiel Immobilien). Derzeit existiert kein internationales Erbrecht, welches die Abwicklung von grenzüberschreitenden Erbschaften regelt.

Nach deutschem Recht unterliegt ein Erbfall dem Recht des Staats, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser im Zeitpunkt des Todes innehatte. War der Erblasser Deutscher, gilt also deutsches Erbrecht. Problematisch sind die internationalen Erbfälle, wenn zum Beispiel ein deutscher Staatsangehöriger Immobilienbesitz im Ausland hat, etwa in Spanien oder in Frankreich. In Spanien wird auf den Erbfall deutsches Recht angewandt und zwar auch hinsichtlich der sich in Spanien befindlichen Immobilie. Im französischen Recht gilt dagegen das Recht des Belegenheitsorts, also für die Immobilie in Frankreich das französische Recht. Das in Deutschland befindliche Vermögen des Erblassers und das bewegliche Vermögen in Frankreich, zum Beispiel die Möbel in der Immobilie, werden jedoch nach deutschem Erbrecht vererbt. Dies führt zu einer Nachlassspaltung mit der Konsequenz, dass für Teile des vererbten Vermögens ein abweichendes gesetzliches Erbrecht und andere Pflichtteils- beziehungsweise Noterbrechte gelten. Diese Nachlassspaltung will die EU-Erbrechtsverordnung künftig vermeiden.

Änderungen durch die EU-Erbrechtsverordnung

Aufgrund der unterschiedlichen Erbrechtsverordnungen der Mitgliedstaaten ist die Abwicklung eines Erbfalls mit internationalem Bezug meistens kompliziert, langwierig und kostenintensiv.

Für Erbfälle, die ab dem 17. August 2015 eintreten, gilt EU-weit die Erbrechtsverordnung (Ausnahmen: Großbritannien, Irland und Dänemark). Die bisherige Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Erblassers und das Belegenheitsrecht wird beseitigt; die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen unterliegt dann dem Recht des Staats, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Beispiel: Ein deutscher Staatsangehöriger zieht nach Renteneintritt von Berlin nach Mallorca. Er lebt dort glücklich einige Jahre und stirbt im Jahr 2016. Auf den Erbfall findet das spanische Erbrecht Anwendung. Dies kann durchaus unliebsame Folgen haben, insbesondere bei einer überlebenden Ehegattin, die nach deutschem Recht zum Kreis der gesetzlichen Erben gehört. Nach spanischem Recht ist der Ehegatte jedoch nur dann gesetzlicher Erbe, wenn keine Abkömmlinge und keine Vorfahren des Erblassers vorhanden sind. Nicht immer ist der gewöhnliche Aufenthalt allerdings so einfach zu bestimmen. Wie etwa wäre es, wenn der Rentner nur die Wintermonate in Spanien gelebt hätte? Maßgebend ist grundsätzlich der Lebensmittelpunkt, also der Ort, an dem sich bei Gesamtbeurteilung der Umstände der Schwerpunkt der familiären und sozialen Bindungen befindet. Rein beruflich motivierte Auslandsaufenthalte führen in der Regel nicht zu einem gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Erbrechts. Die damit unter Umständen verbundene Unsicherheit hinsichtlich des anwendbaren Rechts lässt sich aber vermeiden:

- So können Erblasser per Rechtswahl das Recht ihres Staatsangehörigkeitsstaats zum maßgebenden Erbrecht bestimmen.

- Personen mit mehreren Staatsangehörigkeiten dürfen sich das Recht eines dieser Staaten aussuchen.

- Nicht wählbar ist dagegen das Recht des Aufenthaltsstaats.

Die Rechtswahl kann in einem privatschriftlichen oder notariellen Testament beziehungsweise in einem Erbvertrag getroffen werden. Sie betrifft allerdings nur das Zivilrecht, nicht das anwendbare Erbschaftsteuerrecht und die damit verbundenen Freibeträge.

EU-Erbrechtsverordnung und gemischt-nationale Paare

Weil sich das anzuwendende Erbrecht ab dem 17. August 2015 mit dem Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung nach dem Recht des Staates des sogenannten letzten gewöhnlichen Aufenthalts entscheidet, ergeben sich für gemischt-nationale Paare und Paare mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die ihren gemeinsamen Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, im Erbrecht neue Gestaltungsmöglichkeiten, die das Heimatrecht nicht kennt: insbesondere die für das deutsche Erbrecht typische und im Vergleich zu den Erbrechtsordnungen anderer EU-Mitgliedsstaaten außergewöhnliche Möglichkeit einer langfristigen erbrechtlichen Bindung durch Erbvertrag, gemeinschaftliches Testament, Vor- und Nacherbfolge sowie Dauertestamentsvollstreckung können künftig auch von diesem Personenkreis zur Gestaltung der Erbfolge genutzt werden. Gleiches gilt übrigens auch für eingetragene Lebenspartner.

Erleichterungen durch Nachlasszeugnis

Die Erbfolge wird in Deutschland durch einen Erbschein nachgewiesen. Dieser Nachweis der Erbenstellung wurde ebenfalls europaweit umgesetzt. Mit der Europäischen Erbrechtsverordnung wird ein Europäisches Nachlasszeugnis eingeführt, das den Nachweis der Erbenstellung künftig im Ausland erleichtern soll, in dem es in allen Mitgliedstaaten anerkannt werden wird. Es ersetzt nicht den deutschen Erbschein und es besteht auch keine Verpflichtung, sich dieses Zeugnis ausstellen zu lassen. Vielmehr stellt das Europäische Nachlasszeugnis eine weitere Möglichkeit für den Erbnachweis dar.

Empfehlung: Bestehende Testamente und sonstige letztwillige Verfügungen sollten daher vor Inkrafttreten der Neuregelung am 17. August 2015 daraufhin überprüft werden, ob eine Rechtswahl nach der Europäischen Erbrechtsverordnung angezeigt ist. Eine sinnvolle Nachfolgeplanung ist nur möglich, wenn feststeht, nach welchem Recht der spätere Erbfall beurteilt wird.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X