Aufsätze

Novellierung der MaRisk - Neues zu Liquiditätsrisiken

Seit der Finanzkrise hat das Risikomanagement der Institute eine starke Aufwertung erfahren. Im Mittelpunkt der aufsichtsrechtlichen Betrachtung stehen dabei die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), die nach einer erneuten Novellierung nun in der Fassung vom 15. Dezember 2010 vorliegen.1) Im Mittelpunkt der Neuerungen stehen dabei die Liquiditätsrisiken, die zwar seit der Erstfassung der Mindestanforderungen2) dort verankert sind, jetzt aber sehr an Detaillierungstiefe zugenommen3) und zunehmend eine zentrale Bedeutung bekommen haben. Die Institute haben damit nicht nur aus eigener Motivation, sondern auch aus aufsichtsrechtlichen Gründen ihr (Liquidi-täts-)Risikomanagement anzupassen.4) Als Grund für die Neufassung des Liquiditätsrisikomoduls der MaRisk sind die Erfahrungen aus der Finanzkrise, CEBS-Vorgaben und auch bankaufsichtrechtliche Erkenntnisse5) zu nennen6).

Neue Struktur

Liquiditätsrisiken gehören nach AT 2.2 MaRisk - unabhängig von einer im Institut vorzunehmenden Risikoinventur und Kategorisierung - neben den Adressenausfallrisiken (einschließlich Länderrisiken), den Marktpreisrisiken und den operationellen Risiken zu den aufsichtsrechtlich "gesetzten" wesentlichen Risiken. Zusätzlich sind die mit Liquiditätsrisiken verbundenen Risikokonzentrationen in besonderer Weise zu berücksichtigen. Darüber hinaus werden an Liquiditätsrisiken neue Anforderungen im Risikosteuerungs- und-controllingprozess gestellt. Die durch die MaRisk 2010 neu eingeführten und für Institute besonders bedeutsamen Änderungen im BTR 3 Liquiditätsrisiken werden nachfolgend dargestellt.

Die neuen MaRisk traten grundsätzlich bereits mit dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung zum 15. Dezember 2010 in Kraft. Um den Instituten trotzdem ausreichende Umsetzungszeiträume einzuräumen - es sind zur Implementierung der neuen Anforderungen ganz erhebliche Anpassungen der Berechnungsmethodiken, der Modellierungen und der Systeme erforderlich -, müssen die Institute die neuen MaRisk erst bis zum 31. Dezember 2011 vollumfänglich umgesetzt haben. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Institute diesbezüglich nicht mit aufsichtlichen Sanktionen zu rechnen.7)

Allerdings sollten die Umsetzungsanstrengungen der jeweiligen Institute frühzeitig begonnen werden; im Regelfall werden Implementierungsprojekte aufgesetzt, sodass eine nachvollziehbare Dokumentation vorhanden ist. Die beschriebenen Umsetzungsfristen gelten aber nicht für die neuen Anforderungen an kapitalmarktorientierte Institute bezüglich ausreichend bemessener Liquiditätsreserven. Hier mussten die Institute bereits im Dezember 2010 - empfohlen wurde in Abstimmung mit der zuständigen Aufsicht - mit dem Aufbau entsprechender Liquiditätspuffer begonnen haben.

Die Anforderungen für Liquiditätsrisiken unterteilen sich mit den MaRisk 2010 in allgemeine Anforderungen im BTR 3.1 MaRisk und in zusätzliche Anforderungen für kapitalmarktorientierte Unternehmen im BTR 3.2 MaRisk (Abbildung 1).8)

Umschreibung der Kapitalmarktorientierung

Das Zuordnungskriterium "Kapitalmarktorientierung" hat dabei bereits im Konsultationsverfahren für Diskussionen9) gesorgt. Nach den Erläuterungen zu BTR 3.2 Tz. 1 MaRisk gilt für diese Zuordnung § 264d HGB entsprechend. Hiernach ist eine Kapitalgesellschaft dann kapitalmarktorientiert, wenn sie einen organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG durch von ihr begebene Wertpapiere im Sinne des §2 Abs. 1 S.1 WpHG in Anspruch nimmt oder die Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel beantragt hat. Zu derartigen Wertpapieren zählen grundsätzlich alle Gattungen von übertragbaren Wertpapieren wie zum Beispiel Aktien oder ausgewählte Schuldtitel wie Genussscheine, Inhaberschuld- oder Orderschuldverschreibungen sowie bestimmte Zertifikate. Bemerkenswert ist, dass die BaFin auch im Anschreiben zu den neuen MaRisk selbst auf "kapitalmarktorientierte Institute" Bezug nimmt beziehungsweise derart die erhöhten Anforderungen des BTR 3.2 MaRisk erläutert, dass Institute, "die sich in signifikantem Umfang über den Kapitalmarkt refinanzieren" besonders liquiditätskrisenanfällig seien.10)

Diese im Anschreiben enthaltene Umschreibung der Kapitalmarktorientierung könnte jedoch in der Auslegung über die Kapitalmarktorientierung nach § 264d HGB gemäß den Erläuterungen zu BTR 3.2 Tz. 1 MaRisk hinausgehen, sodass abzuwarten bleibt, wie hiermit in der aufsichtlichen Praxis - gerade auch im Rahmen des Proportionalitätsprinzips - umgegangen werden wird.

Allgemeine Anforderungen: Die nun im BTR 3.1 MaRisk 2010 enthaltenen Allgemeinen Anforderungen an Liquiditätsrisiken sind mit wenigen Ausnahmen deckungsgleich mit den bisherigen Regelungen zu den Liquiditätsrisiken, die sich noch im "ungeteilten" BTR 3-Modul der MaRisk 2009 befanden.

Konkretisierungen haben sich bezüglich der Liquiditätsübersichten im BTR 3.1 Tz. 3 MaRisk ergeben. Ein Institut hat demnach für einen geeigneten Zeitraum eine aussagekräftige Liquiditätsübersicht zu erstellen, in der die voraussichtlichen Mittelzuflüsse den voraussichtlichen Mittelabflüssen gegenübergestellt werden sollen. Den auch in normalen Marktphasen üblichen Schwankungen der Zahlungsflüsse ist dabei angemessen Rechnung zu tragen. Die Annahmen, die den Mittelzuflüssen und -abflüssen zugrunde liegen, sind festzulegen. Dabei müssen die Annahmen auch etwaige Inanspruchnahmen aus Liquiditäts- und Kreditlinien berücksichtigen, die das Institut Dritten zur Verfügung gestellt hat. Die Untergliederung in Zeitbänder muss geeignet sein, um auch die Entwicklung der kurzfristigen Liquiditätslage abzubilden.

Gesteigerter Wert auf Stresstests

Eine weitere Neuerung betrifft die Regelungen in BTR 3.1 Tz. 4 MaRisk. Demnach ist laufend zu überprüfen, ob auch bei angespanntem Marktumfeld der Liquiditätsbedarf gedeckt werden kann und ob dauerhaft Zugang zu den für das Institut relevanten Refinanzierungsquellen besteht. Ein "angespanntes Marktumfeld" liegt zum Beispiel dann vor, wenn sich Liquiditätsspreads von einem Mehrmonatsdurchschnitt deutlich entfernen. Hinzu kommt nun die aufsichtsrechtliche Anforderung, dass für kurzfristig eintretende Verschlechterungen der Liquiditätssituation das Institut ausreichend bemessene, nachhaltige Liquiditätsreserven (zum Beispiel hochliquide, unbelastete Vermögensgegenstände) vorzuhalten hat.

Die Aufsichtsinstitutionen legen seit der Finanzkrise gesteigerten Wert auf Stresstests und detaillieren die Anforderungen stetig. Aus diesem Grund hat der BTR 3.1 Tz. 6 MaRisk eine Änderung erfahren. Bisher galt bereits, dass für Liquiditätsrisiken regelmäßig angemessene Stresstests durchzuführen sind und dass dabei sowohl institutseigene Ursachen (zum Beispiel durch Abzug von Kundeneinlagen) als auch marktweite Ursachen (zum Beispiel Verschlechterung der Refinanzierungsbedingungen für einige oder alle Institute) für Liquiditätsrisiken in die Betrachtung einzubeziehen sind. Zur Klarstellung wurde nun neu in die MaRisk aufgenommen, dass das Institut die Stresstests individuell zu definieren hat und dass dabei den Stresstests unterschiedlich lange Zeithorizonte zugrunde zu legen sind.

Für kapitalmarktorientierte Unternehmen gibt es darüber hinaus noch deutlich erhöhte Stresstestanforderungen in den Tz. 1 beziehungsweise 3 BTR 3.2 MaRisk.

Zusätzliche Anforderungen: Die nachfolgenden Ausführungen zu den zusätzlichen Anforderungen der Liquiditätsrisiken gelten nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen. Die Aufsicht selbst geht davon aus, dass diese Kapitalmarktorientierung nicht für die "Masse der Institute" gilt.11)

Neu aufgenommen wurde die Regelung des BTR 3.2 Tz. 1 MaRisk, dass das Institut in der Lage sein muss, den zusätzlich erforderlichen Refinanzierungsbedarf, der sich aus den institutsindividuellen Stressszenarien über den Zeithorizont von mindestens einem Monat ergibt, mit den nach BTR 3.1 Tz. 4 vorzuhaltenden Liquiditätsreserven überbrücken kann. Hierdurch werden für diese Institute bereits Anforderungen der Liquidity Coverage Ratio umgesetzt, welche ein Maß zur Sicherstellung der kurzfristigen Liquidität gemäß Basel III ist.12)

Hochliquide Vermögensgegenstände vorhalten

Zur Überbrückung des kurzfristigen Refinanzierungsbedarfs von mindestens einer Woche hat das Institut neben Geldmitteln hochliquide Vermögensgegenstände vorzuhalten (BTR 3.2 Tz. 2 MaRisk). Diese müssen jederzeit ohne signifikante Wertverluste in privaten Märkten13) liquidiert werden können und auch zentralbankfähig sein. Für den weiteren Refinanzierungsbedarf bis zum Ende des Zeithorizonts von mindestens einem Monat können andere Vermögensgegenstände als weitere Bestandteile der Liquiditätsreserven herangezogen werden, wenn diese ohne signifikante Wertverluste innerhalb des Zeithorizonts liquidiert werden können.

Für kapitalmarktorientierte Unternehmen gibt es für Stresstests in BTR 3.2 Tz. 3 MaRisk konkrete Vorgaben zur Ausgestaltung. Ein Institut hat demnach Stressszenarien zu betrachten, nach denen dann auch die Liquiditätsreserven gemäß Tz. 1 zu bemessen sind. Zunächst sind Stressszenarien zu entwickeln, die auf institutseigenen Ursachen beruhen. Zum anderen sind getrennt davon Stressszenarien zu betrachten, die auf marktweite Ursachen zurückzuführen sind. Darüber hinaus sind beide Aspekte kombiniert zu berücksichtigen (Abbildung 2).

Die Nutzung der vorzuhaltenen Liquiditätsreserven muss nach BTR 3.2 Tz. 4 MaRisk jederzeit möglich sein. Deshalb hat das Institut sicherzustellen, dass der Nutzung der Liquiditätsreserven keine rechtlichen, regulatorischen oder operationellen Restriktionen entgegenstehen. Die Diversifikation und die Aufteilung der Liquiditätsreserven auf verschiedene Jurisdiktionen müssen der Struktur und den Geschäftsaktivitäten des Instituts und der Gruppe entsprechen. Eine Liquiditätsreserve, auf die im Bedarfsfall nicht zurückgegriffen werden könnte, wäre wirkungslos. Allerdings stellen diese Anforderungen gerade die international ausgerichteten Institute beziehungsweise Gruppen vor größere Herausforderungen.

Marginale Änderungen für die Masse der Institute

Die wesentlichen Neuerungen der MaRisk-Anforderungen zu Liquiditätsrisiken betreffen die kapitalmarktorientierten Institute. Für sie ergeben sich vor allem Konkretisierungen der weniger spezifischen allgemeinen Anforderungen des BTR 3.1 MaRisk, beispielsweise konkrete Vorgaben hinsichtlich der kurzfristigen Liquidität im Sinne einer Liquidity Coverage Ratio beziehungsweise weitergehende Anforderungen an Stresstests. Die allgemeinen Anforderungen des BTR 3.1 MaRisk, denen die Masse der Institute gerecht zu werden hat, ändern sich hingegen eher marginal. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der jüngsten Finanzkrise und daraus resultierenden Regularien wie Basel III haben alle Institute künftig mit weiter steigenden Anforderungen und einer erhöhten Prüfungsintensität der Aufsicht in diesem Bereich zu rechnen.

Die Autoren geben im Beitrag ausschließlich ihre persönliche Meinung wieder.

Literatur

Angermüller, Niels O./Eichhorn, Michael/Ramke, Thomas (2006): Liquiditätsrisiken: Grundlagen, Management und bankenaufsichtsrechtliche Anforderung, in Handbuch MaRisk, hrsg. von Axel Becker, Walter Gruber und Dirk Wohlert, Frankfurt 2006, Seiten 477 bis 499.

Basel Committee on Banking Supervision (2010): International framework for liquidity risk measurement, standards and monitoring. Basel.

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2005): Mindestanforderungen an das Risikomanagement, Rundschreiben 18/2005 (MaRisk i. d. F. vom 20 Dezember 2005).

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht/Deutsche Bundesbank (2008): Praxis des Liquiditätsrisikomanagements in ausgewählten deutschen Kreditinstituten, Bonn/Frankfurt 2008. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2010a): Anschreiben zur Veröffentlichung der Ma-Risk i.d. F. vom 15. Dezember 2010.

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2010b): Mindestanforderungen an das Risikomanagement, Rundschreiben 11/2010 (MaRisk i.d. F. vom 15. Dezember 2010).

Ramke, Thomas/Schöning, Stephan (2006): MaRisk: Einbeziehung von Liquiditätsrisiken in das Risikomanagement, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 13, 2006, S. 681-685.

Zentraler Kreditausschuss (2010): Stellungnahme zum MaRisk Konsultationsentwurf vom 9. Juli 2010. Berlin.

Fußnoten

1) BaFin (2010b): Mindestanforderungen an das Risikomanagement, Rundschreiben 11/2010.

2) Vgl. BaFin (2005): Mindestanforderungen an das Risikomanagement, Rundschreiben 18/2005 (MaRisk in der Fassung vom 20. Dezember 2005); detailliert zu den Liquiditätsrisiken Angermüller, Niels/Eichhorn, Michael/Ramke, Thomas (2006): Liquiditätsrisiken: Grundlagen, Management und bankenaufsichtsrechtliche Anforderung, Seiten 477ff.

3) BTR 3 MaRisk 2005 zu den Liquiditätsrisiken umfasste lediglich 5 Textziffern.

4) Vgl. Ramke Thomas/Schöning Stephan (2006): MaRisk: Einbeziehung von Liquiditätsrisiken in das Risikomanagement, in: ZfgK 13/2006, Seiten 681 bis 685.

5) Vgl. BaFin/Deutsche Bundesbank (2008): Praxis des Liquiditätsrisikomanagements in ausgewählten deutschen Kreditinstituten, Frankfurt 2008 sowie die laufend gewonnenen Erkenntnisse aus Feststellungen aus aufsichtsrechtlichen Prüfungen nach §44 KWG.

6) Vgl. BaFin (2010a): Anschreiben zur Veröffentlichung der MaRisk in der Fassung vom 15. Dezember 2010, Seiten 1ff.

7) Vgl. BaFin (2010a): Anschreiben zur Veröffentlichung der MaRisk in der Fassung vom 15. Dezember 2010, Seite 5.

8) Die Neugliederung des MaRisk-Moduls für Liquiditätsrisiken führt zu erheblichen Textziffer-Anderungen.

9) Zum Beispiel bat der Zentrale Kreditausschuss (2010), Seite 20, um eine Konkretisierung und ging gleichzeitig davon aus, dass § 264d HGB hier nicht herangezogen werde.

10) Vgl. BaFin (2010a): Anschreiben zur Veröffentlichung der MaRisk in der Fassung vom 15. Dezember 2010, Seite 5.

11)Vgl. BaFin (2010a): Anschreiben zur Veröffentlichung der MaRisk in der Fassung vom 15. Dezember 2010, Seite 5.

12) Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2010).

13) Der Begriff "private Märkte" ist dabei nach den Erläuterungen der MaRisk "als Abgrenzung zu Transaktionen mit Zentralnotenbanken (zum Beispiel Offenmarktgeschäfte oder Spitzenrefinanzierungsfazilitäten) zu verstehen".

14) Unter institutionellen Anlegern sind nach den MaRisk-Erläuterungen professionelle Marktteilnehmer wie zum Beispiel größere Banken und Versicherungen, Hedgefonds, Pensionsfonds oder andere größere Unternehmen zu verstehen.

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