Internationaler Währungsfonds

Personal und Politik

"The same procedure as every year" - so verläuft seit Gründung der beiden wichtigsten internationalen Finanzorganisationen - Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank - die Vergabe ihrer Spitzenpositionen. Quasi gewohnheitsrechtlich steht die Besetzung des Postens des Weltbank-Präsidenten den USA, die des geschäftsführenden Direktors des IWF den Europäern zu - basta! Basta?

Die Zeiten, in denen Nordamerikaner und Europäer aufgrund ihrer wirtschaftlichen Vormachtstellung die internationale Finanzwelt dominierten, sind vorbei. Die Schwellenländer holen zunehmend auf. Brasilien, Russland, Indien und China - die sogenannten BRIC-Staaten - wollen nicht länger Zaungäste sein und finden Unterstützung in der G20. Und das mit gutem Recht. China verfügt zurzeit nach eigenen Angaben über rund 1,4 Billionen Dollar an Währungsreserven, ist vermutlich die drittstärkste Wirtschaftsnation der Erde und wird nach den gegenwärtigen Prognosen im Jahr 2008 Deutschland als Exportweltmeister überholen. Brasilien hat seine Schulden aus der Währungskrise an den IWF zurückgezahlt und ist als Industriestandort und Rohstofflieferant bedeutend, Letzteres gilt zusammen mit den Energievorräten auch für Russland und die Zukunft Indiens als wichtiger internationaler Dienstleistungsstandort zeichnet sich ab. Während in Europa gerade die Diskussion um die Abwehr ausländischer Staatsfonds, vor allem aus China und Russland, in vollem Gange ist, wäre es geradezu illusorisch zu meinen, die Schwellenländer als "Schmuddelkinder" vor den Toren der Staaten-Finanzwelt stehen lassen zu können.

Und dennoch galt es offensichtlich dem alten Ritual zu folgen, wonach die Europäer den Vorschlag für den IWF-Chef machen: Die EU-Finanzminister nominierten am 10. Juli dieses Jahres den ehemaligen französischen Finanzminister und Sozialisten Dominique Strauss-Kahn, der frühere polnische Regierungschef Marek Belka, der von Polen ins Gespräch gebracht worden war, hatte offensichtlich keine Chance. Strauss-Kahn gilt gemeinhin als ausgezeichneter Kandidat und die Tatsache, dass Sarkozy eine Leitfigur der französischen Linken benannte, zeigt ein weiteres Mal sein innen- und außenpolitisches Gespür.

Es beweist aber auch, dass er es auch nach Libyen und EADS weiterhin ernst meint mit dem Satz: "Ich wurde gewählt, um etwas zu bewegen". Vordergründig würden die Europäer zwar mit der Wahl Strauss-Kahns ihren Besitzstand wahren, gleichzeitig begäben sie sich aber in eine Dominanz ganz anderer Art: Die geschickte französische Personalpolitik hat ihnen Jean-Claude Trichet als EZB-Präsident, Jean Lemierre als Präsidenten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und Pascal Lamy als Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO) beschert. Strauss-Kahn würde das Quartett einflussreicher Franzosen in der internationalen Finanz- und Handelspolitik komplettieren und es wäre höchst unwahrscheinlich, dass diese die Runde nur zum Kartenspielen oder für eine Plauderei über ENA-Zeiten (École Nationale d'Administration), wo alle vier studierten beziehungsweise später auch lehrten, nutzen.

Kurz nach der Nominierung der Europäer verabschiedete am 12. Juli diesen Jahres der Exekutivausschuss des Internationalen Währungsfonds, das permanente Entscheidungsgremium der Organisation, dem auch die Wahl des IWF-Direktors obliegt, eine Erklärung zum Auswahlprozess, in der es heißt, dass jeder der 24 Exekutivdirektoren einen Kandidaten aus den 185 Mitgliedsstaaten vorschlagen könne, der - wenn möglich - im Konsens und ohne "geografische Bevorzugung" gewählt werde. Damit schlägt sich das Gremium auf die Seite der Länder, die ein größeres Mitspracherecht beanspruchen, was bereits in der Diskussion um die Neuverteilung der Stimmrechte zum Ausdruck kommt. Neben dem Gedanken einer "Demokratisierung" der Institution gibt es auch einen anderen Grund, die Kandidatensuche auszuweiten: die Gefahr, dass ansonsten bald der multilaterale Ansatz des IWF auseinander brechen könnte.

Nicht nur Brasilien und Argentinien haben nach der Rückzahlung ihrer Verbindlichkeiten betont, den IWF nicht mehr zu brauchen. Seit der Asien-Krise vor zehn Jahren hat sich auch dort die Lage verändert und es kann angenommen werden, dass für den Fall einer ähnlichen Situation die asiatischen Staaten selbst regionale Unterstützungsmechanismen einleiten würden. Hohe Wachstumsraten, Überschüsse und Währungsreserven machten dies ohne weiteres möglich und man müsste nicht, wie bei IWF-Unterstützungsmaßnahmen oft beklagt, harsche Auflagen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik erfüllen. Die Gefahr einer Regionalisierung der internationalen Finanzpolitik zeichnet sich somit ab und ist nichts anderes als ein Spiegelbild der Re-Nationalisierung und Regionalisierung anderer Politikbereiche. Auch wenn zum Beispiel die Konsultations- und Surveillance-Prozesse erhalten blieben, wäre doch der IWF als Organisation vergleichbar einem Schwert ohne Klinge. Eine personalpolitische Öffnung könnte diesen Prozess zumindest aufhalten und den Schwellenländern signalisieren: Eure Mitarbeit und eure Erkenntnisse sind uns wichtig.

Einer der Kandidaten, die aus den Schwellenländern gehandelt werden, ist der ehemalige brasilianische Notenbankchef Armínio Fraga. Seine Expertise ist unumstritten: Lehrauftrag an der Columbia University, Verwalter des Quantum-Fonds von Georges Soros (1993 bis 1998), Präsident der brasilianischen Zentralbank (1999 bis 2002) und seit 2003 als Gründer und Partner Anlagechef der in Rio de Janeiro ansässigen Investmentgesellschaft Gávea Investimentos, die im Bereich Private Equity, Hedgefonds und Vermögensmanagement erfolgreich ist. Wünschenswert wäre es, wenn Brasilien ihn nominieren würde und Fraga sich auf eine solche Kandidatur einließe - was er sicherlich nur täte, wenn er zumindest eine ernsthafte Chance hätte. Von den USA zu erwarten, dass sie als ersten Schritt die Führungsposition der Weltbank aufgeben, ist ziemlich illusorisch, dafür nimmt man sich immer noch zu wichtig und hat zudem auch eine Sperrminorität. Beim IWF mit einem transparenten und ergebnisoffenen Verfahren zu beginnen, täte gut. September und Oktober werden also zeigen, wie wichtig der IWF seine eigenen Erklärungen nimmt. Dabei geht es um mehr als nur um "basta" und den Chef-Posten. B. W.

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