Aufsätze

Redaktionsgespräch mit Raimund Röseler - "Manche Banken müssen dringend ihr Geschäftsmodell überarbeiten"

Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage der deutschen Kreditwirtschaft?

Das Umfeld ist fragil. Die Margen sinken - nicht erst seit Beginn der Krise, sondern auch im langfristigen Trend. Dabei gab es in den letzen Jahren noch Rückenwind: Dank des guten wirtschaftlichen Umfelds war die Risikovorsorge gesunken, und die Zinsstruktur ermöglichte es, aus der Fristentransformation Erträge zu generieren. Jetzt wird die Lage allerdings schwieriger. Manche Banken müssen dringend ihr Geschäftsmodell überarbeiten. Das kann in einigen Fällen auch bedeuten, dass die Institute sich verkleinern müssen.

Sehen wir jetzt das lange erwartete Schrumpfen?

Banken müssen bereit sein, in bestimmten Geschäftsfeldern zu schrumpfen, um ihre Überlebensfähigkeit zu sichern. Allerdings wird ein Schrumpfen von den Anreizmechanismen der Institute oft nicht honoriert. An dieser Stelle muss ein Umdenken stattfinden.

Durch neue Mechanismen und Ins trumente können Sie mittlerweile viel stärker die Qualität der Geschäftsmodelle anschauen. Tun Sie das auch?

Ja. Wir diskutieren mit den Banken viel eingehender über ihre Geschäftsmodelle als in der Vergangenheit. Unsere Erkenntnisse hieraus nutzen wir auch für Quervergleiche. Hierzu haben wir in der BaFin eine eigene Einheit. So können wir auch feststellen, welche Banken mit welchem Geschäftsmodell planen und ob dies der Markt überhaupt hergibt - oder ob dadurch vielleicht sogar ein neues systemisches Risiko entstehen kann, weil alle in die gleiche Richtung marschieren.

Bedeutet dies auch eine Veränderung der aufsichtlichen Tätigkeit? Früher hieß es ja immer, dass sich die Aufsicht nicht in die Geschäftspolitik der Banken einmischt.

Wir sind nicht die besseren Banker - das gilt nach wie vor. Es geht auch nicht da rum, einer Bank ihr Geschäftsmodell einfach zu verbieten, nur weil wir aus irgendeinem Grund anderer Meinung sind.

Wir werden aber von den Banken als kritische Dialogpartner wahrgenommen. Wir haben gegenüber jeder Bank den großen Vorteil, dass wir auch die Geschäftsmodelle ihrer Wettbewerber kennen.

Im Rahmen der Geschäftsanalysen lassen wir uns von den Banken auch Planzahlen für einen Soll-Ist-Abgleich geben. Anhand einer Zeitreihe kann man sehen, ob eine Bank generell und signifikant von ihren Planungen abweicht. Das sagt dann auch etwas über die Planungskompetenzen und damit auch die Qualität des Managements aus.

Nimmt die Regulierung Banken nicht auch Ertragsmöglichkeiten? Einige Institute haben aufgrund der aufsichtsrechtlichen Vorgaben beispielsweise ihre Wertpapierberatung eingestellt.

Das Thema Beratungspflicht fällt ja nicht in den Bereich der Bankenaufsicht. Aber ich kenne den Vorwurf von einem anderen Thema her, nämlich der Fristentransformation. Man wirft uns immer wieder vor, dass wir zu streng auf Fristentransformationen schauen und in diesem klassischen Geschäftsfeld Ertragsmöglichkeiten verbauen.

Diesen Ertragschancen stehen allerdings Risiken gegenüber. Gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank führen wir regelmäßig Stresstests zum Marktrisiko durch, aus denen wir erkennen können, wie sich Zinsänderungen auf das Eigenkapital einer Bank auswirken würden. Wenn eine Bank die Fristentransformation in einem vernünftigen Maße betreibt, stört uns das nicht. Aber wenn - wie in wenigen Einzelfällen - ein Zinsanstieg über Nacht in Höhe von 60 Basispunkten für eine Bank einen Verlust von 150 Prozent ihres Eigenkapitals bedeutet, dann müssen wir entsprechend gegensteuern.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage deutscher Banken im Vergleich zu europäischen Instituten? Deutsche Banken profitieren im Moment von dem "Safe-Haven-Charakter" Deutschlands, der ihnen die Refinanzierung erleichtert.

Zudem ist der deutsche Bankenmarkt in seiner Struktur sehr gesund. Gerade die Vielzahl von Instituten ist durchaus ein Vorteil für das deutsche Bankensystem.

Wenn es allerdings um die Herausforderungen von Basel III geht, dann müssen die Banken in Deutschland noch einiges tun - ebenso wie die Institute in anderen Ländern.

Können deutsche Banken etwas von Instituten in anderen Ländern lernen?

Deutsche Banken sind gut und solide durch die zurückliegenden schwierigen Jahre gekommen, sodass sie generell auf dem richtigen Weg sind. Sie müssen nun jedoch sehr viel Kapital generieren, sicherlich mehr als in manchen anderen Ländern. Die Kapitalausstattung der deutschen Banken liegt nicht oberhalb des Durchschnitts. Auch sind manche Banken in anderen Ländern vielleicht etwas flexibler, was erforderliche Änderungen ihres Geschäftsmodells angeht.

Jens Weidmann hat vergangene Woche angeregt, Staatsanleihen mit Eigenkapital zu unterlegen. Was hätte das für Konsequenzen?

Grundsätzlich spricht vieles dafür, Staatsanleihen mit Eigenkapital zu unterlegen. Kurzfristig ist ein solches Vorhaben allerdings nicht realisierbar, weil Banken dann teilweise ihre Positionen reduzieren und die Krise damit verschärfen würden.

Mittel- oder langfristig sieht das anders aus. Auch Staatsanleihen haben ein Risiko, und durch das bisherige Null-Gewicht haben manche Banken ein viel zu großes Rad im Staatsanleihe-Markt gedreht. Diese Dimensionen muss man begrenzen. Dafür ist die Eigenkapitalunterlegung ein richtiger Weg.

Allerdings sollte man die Wirkung auch nicht überschätzen, denn alle Banken, die mit internen Modellen arbeiten, haben den Risikogehalt der Staatsanleihen darin bereits heute berücksichtigt.

Darüber hinaus betrachten wir auch die Risikotragfähigkeit der Banken. Wenn stille Lasten aus Staatsanleihen-Portfolios existieren, dann sorgt die Aufsicht auch dafür, dass sie gedeckt werden können, im Zweifelsfall durch einen zusätzlichen Kapitalaufschlag.

Was kommt 2013 von der Regulierungsseite her auf deutsche Banken konkret zu?

Das allerwichtigste Thema ist natürlich Basel III. Ich plädiere nach wie vor dafür, dass Basel III wie geplant 2013 in Kraft tritt - unabhängig davon, was die Amerikaner machen. Dabei ist gegebenenfalls eine Einführung in mehreren Stufen vorstellbar, da für manche Aspekte die IT-Systeme angepasst werden müssen. Auf andere Dinge haben sich die Banken hingegen bereits vorbereitet. Themen wie Governance zum Beispiel sollten deshalb frühzeitig umgesetzt werden können.

Darüber hinaus gibt es noch weitere regulatorische Themen, die natürlich eine Herausforderung sind. Hier sind vor allem die "Recovery and Resolution"-Pläne zu nennen. Wir haben vor Kurzem ein Rundschreiben zu den Mindestanforderungen an die Ausgestaltung von Sanierungsplänen veröffentlicht.

Sie sagten, dass Basel III in Kraft treten soll, auch unabhängig davon was die USA macht. Kann man das überhaupt unabhängig von den USA sehen?

Nein, das kann man nicht. Ich würde mich freuen, wenn die Amerikaner Basel III einführen. Aber wir brauchen das Regelwerk auch unabhängig von den USA. Basel III ist entwickelt worden, um den Bankenmarkt stabiler zu machen und um Risiken für die Realwirtschaft zu reduzieren. Dieses Ziel gilt es nach wie vor zu erreichen.

Wo könnte ein möglicher Nicht-Gleichlauf zwischen USA und Europa den deutschen Bankensektor treffen?

Er würde die global tätigen Institute treffen. Ich hätte aber die Hoffnung, dass die Kunden dieser Institute nicht nur auf den Preis schauen, sondern auch darauf, wie diese Bank reguliert wird und welche Sicherheit für die Solidität dieser Bank besteht. Gute Regulierung kann auch ein Wettbewerbsvorteil sein.

Spüren Sie, dass so etwas heute schon der Fall ist?

Denken Sie an die Ratingagenturen. Die Qualität der Aufsicht gehört zu ihren Kriterien. Wenn eine außereuropäische Bank in Deutschland tätig werden will, muss sie die Erlaubnis der BaFin haben. Und wenn Basel III gilt, müssen dafür natürlich auch die Kriterien von Basel III angelegt werden.

Basel III soll den Finanzmarkt stabiler machen. Ist der Bankenmarkt bereits sicherer geworden?

Ich glaube schon, dass der Bankenmarkt insgesamt gesünder geworden ist. Wenn man sich die Entwicklung der Eigenkapitalsituation gerade deutscher Banken seit Beginn der Krise anschaut, wird deutlich, dass sehr viel Eigenkapital zusätzlich geschaffen worden ist. Dazu hat auch der viel gescholtene EBA-Stresstest beigetragen. Aber Banken können sich nicht von ihrem Umfeld loslösen. Und dieses Umfeld ist momentan fragil.

Könnten Banken noch sicherer werden, wenn man sie aufspaltet?

Ich würde differenzieren zwischen dem "Liikanen"-Vorschlag und den Vorschlägen von Volcker beziehungsweise Vickers. Liikanen bewegt sich ja immer noch im Universalbank-Modell. Das ist aus meiner Sicht auch sinnvoll, da das Universalbank-Modell viele Vorteile hat.

Wir haben vieles auf den Weg gebracht, um den Problemen "too complex to control", "too big to fail" und "too interconnected to fail" zu begegnen. Die Abwicklungs- und Sanierungspläne gehen hier ja bereits in die richtige Richtung; Basel III ebenfalls.

Wenn wir allerdings ganz ehrlich sind: So richtig gelöst ist die Frage noch nicht. Deshalb muss man genau prüfen, welche der Liikanen-Ansätze sinnvoll auf den deutschen oder europäischen Bankenmarkt übertragen werden können. Ich glaube nicht, dass "Liikanen" 1:1 umsetzbar ist. Bestimmte Aktivitäten in bestimmten Bilanzkategorien kann man nicht einfach in eine neue Entity ausgliedern.

Den Grundgedanken, Teile innerhalb eines Konzerns zu isolieren und damit diesen Konzern auch transparenter zu machen, sollte man allerdings weiter verfolgen. In diesem Zusammenhang sind viele schwierige Fragen zu beantworten. Dass die Fragen schwierig sind, bedeutet jedoch nicht, dass man nicht nach den Antworten suchen sollte.

Müssten dann nicht Holding-Gesellschaften geschaffen werden, um die Refinanzierung auf beiden Seiten sicherzustellen?

Die Umsetzung eines solchen Modells, wie auch immer es im Endzustand aussehen wird, hätte in der Tat Auswirkungen auf die Refinanzierung. Aber es würde mehr Transparenz schaffen.

Wie beurteilen Sie generell den Refinanzierungsmarkt der Banken?

Er stellt die Banken derzeit vor große Herausforderungen. Wenn ich am Anfang sagte, dass Geschäftsmodelle geändert werden müssen, dann ist das erst recht für die Funding-Märkte wichtig. Banken, die ausschließlich auf den Wholesale-Markt angewiesen sind und kein tragfähiges Geschäftsmodell haben, das sie den Investoren verkaufen können, werden Probleme bekommen.

Bei deutschen Banken kommt, wie gesagt, zurzeit noch der "Safe-Haven-Vorteil" zum Tragen. Gerade bei der langfristigen Refinanzierung wird jedoch eine stärkere Spreizung stattfinden zwischen den Banken, die ihren Investoren plausibel machen können, dass ihr Geschäftsmodell trägt, und den Instituten, bei denen die Investoren Zweifel hegen.

Sie glauben an das Universalbank-Modell, halten gleichzeitig aber eine Aufspaltung für überdenkenswert. Über wie viele Banken reden wir dabei in Deutschland?

Selbst wenn man die unterste Grenze aus dem Liikanen-Vorschlag ansetzte, wären nur ganz wenige Institute in Deutschland betroffen.

Allerdings würde sich dadurch auch die Bankenaufsicht ändern. Banken würden natürlich versuchen, knapp unter dieser Grenze zu bleiben.

Wie groß ist Ihr Vertrauen in eine wie auch immer geartete zukünftige europäische Aufsicht hinsichtlich einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit?

In Basel ist die Entscheidung getroffen worden, sogenannte D-SIB-Surcharges vorzuschreiben. Das führt natürlich zu einer stärkeren Fragmentierung des Marktes und zu einem Wettbewerb um Kapital zwischen Heimat- und Gastlandaufseher.

Die BaFin ist sowohl als Heimat- als auch als Gastlandaufseher unterwegs. Die Kooperation mit den Partnerbehörden klappt nach wie vor sehr gut. Natürlich gibt es immer wieder auch intensive Diskussionen. Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit aber wirklich gut und konstruktiv.

Mitunter hört man Klagen von deutschen Banken, dass sie stärker reglementiert werden als Banken in anderen Ländern. Was antworten Sie denen?

Die Kreditwirtschaft klagt immer über die Kosten der strengen Regulierung. Die Krise hat aber gezeigt, dass eine strenge Regulierung und Aufsicht für die Wirtschaft auch Nutzen stiften kann.

Der Nutzen besteht in einer höheren Stabilität, und zwar auch für die reale Wirtschaft. Er ist allerdings leider nicht so leicht zu quantifizieren wie die zusätzlichen Kosten, etwa für IT-Mitarbeiter.

Wir sind in Europa nicht als Hardliner unterwegs. Wir beaufsichtigen aber vernünftig und angemessen.

Wie könnte eine europäische Bankenaufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank konstruiert sein?

Die Europäische Zentralbank wird die nationalen Aufsichtsbehörden mit einbinden. Unabhängig davon, für wie viele der rund 6 000 Banken in Europa die EZB am Ende direkt zuständig sein wird, wird sie für die Entscheidungsvorbereitung die Unterstützung der nationalen Aufseher benötigen. In dieser Rolle sehe ich uns weiterhin.

Es sind aber noch ganz viele Dinge zu klären, etwa zu den Themen Governance, Abtrennung von der Geldpolitik, Zuständigkeiten. Bei der Anwendung der Fit-and-Proper-Regeln etwa hat die BaFin Ermessensspielräume. Wenn sie diese nicht nutzt, können Betroffene dagegen klagen. Dann stellt sich allerdings die Frage, vor welchem Gericht und nach welchem Recht zu klagen ist, wenn die BaFin auf Anweisung der EZB gehandelt hat.

Langfristig benötigt man für eine saubere Lösung eine Vertragsänderung. Als Übergangslösung könnte allerdings ein "Supervisor of the Supervisors"-Modell durchaus Sinn machen. Eine übergeordnete Stelle definiert zunächst einmal die Regeln und sorgt dafür, dass diese in allen Ländern einheitlich angewendet werden.

Alle Lösungen sind allerdings nur second best, wenn Großbritannien nicht dabei ist. London ist der größte Finanzplatz Europas. Auch wenn man nun pragmatisch ist und mit den anderen Ländern beginnt, muss man langfristig eine Lösung finden, die Großbritannien einbezieht.

Auch alle Lösungen, die nicht auf eine Allfinanz-Aufsicht hinauslaufen, sind nur zweite Wahl. Um nur ein Argument zu nennen: Nur mit einer Allfinanzaufsicht können die in Krisenfällen teilweise gegenläufigen Interesse der Banken- und der Versicherungsaufsicht in Einklang gebracht werden.

Ist das durchsetzbar?

Es ist mein Wunsch. Ich glaube allerdings, dass viele die Notwendigkeit noch nicht erkannt haben. Die Bankenunion soll eine Fragestellung lösen, die aber nicht den Kern des eigentlichen Problems darstellt. Der Kern des Problems ist im Moment eine Solvenzkrise von Staaten und eine Solvenz krise von Banken, nicht jedoch eine unbefriedigende Bankenaufsicht in Europa, zumindest im Hinblick auf den deutschen Markt.

Wie schätzen Sie in diesem Zusammenhang die zukünftige Position der EBA ein?

Es ist noch nicht klar, was die EZB künftig genau macht. Auf jeden Fall könnte die EBA weiterhin als Regulierer tätig sein, das heißt, sie definiert die Regeln. Das wäre natürlich eine Schmälerung ihres Aufgabenfeldes gegenüber heute. Sie wäre darüber hinaus weiterhin für die Staaten zuständig, die nicht im Single Supervisory Mechanism sind. Letztlich hängt alles davon ab, wie nun die einheitliche Aufsicht ausgestaltet wird.

Die EZB hat noch keine Aufsichtserfahrung. Als Aufsicht zu starten, ohne zu wissen, wie man Aufsicht im Alltag macht, ist allerdings gefährlich.

Deshalb sammelt die EZB derzeit Informationen und erarbeitet gemeinsam mit der EBA ein Supervisory Handbook. In jedem Fall müssen wir vermeiden in ein Aufsichtsvakuum hineinzugeraten. Auch in der Übergangsphase muss die Aufsicht richtig funktionieren - gerade in diesem fragilen Umfeld. Man kann es nicht oft genug betonen: Qualität muss vor Geschwindigkeit gehen.

Und wie stehen Sie zur Zusammenlegung der Einlagensicherung?

Im Moment machen sich die Sparer um ihre Einlagen in Deutschland keine Sorgen - zu Recht. Ich befürchte aber, dass eine gemeinsame Einlagensicherung auf europäischer Ebene dieses Vertrauen mindern könnte, zumindest solange die Staatsschuldenkrise noch weiter anhält.

Deswegen ist es richtig, die Einlagensicherungssysteme auf europäischer Ebene in irgendeiner Form zu harmonisieren und zunächst zu gewährleisten, dass jedes Land ein ausreichendes Einlagensicherungssystem hat. Ich hoffe, dass Europa irgendwann auch auf anderen Feldern so weit zusammengewachsen ist, dass dann eine gemeinsame Einlagensiche rung Sinn macht. Eine Bankenunion kann schließlich nur ein Teil einer europäischen Integration sein. Ihr müssen weitere Schritte folgen.

Würde die Möglichkeit, Banken direkt aus dem ESM zu refinanzieren, den Bankenmarkt sicherer machen?

Eine solche Maßnahme ist nicht ohne Gefahr; die Sorge, die jetzt gegenüber einzelnen Banken besteht, könnte zur Sorge gegenüber einem gesamten System werden.

Auch hier steht jedoch viel zu sehr die Rekapitalisierung im Vordergrund. Bislang hat man nur mehr Geld in die Banken gesteckt. Wir müssen aber dahin kommen, Banken, die nicht mehr lebensfähig sind, abzuwickeln. Das ist in der Vergangenheit nicht immer so konsequent getan worden, wie ich es mir gewünscht hätte.

Stellt das deutsche Restrukturierungsgesetz in diesem Zusammenhang ein Modell für Europa dar?

Es ist auf jeden Fall schon einmal da, und damit sind wir weiter als viele andere. Diese Basis kann man für ein europäisches Modell nutzen.

Das gilt übrigens auch bei anderen Themen. Auch hinsichtlich der Vergütungsregeln etwa sind wir weiter als viele andere Länder. Sie könnten in Europa zum Exportschlager werden, wie auch die MaRisk.

Gibt es von Seiten der EBA auch Dinge, die aus Ihrer Sicht nicht unbedingt passend für die deutsche Bankenstruktur sind, etwa die angedachte Quartalsberichterstattung?

Beim Thema Berichterstattung und Meldewesen gab es Pläne, IFRS-Zahlen zugrunde zu legen - in der irrigen Annahme, dass die Mehrzahl der Banken bereits nach IFRS bilanziert. Das ist zumindest in Deutschland nicht der Fall.

Generell stelle ich fest, dass die Besonderheiten des deutschen Bankenmarkts mit seinen fast 2 000 Banken, von denen viele klein und nur lokal tätig sind, bei der EBA nicht immer hinreichend wahrgenommen werden. Das trifft auch auf die Definition des Eigenkapitals zu. Es herrscht eben oft das Bild der klassischen Aktiengesellschaft vor, das wir hier in Deutschland nur bei einer Minderheit der Banken vorfinden.

Wir müssen also immer wieder klarstellen, dass manche Dinge für den deutschen Bankenmarkt nicht anwendbar sind. Wir wollen nicht zusätzliche Privilegien, sondern wir brauchen eine Differenzierung, damit der deutsche Bankenmarkt funktionieren kann. Er ist deshalb aber keineswegs schlechter.

Wird der von Ihnen erwähnte Pragmatismus der deutschen Aufseher in einer künftigen europäischen Aufsicht unter Beteiligung der nationalen Aufsichtsbehörden noch möglich sein?

Das ist meine Sorge. Viele haben ein Bild von der Aufsicht, das heute nicht mehr stimmt. Nach diesem Bild bekommt man als Aufseher Meldungen und einen Jahresbericht, die man analysiert. Wenn etwas auffällig ist, fragt man nach, ansonsten kommt der Ordner in den Schrank.

So funktioniert Aufsicht aber nicht mehr. Heute sprechen wir täglich mit den großen Banken und sind auch mit kleineren Banken im Dialog. Wir versuchen zu verstehen, was die Banken tun, welche Risiken auf sie zukommen und welche Geschäftsmodelle sie haben.

Diese Ansicht wollen wir auch auf die europäische Ebene transportieren. Aufsicht ist mehr als nur gemeinsames Meldewesen.

Sie hatten die klare Trennung zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht angesprochen. Wie soll dies möglich sein, wenn die nationalen Aufsichtsbehörden eingebunden bleiben?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Alle Entscheidungen in der EZB trifft letztlich der EZB-Rat. Und der ist nun einmal auch für die Geldpolitik zuständig. Es ist nicht klar, wie man das handhaben kann. Hierzu brauchen wir nun Vorschläge vom Legal Service der Kommission und des Rates. Ebenfalls noch ungeklärt ist, wie Nicht-Eurostaaten eingebunden werden sollen.

Sind Sie gerne Bankenaufseher?

Ja, ich finde, das ist eine tolle Aufgabe. Mir sagte einmal ein ehemaliger Kollege, dass ich wohl den spannendsten Job in Deutschland hätte. Er hat recht.

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